Noch vor den Corona-Folgen handeln Inkasso: Schnell handeln vor der Pleitewelle

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Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist bis Ende April 2021 verlängert. Die Wirtschaftsinstitute rechnen danach mit steigenden Insolvenzzahlen. Gleichzeitig müssen Schuldner laut neuem Inkassogesetz ab 1. Oktober 2021 weniger für Inkassoleistungen zahlen. Was die neuen Entwicklungen für gewerbliche Schuldner und Gläubiger bedeuten.

Unternehmer sollten jetzt ihre Forderungen absichern.
Unternehmer sollten ihre Forderungen noch vor der befürchteten Corona-Insolvenzwelle absichern. - © Gayus-adobe.stock.com

Für Betriebe haben zwei neue gesetzliche Regelungen erhebliche Folgen: Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende April 2021 schützt liquiditätsgefährdete Unternehmen. Wer selbst in der Liquiditätsklemme sitzt, bekommt also Zeit geschenkt, seine Finanzen zu regeln. Wer aber Gläubiger ist und nicht in die Liquiditätsklemme kommen möchte, muss sein Forderungsmanagement professionalisieren.

Neues Inkassogesetz

Und hier wirkt die zweite gesetzliche Neuerung: Das Inkassogesetz wurde verändert. Schuldner können sich nun länger einer Zahlung verweigern und Inkassounternehmen dürfen nicht mehr so hohe Gebühren verlagen wie bisher. Sie sollen im Schnitt um 20 Prozent sinken. Die Regelungen im Detail:

  • Es sollen vor allem die Schuldner entlastet werden, die sich um einen zügigen Ausgleich der Forderungen bemühen. Wenn sie die Forderung auf ein erstes Mahnschreiben hin begleichen, soll nur ein Gebührensatz in Höhe des 0,5-Fachen der Anwaltsgebühr gelten. Derzeit berechnen Inkassodienstleister im Durchschnitt einen Satz von 1,1.
  • Verbesserungen soll es insbesondere auch bei kleinen Forderungen geben, bei denen derzeit die Inkassokosten die Forderungen häufig deutlich überschreiten. Es soll eine neue Wertstufe für Kleinforderungen bis 50 Euro eingeführt werden, bei der die Gebühr statt bisher 45 Euro nur 18 bis 36 Euro beträgt.
  • Im Regelfall soll die Geschäftsgebühr, die für die Einziehung einer unbestrittenen Forderung geltend gemacht werden kann, auf eine Gebühr in Höhe des 0,9-Fachen der Anwaltsgebühr beschränkt werden.
  • Die Einigungsgebühr, die für den Abschluss von Zahlungsvereinbarungen geltend gemacht werden kann, soll bei Forderungen bis 500 Euro um etwa die Hälfte gesenkt werden.
  • Eine Kostendopplung durch eine - im Laufe des vorgerichtlichen Verfahrens und des gerichtlichen Mahnverfahrens häufig zu beobachtende - Beauftragung von sowohl Inkassodienstleistern als auch Rechtsanwälten soll künftig ausdrücklich ausgeschlossen werden.
  • Die Ungleichbehandlung von Inkassodienstleistern gegenüber Rechtsanwälten bei der Geltendmachung von Kosten im gerichtlichen Mahnverfahren soll abgeschafft werden.
Derzeit führen Inkassounternehmen der Wirtschaft pro Jahr rund 6 Milliarden Euro an Liquidität wieder zurück. Dafür bearbeiten sie mehr als 20 Millionen Forderungen und entlasten somit auch die Gerichte spürbar. "Klassischerweise übernehmen sie den Einzug von Forderungen, die ein Gläubiger selbst bereits angemahnt, die der Kunde aber noch nicht bezahlt hat. Darüber hinaus bieten Inkassounternehmen eine Vielzahl weiterer Services entlang des gesamten Lebenszyklus einer Forderung an. Ziel ist, Liquidität zu sichern und den Ausfall von Zahlungen zu vermeiden", fasst Kirsten Pedd, Päsidentin des Bundesverbands Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) die Aufgaben der Inkassobüros zusammen. Durch das neue Gesetz befürchtet die Branche nunmehr massive Umsatzeinbußen von bis zu einem Drittel, was die Leistungsfähigkeit der Rechtsdienstleister erheblich schwächen werde.

