Projekt "HaDiL" Interview mit Harald Buschmann über regionales Handwerk: „Über digitale Tools ortsunabhängiger aufstellen“

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Das Handwerk in der Region stärken – das ist das Ziel von Harald Buschmann, Geschäftsstellenleiter der Kreishandwerkerschaft Odenwald. Mit dem Projekt „Handwerkliche Dienstleistungen im ländlichen Raum“ (HaDiL), an dem mehrere Partner beteiligt sind, will er mehr junge Menschen fürs Handwerk interessieren. Dazu zählt auch die Handwerkstage am 22. und 23. September im hessischen Erbach.

Harald Buschmann, Geschäftsstellenleiter der Kreishandwerkerschaft Odenwald in Erbach. - © Tim Wegner

Herr Buschmann, vor gut anderthalb Jahren haben Kreishandwerkerschaft und Innungen Odenwaldkreis gemeinsam mit Partnern das Projekt „Handwerkliche Dienstleistungen im ländlichen Raum“ (HaDiL) gestartet, das für weitere Regionen Modellcharakter haben soll. Zeit ein Zwischenfazit zu ziehen: Wie kommen Ihre Bemühungen, das Handwerk in der Region zu stärken bei den Betrieben und Verbrauchern an?

Harald Buschmann: Seit dem Projektstart im Februar 2022 sind wir schon gut mit der Entwicklung und Erprobung eines handwerklichen Dienstleistungszentrums für den ländlichen Raum vorangekommen und eine digitale Plattform geht demnächst an den Start. Denn auch, wenn es schon einige Plattformen gibt, die Handwerker untereinander und mit Kunden deutschlandweit digital vernetzt, richtet sich „HaDil“ speziell an die Menschen in der Region im Odenwald. Zu Anfang haben wir eine Umfrage gestartet, um zunächst die wichtigsten Bedürfnisse für unseren Landkreis abzufragen. Wie die Ergebnisse zeigen, bewerten die Betriebe die Themen Fachkräfte finden, Preissteigerungen und gesetzliche Vorgaben als ihre aktuell größten Herausforderungen. Hier möchten wir konkret unterstützen: Um den Betrieben bei der Suche nach Mitarbeitern zu helfen, gehen wir insbesondere das Thema Ausbildung intensiv an. Denn ohne eine gute Ausbildung keine Fachkräfte, keine Meister und keine Betriebsnachfolger. Um das Handwerk insgesamt in seiner Vielfalt und den handwerklichen Beruf in seinem Chancen-Reichtum zu präsentieren, laden wir am 22. und 23. September zu den Handwerkstagen nach Erbach im Odenwald. Im Haus der Energie zeigen wir in einem umfangreichen Rahmenprogramm und Ausstellern einzelner Gewerke, wie vielfältig das Handwerk ist und wie der Einstieg in einen Handwerksberuf gelingt.

Welche Handwerksberufe sind beim Event vor Ort?

Neben den bekannteren Berufen wie Elektriker, Schreiner und Bäcker konnten wir auch einige Gewerke gewinnen, von denen viele Besucher vielleicht gar nicht wissen, dass sie zum Handwerk zählen – wie zum Beispiel Schumacher, Zahntechniker oder Elfenbeinschnitzer. Während der Handwerkstage können sich junge Menschen, die auch aus den umliegenden Schulen im Odenwaldkreis kommen, direkt bei den Betrieben vor Ort informieren, wie der Berufsalltag aussieht, und an Aktionen mitmachen. Zur Auswahl stehen etwa Baufahrzeuge testen, Steine legen oder lernen, wie man als Maler eine gerade Linie zieht und welchen Farbpinsel für einzelne Aufgaben jeweils auswählt. Für die kleineren Kinder gibt es ein Familienprogramm mit Puppentheater und anderen Aktivitäten aus dem Handwerk. Unser Ziel ist es, den Nachwuchs vom Handwerk zu begeistern – das ist umso wichtiger, da es in den Schulen oftmals keinen Werkunterricht mehr gibt.

Dort werden vor allem die Vorzüge einer akademischen Laufbahn gezeigt.

Wir sind mit den Schulen in Kontakt und stoßen gemeinsam Ideen an, damit auch dort wieder mehr Handwerk stattfindet. So veranstalten wir etwa Projekte mit einigen Betrieben, um die Schüler in einzelnen handwerklichen Fähigkeiten spielerisch anzulernen. Je früher wir die Möglichkeiten einer Laufbahn im Handwerk aufzeigen, desto besser. Auch die Studienabbrecher, deren Anzahl seit einigen Jahren immer mehr ansteigt, möchten wir für uns gewinnen und darüber aufklären, dass man auch mit einem Handwerksberuf über den dualen Studienweg eine akademische Ausbildung wählen und sogar ins Ausland gehen kann. In unserem Rahmenprogramm auf den Handwerkstagen kommen außerdem Handwerker zu Wort, die von ihrem spannenden persönlichen Lebensweg erzählen.

Wie geht es beim Projekt „HaDiL“ nun weiter?

Als HaDiL an den Start ging, hatten wir uns vor allem an die Handwerksbetriebe gewandt, die Berufen nachgehen, die in Innungen organisiert sind. Das sind etwa ein Drittel aller in der Handwerksrolle eingetragenen Berufe. Künftig öffnen wir uns nun auch anderen Gewerken, um das Portal noch relevanter für unsere Region zu machen und um Aufbruchstimmung im Handwerk zu verbreiten.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage im Handwerk: Sehen Sie Aufbruchstimmung?

Die Inflation und der Fachkräftemangel lasten schwer auf den Betrieben. Gab es ehemals einen hohen Auftragsbestand, sprudelt die Nachfrage derzeit weniger stark. Die Suche nach Arbeitskräften bereitet ebenfalls Sorgen. Das SHK- und das Elektro-Gewerk bilden da eine Ausnahme: Die brisante Thematik rund um alternative Energiequellen wie Photovoltaik und Wärmepumpen sowie moderner Haustechnik lockt nicht nur Kunden, sondern auch Mitarbeiter an. Das liegt vor allem daran, dass Image-Kampagnen, aber vor allem auch die politische Diskussion über die Klimawende immer mehr junge Menschen dazu bringt, sich für eine Ausbildung in den klimarelevanten Gewerken zu entscheiden. Um die derzeitigen Herausforderungen zu bewältigen, ist es wichtig, dass das Handwerk die ganze Palette der Digitalisierung stärker für sich nutzt. Während der Odenwald als kleinster Landkreis des Bundeslands Hessen für Arbeitskräfte weniger attraktiv war, und zudem viele Bewohner in die Ballungsräume pendeln mussten, kann sich das regionale Handwerk über digitale Tools ortsunabhängiger aufstellen. Das ist eine riesige Chance.

Projektsteckbrief HaDiL: Partner und Förderer

Das Projekt „Handwerkliche Dienstleistungen im ländlichen Raum“ (HaDiL) wird im Rahmen des Förderprogramms „Ländliche Entwicklung“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Überzeugt hat das Vorhaben mit innovativen Ansätzen, um ländliche Regionen in der Modellregion Odenwald als attraktive, lebenswerte und vitale Lebensräume zu erhalten und noch weiter zu stärken.

Für dieses Ziel stellt HaDiL eine Plattform als handwerkliches Dienstleistungszentrum zur Verfügung. Projektpartner sind das Institut für Betriebsführung im DHI e.V. (itb) in Karlsruhe, das IT-Unternehmen S3-Medien in Rutesheim und die Kreishandwerkerschaft Odenwaldkreis als Handwerksorganisation im ländlichen Raum und als lokaler Anwendungspartner.