Kolumne „Eigels Erfa-Erkenntnisse“ Firmenjubiläum: Wie veranstalte ich ein konfliktfreies Familienevent, Frau Eigel?

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Eigels Erfa-Erkenntnisse, Firmenjubiläum, Mitarbeitermotivation, Nachfolge, Unternehmensberater und Verwandtenbeschäftigung

Andrea Eigel leitet zahlreiche Erfa-Gruppen – und ist somit ganz nah dran am Handwerk. In ihrer neuen Kolumne beantwortet die erfahrene Beraterin Fragestellungen aus der Praxis. Folge 1: das Firmenjubiläum.

Eigels Erfa-Erkenntnisse Folge 1: Firmenjubiläum
Ein Firmenjubiläum kann eine große Herausforderung und Auslöser für Konflikte sein. - © MATTHIAS BUEHNER - stock.adobe.com

Wenn sich Strukturen gegenseitig blockieren, leiden Mobilität und Agilität. Man kennt das – von Rückenproblemen, vom Stau auf der Autobahn oder vom lahmgelegten Schienenverkehr. Auch im engsten Kreis, in der Familie, oder im Unternehmen können Konstellationen entstehen, die sich gegenseitig blockieren und damit zu menschlichem Frust und wirtschaftlichen Verlusten führen.

Besonders anfällig sind dafür die klassischen Handwerksfirmen: Viele der Betriebe, die ich aus meiner Tätigkeit als Beraterin, Trainerin und Moderatorin kenne, sind über mehrere Generationen in Familienhand. Mit viel Herzblut sind sie einmal von einer Unternehmerin oder einem Unternehmer gegründet worden. Die Kinder haben den Betrieb weiter auf- und ausgebaut und geben ihn dann in die Verantwortung der Enkelgeneration, die ihn in die Zukunft führen soll. Was fast nach Familienromantik klingt, ist in Wahrheit oft eine Herausforderung. Wenn sich geschäftliche und private Rollen, Ziele und Werte miteinander vermischen, birgt der Faktor Familie ein Potenzial an blockierenden Konflikten, das auf den ersten Blick nicht immer sofort erkennbar ist.

Problem: Wie gestalte ich eine attraktive Jubiläumsfeier?

Genau so stellte sich auch die Situation in einem traditionsreichen Familienunternehmen im süddeutschen Raum dar. Ich hatte einen der beiden Geschäftsführer bei einer Vortragsveranstaltung kennen gelernt und war von ihm beauftragt worden, im Unternehmen einen Workshop zum Thema Mitarbeiterfindung und -bindung zu halten. So bekam ich Einblicke in die Führungsstruktur und Unternehmenskultur des Betriebs.

Nach dem unerwarteten Tod des Unternehmensgründers hatten seine beiden Söhne – die heutigen Geschäftsführer – schon in jungen Jahren Verantwortung übernehmen müssen. Unterstützung hatten sie in dieser schwierigen Phase durch einen erfahrenen Mentor erhalten, unter dessen Leitung das Unternehmen kontinuierlich weiterentwickelt worden war. Heute besteht der Betrieb 100 Jahre und ist aktuell immer noch von den beiden Brüdern geführt – noch, denn die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern.

Das Firmenjubiläum nahmen die beiden Geschäftsführer zum Anlass, sich erneut an mich zu wenden. Sie suchten meinen Rat, wie denn die anstehende Feier attraktiv gestaltet werden könnte. Was im Prinzip nach einer einfachen Aufgabe klingt, war vor dem Hintergrund persönlicher Befindlichkeiten der beiden Brüder sensibel zu lösen. Denn ein Firmenjubiläum kann durchaus auch ein Auslöser dafür sein, latente Familienkonflikte aufbrechen zu lassen.

Herausforderungen bei Führungsteams

Teams in der Führung von Unternehmen sind heute nichts Ungewöhnliches mehr. Besteht das Führungsteam allerdings aus Geschwistern, ergeben sich aus dieser Konstellation außer Chancen auch besondere Herausforderungen. Das liegt in der Natur der Menschen. Sie sind nicht gleich, sie empfinden nicht gleich und sie handeln nicht gleich. Das gilt auch und besonders für Geschwister. So unterschiedlich sie sind, können sie sich bei der Unternehmensführung im besten Fall in ihren Eigenschaften und Fähigkeiten optimal ergänzen, was sich meist positiv auf die Entwicklung des Unternehmens auswirkt. Andererseits ist es für Geschwister von klein auf normal, sich zu vergleichen und sich miteinander zu messen. Aus spielerischem Wettbewerb kann bei starken persönlichen Unterschieden oder aus einem Gefühl der Benachteiligung auf Dauer allerdings sogar Neid, im schlimmsten Fall Rivalität entstehen.

