Mobilität IAA Mobilitiy 2021: Übermorgen dann klimaneutral

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Elektromobilität und Messen

Digitalisierung und Klimaneutralität – die neu konzipierte IAA Mobility hat in München viele Mobilitätslösungen, Tech-Tools und Denkanstöße präsentiert. Doch wie sehen die Lehren nach der Messewoche aus? Eine Bestandsaufnahme.

Volkswagen ID. LIFE concept car
Studie als Hingucker: Der auf der IAA Mobility präsentierte ID. Life zeigt, wie sich Volkswagen die elektrische Einstiegsmobilität vorstellt. - © Volkswagen

Zwei Wörter reichen, um zum Kern der neu konzipierten IAA Mobility zu kommen. „E-zapft is“ steht auf dem großen Plakat in der Münchener U-Bahn. Ein Slogan, der in der Messewoche über allem schwebt – über Summit und Conference auf dem Messegelände, über der Test­strecke namens Blue Lane, aber auch über den gut besuchten und kreativ gestalteten Open Spaces in der City.

Doch dieser Slogan, leicht vom Oktoberfest adaptiert, passt auch sehr gut, den Wandel einzuläuten. Von der Elektrifizierung über die Digitalisierung zur klimaneutralen Mobilität. „Ozapft is“ – mit diesem Ausruf des Münchener Oberbürgermeisters startet traditionell das weltbekannte Volksfest. Auf der Klimaneutralitätsreise befinden wir uns – um im Bild zu bleiben – just am ersten Wiesn-Samstag, keinen Tag weiter.

Entscheidend wird nun sein, die Transformation des Mobilitätssektors als gesamtgesellschaftlichen Kraftakt anzuerkennen. Das zeigt die IAA Mobility deutlich. Denn alle Beteiligten müssen auf diesem neuen Pfad mitgenommen werden. So wie beispielsweise die vielen Münchnerinnen und Münchner, die sich am Messe-Dienstag geduldig vor dem „House of Progress“ am Wittelsbacherplatz anstellen, um hautnah zu erleben, wie sich Audi die Zukunft vorstellt.

Ein paar Hundert Meter weiter auf dem Odeonsplatz ruft eine Passantin: „Das ist ja toll!“ Sie meint die Kombina­tion der Marken- und Produktpräsenz von Mercedes-Benz mit der schwebenden Skulptur „Earthtime 1.26 Munich“ der amerikanischen Künstlerin Janet Echelman. Ein Ort der Begegnung. Raus aus der Messehalle, rein in die Innenstadt.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich in München massiver Protest formiert. Allein am Messe-Samstag demonstrieren rund 25.000 Menschen gegen die Automesse und für eine echte nachhaltige Mobilitätswende. Wird die Transformation ohne ehrlichen Dialog gelingen? Macht gar die IAA Mobility den Anfang?

Bürger zeigen sich offen

„Wir haben einen mutigen Schritt gemacht und wurden von den Besucherinnen und Besuchern belohnt“, freut sich Hildegard Müller. 400.000 Teilnehmer in nur sechs Tagen seien eine deutliche Abstimmung mit den Füßen, so die Präsidentin des Verbandes der Automobilindus­trie (VDA). Zur Erinnerung: Ihr Verband hatte sich für die Isarmetropole als neuen Austragungsort entschieden und die IAA Mobility erstmals gemeinsam mit der Messe München veranstaltet. Die Besucher hätten sich überaus begeistert gezeigt, resümiert Müller. Viele Stände der insgesamt 744 Aussteller seien bis an die Obergrenze gefüllt gewesen. Um ein noch breiteres Aussteller-Spektrum im September 2023 ansprechen zu können, soll das Messekonzept weiterentwickelt werden. Und das ist auch zwingend notwendig, hatten sich heuer doch zahlreiche namhafte Player wie Toyota, GM oder der Stellantis-Konzern mit Marken wie Opel, Fiat und Peugeot sowie die Kult-Brand Tesla gegen eine Teilnahme entschieden.

Autobauer gehen neue Wege

Anders als beispielsweise Ford. „Wir sind hier genau richtig, weil auch wir neue Ideen haben, weil auch wir neue Wege gehen und weil auch wir die Mobilität von heute und die der Zukunft aktiv mitgestalten und darüber sprechen und diskutieren wollen“, sagt Deutschlandchef Gunnar Herrmann beim Presse-Event. Und weiter: „Insofern: Ein klares Bekenntnis zu dieser international führenden Mobilitätsplattform und das nicht nur, weil wir langjähriges Mitglied im VDA sind.“

Apropos neue Wege. Verglichen mit der letzten Frankfurter IAA 2019 stehen die Zeichen eindeutig auf Elektrifizierung. Neben der knuffigen VW-Studie ID. Life ziehen E-Newcomer wie der ­Renault Mégane E-Tech Electric, der Kia Sportage Plug-in-Hybrid, der Mercedes-Benz EQE und der Mercedes-AMG EQS sowie der Wey Coffee 01 und der Ora Cat des chinesischen Autobauers Great Wall die mitunter kritischen Blicke auf sich.

