Autotest Ford Transit Custom: Kunsthandwerker fürs Gewerbe

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Neues Design, neue Technik und neues Cockpit – das hat der Ford Transit Custom alles zu bieten. Doch wie schlägt sich das Schwestermodell des nächsten VW Transporter in unserem Test?

Schlitzaugen, dynamisch ansteigende Gürtellinie, roter Lack und schmucke Räder: Der Transit Custom hat sich fein herausgeputzt.
Schlitzaugen, dynamisch ansteigende Gürtellinie, roter Lack und schmucke Räder: Der Transit Custom hat sich fein herausgeputzt. - © Randolf Unruh

Leuchtend steht er da. Eingekleidet in „Artisan Red Metallic“. Artisan? Richtig, der englische Begriff für Kunsthandwerker. Und nun können wir raten, weshalb Handwerker angesichts des neuen Ford Transit Custom rotsehen könnten. Vor Auf­regung? Vor Eifer? Doch nicht etwa vor Ärger? Dann schauen wir mal genau hin.

Los geht’s beim Laderaum. Waren die Aufsteller der Heckflügeltüren schon beim Vorgänger einfach zu bedienen, so sind sie nun komplett entfallen. Die linke Hecktür öffnet jetzt auf Tastendruck in halber Höhe, einfacher geht’s nicht. Vier LED-Lampen setzen das Innere unter Flutlicht. Per Knopdruck erhellen zwei weitere Scheinwerfer das Vorfeld. Während der Transporter gewachsen ist und nun knapp die Fünfmetermarke übertrifft, schrumpfte das Frachtabteil ein wenig. Macht 5,8 statt 5,9 Kubikmeter Volumen, geschenkt. Zumal mit der ­Katzenklappe unten in der Trennwand ein halber Meter Länge in der Sitztruhe hinzukommt. Auch passen wie gehabt drei Paletten quer ins Frachtabteil.

Leer steht der Fronttriebler hinten mit rund 600 Millimetern Ladehöhe recht hoch. Unter Volllast geht er dann in die Knie, hängt aber nicht durch. Aufräumen könnte Ford noch die offen geführten Kabel im Frachtraum. Und geblieben ist der bei Nässe rutschige Kunststoffboden. Beachtlich: Das niedrige Leergewicht von 1,9 Tonnen vollgetankt bedeutet rund 1,3 Tonnen Zuladung für Fahrer und Fracht.

Weiter vorn wartet der Newcomer mit einem komplett neu arrangierten Cockpit auf. Der Transporter hat hier in jede Richtung den einen oder anderen Zentimeter Platz gewonnen. Auffallend: der weite Fußraum. Der Fahrersitz wirkt zunächst angenehm gepolstert. Auf langen Strecken jedoch spüren kräftig gebaute Wagenlenker Druck von der Sitzfläche und im Schulterbereich der Lehne. Die Besatzung bringt ihre Siebensachen gut unter, es hätten nur mehr offene Ablagen für Kleinkram sein können. Ein Geniestreich ist Ford mit der Verlagerung des Bei­fahrer-Airbags ins Dach gelungen: Damit wird in der Armaturentafel ein tiefes geschlossenes Fach frei, das auch den größten Laptop schluckt. Dazu die Lehne des mittleren Sitzes als Arbeitstisch nutzen und das flach gestellte Lenkrad mit Einlage als Tisch für die Brotzeit – das ist Leben im Ford.

Die Raumausstatter haben das Innenleben vergleichsweise freundlich gestaltet und mit angenehmen Materialien ausgekleidet. Indes wirkt die Armaturentafel mit der Abstufung der beiden Monitore etwas unharmonisch. Gewöhnung verlangen der hochgesetzte Startknopf, das fast schon quadratische Lenkrad – es liegt aber gut in der Hand –, die verspielten wie digitalen Instrumente und die nicht ganz einfach zu durchschauenden Reaktionen der elektronischen Feststellbremse.

Testrunde: Dynamik pur

Das spielt im Anschluss aber nur eine Nebenrolle, denn dann legt sich der Kölner mächtig ins Zeug. Im Vergleich zum Vorgänger ist er gut zehn Prozent kürzer übersetzt. Das hilft beim Anfahren an Steigungen, beladen oder gar mit Anhänger. Also gibt Ford nun ein deutlich höheres zulässiges Gesamtzuggewicht frei – vollausgeladener Transporter plus beladener Anhänger, das kann und darf nicht jeder. Auf Land- und Bundesstraßen zeigt der Testwagen mit der neuen Abstimmung eine neue Dynamik. Er verhungert nicht mehr an Steigungen, verlangt nach viel weniger Schaltungen des knackigen Sechsganggetriebes. Die Messwerte belegen es: Der Testwagen mit 110 kW/150 PS hängt in den Elastizitätsprüfungen seinen Vorgänger (125 kW/170 PS) ab.