Solche und andere negative Triebkräfte gibt es in den vielen Familien, in einer Unternehmerfamilie können sie jedoch schnell folgenreich sein. Die persönlichen Spannungen und Konflikte können in das Unternehmen hineingetragen und weiter verfestigt werden. Durch die – auch wirtschaftlich – enge Verbindung werden die Auswirkungen der Konflikte unter Umständen allumfassend und existenziell: für die betroffenen Familienmitglieder, das gesamte Unternehmen und seine Mitarbeitenden.

Führungsteams: Gemeinsame Werte und Ziele wichtig

Der Erfolg von Geschwistern in der Führung eines Unternehmens hängt von vielen Faktoren ab. Wesentlich ist, dass Strukturen und Rollen im Unternehmen mit den unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten und der familiären Dynamik in Einklang gebracht werden. Gleichberechtigte Geschwisterteams sind vor allem dann erfolgreich, wenn sich die Fähigkeiten der Geschwister gut ergänzen und diese Fähigkeiten für das Geschäftsmodell gleichermaßen von Bedeutung sind. Genau wie alle anderen Führungsteams brauchen Geschwister zudem gemeinsame Werte und Ziele. Sie müssen einander vertrauen können, sich gegenseitig wertschätzen und sich an vereinbarte Entscheidungsregeln halten.

Problemlösung: So gestalte ich ein Firmenjubiläum richtig!

  1. Verteilung der Rollen: Zurück zu unserem Familienunternehmen: Beim anstehenden Firmenjubiläum kam es vor allem bei der Verteilung der Rollen der beiden Chefs darauf an, mögliches Konfliktpotenzial zu vermeiden. Zum Beispiel bei der Frage, ob es eine Festrede geben soll und wer von ihnen diese halten darf, waren die beiden Brüder unterschiedlicher Meinung. Wie konnten sie das Gesicht und den Familienfrieden wahren?
  2. Moderiertes Podiumsgespräch: Die mit meiner Unterstützung gemeinschaftlich herbeigeführte Lösung bestand in einem moderierten Podiumsgespräch. An diesem nahmen nicht nur die beiden aktuellen Geschäftsführer teil, sondern auch der ehemalige Mentor, der am längsten im Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter sowie die designierten Geschäftsführer aus der nächsten Generation.
  3. Lockeres Frage- und Antwortspiel: Nach den obligatorischen kurzen Grußworten einiger Ehrengäste und dem Festessen sammelte sich die kleine Runde auf der Bühne. Die Idee hinter dem Podiumsgespräch: in einem lockeren Frage- und Antwortspiel mit ganz persönlichen Geschichten die verschiedenen Unternehmensphasen lebendig werden zu lassen. Meine Gesprächspartner hatten nicht nur die Chance, dem Publikum amüsante Anekdoten zu erzählen, sondern auch wichtige Projekte und Zukunftsvisionen vorzustellen.
  4. Alle sollen glänzen können: Im Verlauf des Gesprächs entstand so in ganz entspannter Atmosphäre ein spannendes, authentisches und sprichwörtlich unterhaltsames Bild des Unternehmens. Alle Beteiligten konnten gleichermaßen glänzen. Und so bekamen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für alle Gäste ein Gesicht.
  5. Neue Wege beschreiten, nicht blockieren: Anstatt sich gegenseitig zu blockieren, haben die Brüder mit diesem Veranstaltungsformat einen neuen Weg beschritten, der sie persönlich und den Betrieb als Ganzen weitergebracht hat. Sozusagen – statt „Lust auf Lähmung“ – „Freude an Beweglichkeit“!

Fazit: Podiumsgespräch als Mittel der Wahl

Wer bei der Festrede nicht nur eine Person in den Mittelpunkt stellen will und damit möglichen Eifersüchteleien zwischen verschiedenen Geschäftsführern oder Generationen vorbeugen möchte, kann sich wie hier für ein Podiumsgespräch entscheiden. Schöner Nebeneffekt: So ist auch gewährleistet, dass das Publikum nicht mehrfach die gleichen Geschichten von aufeinanderfolgenden Rednern zu hören bekommt. Und das kommt bei Jubiläumsgästen richtig gut an.

Über Kolumnistin Andrea Eigel:

Andrea Eigel unterstützt Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungskräfte im Handwerk dabei, Kunden und Mitarbeitende zu gewinnen und nachhaltig zu binden – und dabei auch selbst bei Lust und Laune zu bleiben.

Sie hält Vorträge, macht Workshops und Coachings, moderiert Veranstaltungen und leitet seit vielen Jahren Erfa-Gruppen. Nebenberuflich ist sie Dozentin an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Andrea Eigel schreibt die Kolumne "Eigels Erfa-Erkenntnisse"
Andrea Eigel schreibt die Kolumne "Eigels Erfa-Erkenntnisse" - © Kaleidoskop Marketing-Service GmbH