Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Frauenquote? Quotenfrauen? Gendern? Was es für die Gleichberechtigung wirklich braucht

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Frauen im Handwerk und Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Während im Sekundentakt Preise explodieren und viele sich gedanklich schon vom liebgewonnenen Wohlstand verabschieden, läuft parallel eine Diskussion um Frauenförderung und -wertschätzung, die nicht nur sehr scheinheilig abläuft, sondern auch für viel Aufregung bei Denkern und Machern sorgt. Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg, schätzt die aktuelle Lage ein und berichtet zugleich von eigenen Erfahrungen. Jetzt in der neuen Folge von "Neues von der Werkbank".

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Vielleicht liegt es an meinem Alter, an der Lebenserfahrung oder schlichtweg daran, dass sich mir die Diskussion mancher Themen inhaltlich nicht mehr erschließt. Ich bekenne mich dazu. Die mir verbleibende Lebenszeit werde ich nicht dafür verschwenden, zu überlegen, ob eine schlechte Note während meiner Schulzeit möglicherweise auf mein Geschlecht zurückgeführt werden könnte. Andernfalls müsste ich ja dann auch so ehrlich sein, gute Noten unter dem Prüfungsvorbehalt des Sexus zu hinterfragen.

Ich erinnere mich noch gut, wie ich bei meiner zweiten Ausbildung um die Prüfungszulassung gekämpft habe. Nach sechs Wochen Krankenhaus aufgrund der Entbindung unseres Kindes sollte ich ein ganzes Jahr lang warten. Ohne Frauenbeauftragte, ohne Presse, aber mit Argumenten des gesunden Menschenverstandes habe ich mich dagegen gewehrt. Und: Ich habe die Prüfung abgelegt und bestanden. Die hitzige Diskussion, ob der Staat allein für die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit zu sorgen hat, brachte mir später auch viel Gegenwind.

Heutige Absichten dürfen nicht die Aufgabe von morgen sein

Fakt ist, der damalige Appell, sich eigenverantwortlich um Dinge zu kümmern statt auf neue Rahmenbedingungen zu warten, hat noch immer Gültigkeit. Unser Sohn ist mittlerweile 27 Jahre alt und die Bedingungen haben sich nur leidlich geändert. Jahrzehntelange Diskussionen führen in meinen Augen nur selten zu guten, greifbaren Ergebnissen.

Halt! Bevor Sie nun denken, jetzt folgt ein Plädoyer für das heimische Sofa, muss ich Sie direkt enttäuschen. Nicht aufgeben, sondern auftreten – lautet die Devise. Setzen Sie sich für Dinge ein, die angepackt werden müssen. Vertrauen Sie auf Ihren Wertekanon und Menschenverstand, bevor Sie nur dem Zeitgeist huldigen. Aber drängen Sie hierbei auch zu mehr Tempo! Absichtserklärungen müssen zeitnah umgesetzt und nicht als Aufgaben für kommende Generationen weitergereicht werden.

Auf Augenhöhe!

In den meisten Partnerschaften ist Gleichberechtigung bzw. Gleichstellung nicht der Rede wert, weil es einfach gelebt wird. Im betrieblichen Alltag (so jedenfalls der Eindruck in meiner kleinen Welt) wird jedoch selten die Geschlechterfrage gestellt, sondern die nach der Kompetenz. Und natürlich, auch heute gibt es noch Vertreter, die in manchen Frauen lediglich das „Backoffice“ sehen. An alle Lieferanten, Kunden, Politiker und wen es sonst noch interessiert: Viele Frauen stehen nicht hinter ihren Männern. Und sie stehen auch nicht vor ihren Männern. Sondern: Sie stehen nebeneinander und zwar auf Augenhöhe. Das ist der große Unterschied. Wer Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, als zu betreuende Wesen behandelt, darf sich über deren Fehlen nicht wundern.

Was es braucht, ist eine starke Umgebung

Ja, ich selbst habe keinen Meisterbrief, was augenscheinlich zunächst mal ein Engagement im Handwerk erschwert. Meine abgeschlossenen Ausbildungen haben möglicherweise Impulse gesetzt, die diesem Hintergrund geschuldet sind. So ein Weg war und ist nicht immer einfach. Weder für den, der ihn geht, noch für den, der ihn begleitet. Was ich aber mit dem Brustton der Überzeugung sagen kann, ist, dass ich meinen Platz im Leben selbst erarbeitet habe. Er wurde mir nicht generös aufgrund meines Geschlechts geschenkt. Allen Widrigkeiten zum Trotz waren es keine Programme, sondern die jeweilige starke Umgebung, in der man nicht über Gleichberechtigung gesprochen, sondern diese einfach gelebt hat. Privat, Betrieb und (teilweise) Ehrenamt, da funktioniert es! Falls es mal etwas holprig wird, muss man dies ebenfalls „meistern“ und aushalten.

Gender-Elitesprache als Lösung?

In der Öffentlichkeit wird gern auf unser Grundgesetz verwiesen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Zur überall gelebten Selbstverständlichkeit wurde es allerdings noch nicht. Ob die Gender-Elitesprache im Alltag die Lösung ist, wage ich dennoch zu bezweifeln. Als „Dinosaurier“ sage ich frank und frei heraus: Wo Dinge nicht gelebt werden (wollen), kann man dies auch nicht durch Worte oder Erklärungen erzwingen. Die Nachfrage von Frauen in MINT-Berufen ist hierfür ein Beispiel. Auch im Handwerk gibt es für einzelne Gewerke persönliche und geschlechtsspezifische Präferenzen. Das ist schön, denn jeder hat dennoch die Möglichkeit, von diesem feststellbaren Schema abzuweichen und stattdessen den eigenen Wunschberuf zu ergreifen.

Das eigene Handeln als Lackmustest

Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Kommunikation und Wertschätzung auf Augenhöhe, dann braucht es auch keinerlei Quoren oder Quoten. Ich persönlich danke allen starken Mitstreitern meiner Umgebung, die dies für mich erlebbar machten. Denn meine bescheidene Erfahrung zeigt, dass die, die am meisten darüber reden, es am schnellsten wieder vergessen haben. Der Lackmustest ist das eigene Handeln oder eben die verdrehten Augen, falls man um seine Position fürchtet.

Über Autorin Ruth Baumann:

Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.

Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischen Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.