Branchencheck Hörakustiker: Steigenden Bedarf mit Mix aus Handwerk, Technik und Medizin bedienen

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In kaum einer Branche hat die Digitalisierung das Berufsbild so verändert wie bei den Hörakustikern. Der Mix aus Handwerk, Technik und Medizin bedient die demografiebedingt steigende Nachfrage – und kommt beim Nachwuchs gut an.

Der Bedarf an Hörgeräten nimmt in der Gesellschaft demografiebedingt immer weiter zu.
Der Bedarf an Hörgeräten nimmt in der Gesellschaft demografiebedingt immer weiter zu. - © Dan Race - stock.adobe.com

Stolze sieben Jahre dauert es im Durchschnitt vom Auftreten erster Hörschwierigkeiten bis zur Anschaffung eines Hörsystems. „Bei der Brille fällt die Selbsterkenntnis leichter, beim Hören sind zunächst meist die anderen schuld, weil sie nuscheln oder zu schnell reden“, weiß Eberhard Schmidt, Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker in Mainz. So führt die Eitelkeit an der falschen Stelle dazu, dass es immer schwieriger wird, das Hören mit einem Hörsystem wieder zu erlernen. „Die Akzeptanz“, so Präsident Schmidt, „ist in den letzten Jahren aber deutlich gestiegen, weil die ­Geräte immer kleiner und komfor­tabler werden und für den Kunden einen hohen Zusatznutzen bieten.“

Innovationen im Jahrestakt

Seit ein Urteil 2014 dafür gesorgt hat, dass auch gesetzlich Versicherte Anspruch auf eine noch bessere zuzahlungsfreie Hörgeräteversorgung (zehn Euro pro Ohr werden weiterhin fällig) nach dem Stand der Medizintechnik haben, durfte sich die Branche über einen Nachfrage- und Technologieschub freuen. Beides hält nach Aussage von Eberhard Schmidt bis heute an, weil demografiebedingt die Zahl der potenziellen Hörgeräteträger genauso steigt wie die Innovations­geschwindigkeit: „Gab es früher alle fünf Jahre mal etwas Neues, kommen heute quasi im Jahrestakt neue Lösungen auf den Markt.“

Mitarbeiter: neues Level als Motivation

Was die Unternehmer durchaus he­rausfordert, bietet den Mitarbeitern die Chance, die Hörleistung ihrer Kunden immer weiter zu verbessern. Moderne Hörsysteme lassen sich etwa via Bluetooth mit dem Fernseher koppeln und so programmieren, dass sie automatisch den für die jeweilige Hörsituation bestmöglichen Algorithmus finden. Das freut laut Schmidt besonders jüngere Mitarbeiter, weil das Erreichen des nächsten Levels immer in Reichweite liege. Insofern rechnet die Bundesinnung für 2023 mit einer Zunahme bei den Auszubildenden. Auf den Nachwuchs warten nach der erfolgreichen Gesellenprüfung nicht nur spannende Weiter­bildungen zum Meister, Pädakustiker, Audiotherapeuten oder Tinnitus-­Experten, sondern auch ein krisen­fester Arbeitsplatz.

Branchentrends

  • Kaufzurückhaltung
    Wirtschaftliche Unsicherheit sowie die Inflation beeinflussen auch das Kaufverhalten der Hörakustik-Kunden. Doch je später die Versorgung mit einem Hörgerät erfolgt, desto schwieriger wird es, das Hören mit Hörsystem wieder zu erlernen. Insofern ist es wichtig, klar zu kommunizieren, dass eine Hörversorgung auch aufzahlungsfrei möglich ist.
  • Teleaudiologie
    Die Hörsystemversorgung im Fachgeschäft des Hörakustikers ist immer Ausgangspunkt einer gesicherten, qualitativ hochwertigen Versorgung. Nur so kann der individuelle Hörverlust erfasst werden. Im Anschluss daran bieten die Hörakustiker immer mehr auch die Feinanpassung und Unterstützung über Apps an. So lassen sich die Wege zum Hörakustiker vereinfachen.
  • Cochlear-Implantat
    Teil der Ausbildung zum Hörakustiker ist die Anpassung von Vollimplantaten. Damit kann eine wohnortnahe Versorgung von Betroffenen mit einem Cochlear-Implant sichergestellt werden, so dass diese den oft weiten Weg zu den implantierenden Kliniken seltener auf sich nehmen müssen.
  • Cerumen-Entfernung
    Ohrenschmalz beeinflusst das Hören und die Hörsystemversorgung. Der Hörakustiker kann den Umgang damit beurteilen und geeignete Maßnahmen zur Cerumenentfernung einleiten. Immer mehr Hörsystemträger schätzen den kurzen Weg zum Hörakustiker, um sich bei Problemen Hilfe aus einer Hand holen zu können.
  • Akku-Geräte
    Die Kunden sind es von elektronischen Geräten gewohnt, keine Batterien mehr zu kaufen, sondern die Geräte über integrierte Akkus einfach aufzuladen. Das ist zunehmend auch bei Hörgeräten gewünscht.

Die wichtigsten Branchendaten und Prognosen

Da der Bedarf an Hörgeräten in der Gesellschaft demografiebedingt immer weiter zunimmt und sich dank des attraktiven und vielfältigen Berufsbilds viele junge Menschen für eine Ausbildung in der Hörakustik interessieren, blickt die Bundesinnung Hörakustik in Mainz – trotz aktueller Kaufzurückhaltung der Kunden – positiv in die Zukunft.

Umsatz (in Mrd. Euro)

Prognose 2023: Die Bundesinnung Hörakustik erwartet eine Steigerung für die kommenden Jahre, da die geburtenstarken Jahrgänge nun in ein Alter kommen, in dem Hörverluste wahrscheinlicher und damit häufiger werden.

20191,032
20201,050
20211,070
20221,125
Beschäftigte (gesamt)

Prognose 2023: Die Branchenvertreter gehen von einer gleichbleibenden Anzahl der Beschäftigten ohne größere Fluktuationen aus. Grund dafür ist die derzeitige allgemeine Kaufzurückhaltung, die größere Investitionen in neue Filialen und Betriebe zu einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen Risiko werden lässt.

201917.857
202018.876
2021ca. 18.000*
2022ca. 18.000*
*geschätzt, Daten liegen derzeit noch nicht vor;
Anzahl der Betriebe

Prognose 2023: Die Anzahl der Betriebe wird wohl ebenfalls gleich bleiben, wobei die Bundesinnung hier vorsichtig optimistisch ist, dass sich der positive Trend der vergangenen Jahre fortsetzt. Das liegt an der steigenden Nachfrage nach Versorgungen mit Hörsystemen aufgrund der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren.

Auszubildende

Prognose 2023: Aufgrund der sicheren und hervorragenden Zukunfts­chancen in dem Beruf erwartet man wieder eine Zunahme an Auszubildenden. Bei uns wird nicht nur modernste Technik, Handwerk und Medizinisches in einem Beruf vereint, sondern die meisten Auszubildenden werden auch übernommen oder finden einen anderen Arbeitgeber.

20193.000
20203.200
20213.200
20223.000
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