Insolvenzwelle droht

Gleichzeitig sorgte Mitten in der Corona-Pandemie das Statistische Bundesamt (destatis) für eine gute Nachricht: Die Unternehmensinsolvenzen waren im August - im Vergleich zum Vorjahreswert rückäufig. Die deutschen Amtsgerichtehaben 35,4 Prozent weniger Insolvenzen gemeldet. "Die wirtschaftliche Not vieler Unternehmen durch die Corona-Krise spiegelt sich somit bislang nicht in einem Anstieg der gemeldeten Unternehmensinsolvenzen wider", heißt es in der destatis-Pressemitteilung.

Die  Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wirkt.
Noch wirkt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Läuft sie aus, drohen vermehrte Firmenpleiten. - © Statista

Doch die Wirtschaftsinstitute rechnen mit steigenden Insolvenzzahlen, wenn die Aussetzung der Insolvenzanstragspflicht ausläuft. Denn Corona drückt weltweit die Erwartungen der Wirtschaftsforschungsinstitute, was das Wachstum anbelangt. Und die Ökonomen erwarten eine Pleitewelle aufgrund des Lockdowns. Für Unternehmer heißt das: Sie sollten jetzt noch schnell handeln, um ihre Forderungen zu sichern. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen hat neun Tipps zusammengestellt, die Unternehmern helfen können:

1. Rechnungen rechtzeitig erstellen

Die sofortige Rechnungsstellung gehört zum Standardrepertoire jeder Firma. Wichtig: Achten Sie darauf, dass das Dokument die relevanten Informationen enthält, etwa den vollständigen Namen und die Anschrift sowohl Ihres Unternehmens als auch die des Kunden. Die vereinbarten Preise, Mengen und gelieferten Produkte oder erbrachten Leistungen sollten genau genannt sein. Außerdem gehören in die Rechnung das korrekte Ausstellungs- und Lieferdatum, Art und Höhe der Steuern sowie Ihre Steuernummer. Spätestens wenn es zu Problemen bei der Zahlung kommt, werden Sie merken, wie wertvoll diese Mühe ist: Denn nur mit den korrekten Angaben können Sie Ihre Forderung zweifelsfrei durchsetzen.  

2. Setzen Sie Ihrem Kunden eine Frist

Nennen Sie auf der Rechnung ein Datum, bis zu dem der Betrag vollständig ausgeglichen sein muss – zum Beispiel innerhalb der nächsten 14 Tage. Hält sich Ihr Kunde nicht an diese Frist, gerät er gemäß § 286 BGB sofort danach in Verzug. Alternativ können Sie Ihren säumigen Kunden auch durch eine Mahnung in Verzug setzen.

3. Ausstehende Zahlungen sofort anmahnen

Überprüfen Sie jeden Tag Ihre Zahlungseingänge. Firmen sollten in ihrer Buchhaltung entsprechende Prozesse etablieren. Die Erfahrung zeigt: Je länger ein Zahlungsziel überschritten ist, umso schwieriger wird es, das Geld doch noch zu erhalten.  

4. Entwickeln Sie eine abgestufte Mahnstrategie

In der Ruhe liegt die Kraft. Wenn Ihr Kunde einmal eine Rechnung nicht bezahlt, ist das keine Katastrophe. Vielleicht ist er nur vorübergehend klamm, oder er hat die Sache übersehen. Ihre erste Mahnung sollten Sie freundlich und verbindlich formulieren. Setzen Sie dem Kunden einen neuen Termin und prüfen Sie, ob er bis dahin zum Ausgleich kommt. Reißt er auch diese Frist, erinnern Sie ihn wieder und kündigen dem laxen Zahler gegebenenfalls nächste Schritte an – etwa ein gerichtliches Mahnverfahren oder die Beauftragung eines Inkassounternehmens.

