Building Information Modeling BIM-Interview mit Frank Weiß: "Jetzt kommen die Digital Natives"

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BIM und Digitalisierung

In skandinavischen Ländern liegt Building Information Modeling (BIM) voll im Trend. Doch hierzulande wird die Methode von Handwerkern am Bau eher selten herangezogen. Im Interview mit handwerk magazin zeigt Frank Weiß, Senior Direktor bei Oracle Construction & Engineering, die künftige Entwicklung auf und erklärt, wie wichtig eine gemeinsame Datenumgebung (CDE) ist.

Oracle-Manager Frank Weiss spricht über die Enwicklung von BIM. - © Oracle
Warum steckt BIM bei uns noch in den Kinderschuhen, während etwa in skandinavischen Ländern schon überwiegend mit der Methode gearbeitet wird?

In Deutschland haben wir immer noch eine andere Priorisierung für einzelne Industrien. In Norwegen, Finnland und Schweden erfährt BIM viel Rückhalt vom Staat. Mehr als die Hälfte der Ausschreibungen für Bauprojekte sind dort öffentlich. Auch Länder wie Frankreich, Großbritannien und Singapur investieren Millionen-Beträge, damit BIM zum Standard wird. In Deutschland ist das vergleichsweise eine lächerliche Summe – hierzulande liegt der Fokus nach wie vor auf der Autoindustrie. Doch wird sich in den kommenden fünf Jahren auch bei uns einiges ändern, wenn die ausscheidenden Firmenchefs die Führung an die junge Generation weitergeben werden. Die digital Natives gehen ganz anders mit der Digitalisierung um.

Mit der jungen Generation kommt also auch BIM?

Wir werden dann viel mehr Projekte als heute sehen, die mit der Methode erstellt werden. Weil der deutsche Staat sich bei BIM stark zurückhält, wächst die Digitalisierung hierzulande vor allem über Vorzeigebeispiele. Das ist übrigens auch in den Niederlanden der Fall.

Was wird sich dann ändern?

Über die BIM-Methode werden alle Informationen zu einem Projekt zwischen allen Baubeteiligten an einem Punkt zusammengetragen. Über die wachsende Datenbestände entsteht eine viel größere Standardisierung und Automatisierung auf den Baustellen. Viele sehen das immer noch als Übel und sprechen von Gleichmacherei, die Kreativität ausbremst. Doch müssen wir dabei unterscheiden: Bei Prozessen, zum Beispiel Protokollen und Freigaben, ist eine Standardisierung durchaus sinnvoll, da sich Vorgänge darüber leichter automatisieren lassen. Das hilft letztlich dabei, einzelne Projekte zu beschleunigen. Baubeteiligte können sich dann viel mehr als bisher der Fall kreativen Innovationen und Design zuwenden. Zudem wird bei der Planung und Ausführung von Projekten nicht nur eine Zeichnung zugrunde gelegt, sondern sie wird mit einem dreidimensionalen Modell-Abbildung, das aus den zusammengetragenen Informationen entsteht, eng verzahnt. Das ermöglicht allen Beteiligten mitzuverfolgen, welche Schritte zu welchem Zeitpunkt ausgeführt werden. Während des ganzen Prozesses können außerdem Rückfragen gestellt und direkt beantwortet werden. So können mögliche Fehler schon von Anfang an identifiziert und vermieden werden. Damit wir nach und nach dorthin kommen, müssen auch Software-Enwickler, Regulierer, Zertifizierer und Auftraggeber am gleichen Strang mitziehen. Ihnen kommt es zu, eine normierte gemeinsame Datenumgebung, kurz CDE für Common Data Environment genannt, zu schaffen.

Warum geht es beim CDE?