Keine Frage: Vor allem viele gewerb­liche und private Kunden muss man noch vom E-Zeitalter überzeugen. Insbesondere Letztere scheinen noch skeptisch zu sein. Ein Erfolgs­rezept, wie man die Stromer am besten verkauft, hat Stefan Hartung parat: „Die Technologie muss sicher und aufregend sein“, betont der Bosch-Topmanager auf der Messe. „Wir sind hier auf dem richtigen Weg.“ Sein Appell: Jeder müsse mitmachen. Und auch Daimler-Chef Ola Källenius kann der neuen IAA auf der Talk-Bühne viel abgewinnen: „Es fühlt sich an, als ob die Zukunft schon jetzt ist.“

Politik ist gefordert

Damit diese Zukunft dann auch wirklich grün daherkommt, fordert Volkswagen-CEO Herbert Diess in München mehr Unterstützung von der Politik. Ohne genügend Ökostrom werde es keine CO2-freie Mobilität geben, der Umstieg müsse schneller gehen. „Die Vorbedingung für die Dekarbonisierung des Transportsektors ist die Verfügbarkeit von grüner Elektrizität aus Sonne und Wind“, so Diess. Und er macht der Gesellschaft Mut: „CO2-Reduzierung ist möglich, ohne unseren Lebensstandard zu beeinträchtigen.“ Interessant wird es, als der VW-Chef per Video-Schalte mit Francesco Starace, CEO des Energiekonzerns Enel, spricht. Das Thema: Klimawandel als Querschnittsaufgabe. Starace ist sich sicher, dass sich die Stromnetze ständig weiterentwickeln müssen. Und er sieht auch bei den Fahrzeugen viel Potenzial. „Ein Auto ist eine Batterie auf Rädern.“ Es könne Strom laden, ihn aber auch wieder abgeben. Es bleibt also spannend, wie sich die Industriezweige Auto und Energie auf dem Weg zur Klimaneutralität gegenseitig pushen.

Klimaneutrale Produktion als Ziel

An einem der größten E-Ladeparks Europas, rund 100 Kilometer von der Münchener Innenstadt entfernt, macht Sortimo-Chef Reinhold Braun in der IAA-Woche klar, welchen Zukunftsplan der Fahrzeugeinrichter verfolgt. Direkt an der A8 warten am Sortimo Innovationspark ­Zusmarshausen (SIZ) aktuell insgesamt 72 DC-Ladepunkte auf Stromer-Lenker. Weitere 84 sollen in den nächsten Bauabschnitten folgen. 2.000 Fahrzeuge können hier jetzt schon täglich ihren Strom zapfen – in den Leistungsstufen von 35 bis 280 kW. „Wir bieten nicht nur eine Ladestation, sondern ein Erlebnis“, er­läutert Braun. Erst den E-Boliden an den Supra-Schnelllader hängen, dann im schicken Hauptgebäude einen Snack zu sich nehmen, später beim Ladewart die Stromrechnung begleichen. Zwar sieht Sortimo in der Elektromobilität einen wichtigen Baustein der Energiewende – doch mit dem SIZ verfolgt man weit mehr. Das intelligente Energiemanagement soll sowohl das SIZ betreiben als auch Sortimo auf die nächste Nachhaltigkeitsstufe bringen. „Wir wollen in ­Zusmarshausen zu 100 Prozent klimaneutral produzieren“, betont Braun. Der Geschäftsführer setzt bei diesem Weg auf fünf Säulen: das kohlenstoffarme Produktdesign, die Energieeffizienz, die erneuerbaren Energien, das Eliminieren von Emissionen sowie den Abbau von Kohlenstoff. Das langfristige Ziel für den SIZ: Der Strom soll größtenteils aus eigener Erzeugung stammen.

Kommunen denken neu

Neben Unternehmen treiben natürlich auch Kommunen die Transformation des Mobilitätssektors voran. So nutzt die Stadt Ingolstadt die IAA Mobility als Bühne, ihre Pläne für die Mobilitätsregion der Zukunft vorzustellen. „Wir versuchen, Ingolstadt als Reallabor aufzubauen“, sagt Georg Rosenfeld, Stadtrat und Wirtschaftsreferent, in Halle B1. „Unsere ­Vision ist, dass die ganze Stadt ein Testfeld für Mobilität wird.“ Vernetzte Mobilität, autonomes Fahren und Urban Air Mobility – das sind nur ein paar Schlagworte, mit denen sich die 138.000-Einwohner-Stadt intensiv beschäftigt. Zudem richten sich die Oberbayern in Sachen grüne Mobilität auf emissionsarme Antriebe aus und treiben den Ausbau von Wasserstoff-An­wendungen voran.

Schließlich kann intelligente Mobilität helfen, die steigende Komplexität in den Städten ein wenig in den Griff zu bekommen. Ob die IAA Mobility 2023 weitere Impulse dazu liefert?

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Die Bundesnetzagentur listet auf ihrer Website viele Daten zu den gemeldeten, öffentlich zugänglichen Ladepunkten auf. Derzeit existieren zwischen Freiburg und Flensburg 39.424 Normal- und 6.750 Schnell­ladepunkte.

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