5. Prüfen Sie die Zahlungsfähigkeit der Geschäftspartner

Bezahlt ein sonst pünktlicher Kunde plötzlich nur noch nach Mahnung? Kommt er vielleicht von selbst auf Sie zu und bittet um Aufschub oder will in Raten zahlen? Das sind Alarmsignale, die auf finanzielle Probleme hindeuten. Werden Sie nicht unfreiwillig zum Kreditgeber Ihrer Kunden und überprüfen Sie deren Leistungsfähigkeit, beispielsweise mit Hilfe von Auskunfteien. Bei Neugeschäft kann es sinnvoll sein, Vorkasse zu vereinbaren. Abschlagszahlungenhaben sich ebenso als Sicherungsinstrument bewährt. Es stimmt aber auch: In Deutschland präferieren die meisten Kunden den Kauf auf Rechnung. Der Nachteil: Das Risiko eines Zahlungsausfalls ist hier immer mit an Bord … Sichern Sie Ihre Zahlungsansprüche mit den juristisch notwendigen Mitteln.

6. Sichern Sie sich Ihre Ansprüche

Manchmal nützt auch die deutlichste Mahnung nichts und der Kunde bleibt weiterhin säumig. Dann sollten Sie ihre Ansprüche sichern. Gerade in Krisenzeiten ist das wichtig, denn sollte Ihr Partner pleitegehen, drohen Sie auf Ihrem Geld sitzen zu bleiben. Um das zu verhindern, ist der Gang zum Gericht sinnvoll, etwa für ein Mahn- oder Klageverfahren. Alternativ suchen Sie sich Unterstützung durch qualifizierte Dienstleister wie etwa Rechtsanwälte oder Inkassounternehmen – diese sind auf den Einzug zahlungsgestörter Forderungen spezialisiert. "Bei der Wahl des besten Anbieters empfiehlt es sich, mehrere Angebote zu prüfen und auch auf Empfehlungen anderer Auftraggeber zu vertrauen. Viele Handwerker beispielsweise arbeiten bereits sehr erfolgreich mit Inkassounternehmen zusammen – von diesen Erfahrungen können andere Betriebe profitieren", rät Kirsten Pedd.

Zuverlässige Anbieter finden Auftraggeber etwa über die Kammern oder Berufsverbände. Die Mitgliedsunternehmen des BDIU (inkasso.de/mitgliederliste )haben sich auf die Einhaltung strenger Qualitätskriterien für den Forderungseinzug verständigt, die über das vom Gesetzgeber verlangte Maß hinausgehen. Ein 2020 verabschiedeter Code of Conduct setzt klare Regeln für ein transparentes und verantwortungsvolles Inkasso. ( inkasso.de/positionen/code-conduct )

7. Werfen Sie kein gutes Geld schlechtem hinterher

Inkassodienstleister prüfen, bevor sie tätig werden, jede Forderung auf ihre Durchsetzbarkeit. Dazu gehört neben kaufmännischen und rechtlichen Gesichtspunkten auch die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass der Schuldner das Geld bezahlen wird. Hat er eine schlechte Bonität, sollte man die Kosten für aussichtslose vorgerichtliche Mahnaktivitäten unbedingt vermeiden. Achten Sie auf den guten Ton.

8. Bleiben Sie fair - reden Sie zuerst mit Ihrem Kunden

Der säumige Zahler von heute kann schon morgen wieder der gute Kunde Ihres Unternehmens werden. Das passiert aber nur, wenn er das Gefühl hat, auch in einer schwierigen Situation, wie sie das Einfordern einer unbeglichenen Rechnung darstellen kann, fair von Ihnen und den durch Sie beauftragten Rechtsdienstleister behandelt worden zu sein. Es gilt die Devise: Reden hilft. Eventuell sind ja individuell angepasste Raten die richtige Lösung, um eine Eskalation dieser unangenehmen Sache zu vermeiden. Forderungskauf bringt Ihnen sofortige Liquidität.

9. Den Aufwand minimieren

Wer keine Nerven für das leidige Inkasso aufwenden möchte, kann dieses an seriöse Inkassobüros abgeben. Und sollte es doch einmal Probleme mit einem Inkassodienstleister geben, können sich Auftraggeber und Schuldner an die Schiedsstelle des BDIU wenden. "Ombudsfrau ist die ehemalige Wirtschafts- und Justizministerin Brigitte Zypries. Sie prüft etwaige Beschwerden, vermittelt unbürokratisch und sucht nach einer fairen Lösung. ", informiert Kirsten Pedd.

Und wer gleich gar nichts mit der Rechnungstellung zu tunhaben möchte, sollte über ein Factoring nachdenken. Klar ist: Inkasso und Factoring kosten Geld.