Ein CDE ist ein cloud-basierter Bereich, in dem Informationen aus Bauprojekten gespeichert werden und für Projektteilnehmer zugänglich sind. Einige dieser Informationen werden von einem BIM-Modell benötigt und fließen in dieses Modell ein. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für BIM, um die Verwaltung von Projekten und Assets stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Ziel der gemeinsamen Datenumgebung bei BIM-Projekten ist es, auf Daten einfach, sicher und rechtskonform zugreifen zu können. Alle Informationen über das Projekt müssen dabei in einer einzigen Plattform erfasst werden. Die Projektteilnehmer sollen jeweils aber nur auf das zugreifen können, wozu sie berechtigt sind. Jede Organisation kontrolliert ihre Daten und das, was sie gemeinsam nutzen, über sichere, private Arbeitsbereiche. Daraus entsteht auch ein nicht mehr veränderbaren Prüfpfad, der dazu beiträgt, Streitigkeiten zu reduzieren und eine schnellere Lösung aller auftretenden Probleme voranzutreiben. Dabei müssen Beteiligten natürlich auch darauf vertrauen können, dass ihre Daten durch strenge Sicherheitsprotokolle vor Bedrohungen geschützt sind. Dieser Vorgang trägt dazu bei, Vertrauen zwischen den Projektteilnehmern aufzubauen. Das führt zu einer größeren Akzeptanz, die wiederum zu mehr Daten und Erkenntnissen führt.

Und das Mehr an Wissen fließt wiederum in neue Bauprozesse ein?

Je mehr Daten vorliegen, desto besser lassen sich Gebäude auch nach Fertigstellung instandhalten. Bei neuen Vorhaben kann immer mehr auf modulare Bauweise zurückgegriffen werden, das heißt vorgefertigte Teile werden direkt auf die Baustelle geliefert und zusammengesetzt anstatt vor Ort sie vor Ort zu produzieren und anzuschrauben. Damit entsteht keine Gleichförmigkeit, vor der sich einige Kritiker fürchten, sondern im Gegenteil immer individuellere Maßanfertigungen. Zudem ermöglicht BIM den CO2-Ausstoß, der bei der Konstruktion entsteht, zu verringern: Jedes Unternehmen weiß, wann es welche Materialien und Teile liefern muss. Zudem können Gebäude über verbaute Sensoren, die im digitalen Zwilling technische Daten anzeigen, gewartet und am Ende des Lebenszyklus wieder rückgebaut werden, so dass keine Bauabfälle anfallen. Weiter in die Zukunft gedacht, können digitale Zwillingen durch die BIM-Methode besser erstellt und die Energiewirtschaft ganzer Städte effizienter gemanagt werden, wie etwa intelligente, energieschonende Kühlungskonzepte: Diese sehen zum Beispiel vor, dass Wasser aus Flüssen wie die Spree bei uns in Berlin dazu verwendet wird, Gebäude zu kühlen. Über die in Gebäuden verbaute intelligente Sensorik wird weiterhin automatisiert entschieden, ob im Brandfall mit Wasser, Schaum oder Pulver gelöscht wird, je nachdem ob sich Menschen im Gebäude befinden oder nicht.

Wie wird sich BIM weiter entwickeln?

Der intelligente Datenaustausch wird sich in der Baubraunche weiter durchsetzen. Mehr und mehr Unternehmen und Personen in der Branche werden erkennen, dass es im Vorfeld eine Vereinbarung darüber geben muss, welche Klassifikationen und Eigenschaften beim Datenaustausch in Projekten erforderlich sind. Wir werden eine viel größere Akzeptanz und Nutzung von Schnittstellen zum Datenaustausch erleben, die der Branche helfen, wirklich zusammenzuarbeiten, anstatt Daten über Container zu verwalten, die in der Regel geschlossen sind. Insgesamt liegt die Zukunft von BIM – und der digitale Wandel der Branche – in größerer Offenheit und der Verwendung von echten CDEs.

Vita Frank Weiß:

Frank Weiß ist Senior Direktor für Strategie, neue Produkte, BIM und Innovation bei Oracle Construction & Engineering. Er ist Mitgründer der Firma Conject im Jahr 2000, die 2016 von Aconex und schließlich von Oracle übernommen wurde. Er beschreibt sich selbst als neugierig und leidenschaftlich an Digitalisierung interessiert – sein Fokus liegt dabei seit über 20 Jahren auf der Baubranche. Dabei vertritt er Oracle als Strategic Advisory Council Member bei buildingSMART International. Daraus sind bereits mehrere Standardisierungsinitiativen (z. B. DIN Spec 91391) hervorgegangen. Aktuelle Schwerpunkte sind Digitale Zwillinge, CDE und Integration.