Der Zweiliter-Turbodiesel arbeitet nach dem Kaltstart sehr präsent, untermalt auch später akustisch seine Leistungsfähigkeit. Auch verläuft die Leistungsabgabe etwas unharmonisch: Bei sehr niedrigen Drehzahlen plumpst das Aggregat in ein tiefes Turboloch, bei hohen Tourenzahlen – der Vierzylinder erreicht rund 5.000/min – wirkt es zugeschnürt. Sein Wohlfühlklima liegt zwischen dem maximalen Drehmoment bei 1.500 Umdrehungen und der Nenndrehzahl von 3.500 Touren. Dies passt bestens zur neuen Übersetzung. Während sie der Fahrbarkeit dient, leidet darunter ein wenig der Verbrauch. Er belief sich auf der anspruchsvollen Hausstrecke beladen auf 8,6 Liter/100 km. Zusätzlich genehmigte sich der Ford einen ordentlichen Schluck Adblue. Die kühle Witterung während des Tests, eine teils nasse Fahrbahn und Winterbereifung werden ihren Anteil zum Verbrauch beigetragen haben.

Das Wetter machte auch einen Schwachpunkt des Transit Custom deutlich: Die Heizung benötigt sehr lange zur Erwärmung des überschaubaren Fahrerhauses. Abhilfe? Ford koppelt einen elek­trischen Zuheizer mit der Zweizonen-Klimaautomatik, bei sachlichen Kastenwagen eher rar. Also Mütze auf und Jacke an. Die Bedienung der Klimatisierung erfolgt über den berührungsempfindlichen Monitor. Drehregler wären einfacher, aber es gibt Direktwahltasten, das funktioniert.

Fahrwerk: Vom Feinsten

Warm ums Herz wird dem Steuermann auf andere Weise. Das neue Fahrwerk mit schraubengefederter Schräglenker-Hinterachse ist eine Wucht. Stakste der blattgefederte Vorgänger über Unebenheiten, so filtert sie der Neue leer wie beladen souverän weg. Hinzu kommen eine hohe Fahrsicherheit und eine ausgezeichnete Lenkung, präzise und genau mit dem richtigen Maß an Unterstützung. Dass der Wendekreis wegen des längeren Radstands um einen halben Meter gewachsen ist, nun ja. Zudem gibt es für Notfälle aller Art eine Fülle an Assistenzsystemen, darunter wertvolle Dinge wie ein Querverkehrswarner bei Rückwärtsfahrt, hilfreich speziell bei Kastenwagen.

Und Artisan Red, das Kunsthand­werker-Rot? Es wird vielleicht angesichts der Preisvorstellung von gut 40.000 Euro für den Transit Custom sichtbar.

Daten: Ford Transit Custom

  • Abmessungen (L/B/H): 5.050/2.032/1.982 mm
  • Radstand: 3.100 mm
  • Wendekreis: 12.800 mm
  • Laderaum (L/B/H): 2.394–3.050/1.777/1.427 mm
  • Breite zw. Radkästen: 1.392 mm
  • Ladekapazität: 5,8 m³
  • Leergewicht Testwagen: 1.900 kg
  • Nutzlast/Zul. Gesamtgewicht: 1.325 kg/ 3.225 kg
  • Anhängelast bei 12 % Steigung: 2.500 kg
  • Zul. Zuggesamtgewicht: 5.725 kg
  • Motor/Hubraum: Turbodiesel/1.996 cm³
  • Leistung: 110 kW/150 PS
  • Drehmoment: 360 Nm
  • Getriebe: Sechsgang-Schaltgetriebe
  • Antrieb: auf die Vorderachse
  • Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
  • Verbrauch WLTP: 7,4 l/100 km
  • CO2-Emissionen: 196,1 g/km
  • Teststrecke beladen: 8,6 l/100 km
  • Testverbrauch Adblue: 0,57 l/100 km
  • Preis (exkl. MwSt.): ab 41.200 Euro