Fahrbericht Fiat Doblò: Neuauflage des Stadtlieferwagens macht das Stellantis-Quartett komplett

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Nun also auch der Fiat Doblò: Stellantis führt die Transporter der Konzernmarken zusammen. Das verringert die Individualität, sichert indes die Qualität. Eine erste Ausfahrt.

Fiat Doblò
Schmuckes Gesicht für einen bekannten Stadtlieferwagen: der neue Fiat Doblò. - © Randolf Unruh

Bei Treffen hochkarätiger Manager im Automobilkonzern Stellantis versammeln sich im kühl eingerichteten Besprechungsraum am Tisch Anzugträger im eleganten Zwirn mit Laptop. Oder sieht die Wirklichkeit in Wahrheit doch ganz anders aus? Die Rollos an den Fenstern sind heruntergelassen, die Beleuchtung ist schummrig, der Raum rauchgeschwängert. Die Jacketts sind ausgezogen, die Ärmel hochgekrempelt. Je nach Herkunft qualmen Gauloises, Gitanes, Nazionali und Roth-Händle. Die Herren halten Karten in den Händen und spielen – Quartett. Die vier Stellantis-Marken Citroën, Fiat, Opel und Peugeot umfassen ein Gutteil des europäischen Transportermarkts. Nun geht’s drum – wer bekommt was, in welcher Reihenfolge und wie individuell? Fiat bekommt Trümpfe erst zum Schluss. Zunächst müssen bisherige Bindungen gelöst werden, siehe Fiat Doblò.

Mit ihm ist das Stellantis-Quartett der Stadtlieferwagen komplett. Die Unterscheidungsmerkmale des Italieners beschränken sich auf Markenzeichen und die individuell gestaltete Nase. Die Optik ist gelungen, orientiert sich ein wenig am 500er. Das Programm des neuen Doblò ist ebenfalls bekannt, deckt mit Kasten­wagen in Längen von 4,4 und 4,75 Metern, der Kastenwagen-Doka mit klapp­barer zweiter Sitzreihe und Trenngitter in Lang­ausführung sowie dem Kombi als Kurzausgabe wesentliche Segmente ab.

Für Energieautarke

Den kurzen Kastenwagen gibt es mit rund 650 oder 1.000 Kilogramm Nutzlast, die Langvarianten kratzen immer an der oberen Marke. Dann wären da ein ­Benziner mit 81 kW/110 PS, zwei Diesel mit 75 kW/102 PS und 96 kW/130 PS, der starke Selbstzünder auch mit Auto­matikge­triebe, sowie der E-Doblò. Er leistet 100 kW/136 PS und bringt einen Batteriesatz von 50 kWh mit, davon sind etwa 45 kWh nutzbar. Die Kurzausgabe kostet netto 31.550 Euro. Viel Geld für einen Lieferwagen, aber für eine E-Ausführung vergleichsweise günstig. Wer die aktuelle Förderung abzieht, den Entfall der Kfz-Steuer und von Ölwechseln einkalkuliert, dazu wüsten Stromtarifen mit Saft vom Dach ein Schnippchen schlägt, der fährt mit dem E-Doblò günstig.

Also hinein in die gute Stube, die wie bei den Markenkollegen ein wenig trist geraten ist. Die Materialien sind einfach, aber zweckmäßig, ebenso die zahlreichen Ab­lagen. Nur Klemmbrett oder Laptop lümmeln sich auf dem Beifahrersitz. Der ist auf Wunsch zauberhaft: Magic-Cargo nennt Fiat ein System innerhalb des aufpreispflichtigen Freight-Pakets mit Doppel-Beifahrersitz und praktischer Durchlade. Damit wächst das Volumen des kurzen E-Doblò von 3,3 auf 3,8 Kubik­meter, auch lange Gegenstände bis zu drei Metern kommen unter. Die Rückseite der vorgeklappten Lehne des Mittelsitzes entpuppt sich als Tisch für Pausenbrot oder Laptop. Wobei der Begriff „Mittelsitz“ arg optimistisch klingt – selbst der dürrste Azubi wird ihn allenfalls als Notsitz akzeptieren.

Stichwort Pakete: Fiat bündelt darin Ausstattungen und hält die Liste der Einzelextras kurz. Eine Empfehlung zum Befahren von Baustellen oder Feldwegen ist das Worksite-Paket mit erhöhter Bodenfreiheit und Unterbodenschutz, M+S-Bereifung, Traktionskontrolle mit mehreren Einstellungen per Drehregler sowie Ersatzrad – bei robusten Einsätzen eine Unterstützung des Fahrers.

Für müheloses Mitschwimmen

Er hat’s an Bord gut, startet die E-Maschine per Knopfdruck, wählt die Fahrtrichtung per Taste, braust zügig davon. Mit einer weiteren Taste kann er zwischen drei Fahrmodi wechseln. Wirkt der ­E-Doblò im Eco-Modus etwas gehemmt, so schwimmt er in der Normalvariante mühelos im Verkehr mit. Im Power-­Modus stiebt er vehement davon. Im Gegenzug kann der Fahrer mit dem Druck auf die Taste „B“ die Rekuperation, also elektrische Bremsmanöver, verstärken. Jedoch verlangt die Bremse für eine ruckfreie Verzögerung Feingefühl im Fuß.

Die Taschenbuch-Ausgabe des Stromers ist trotz der gewichtigen Batterien im Keller sehr stramm abgestimmt, hoppelt leer auf ungepflegten Fahrbahnen. Die Lenkung ist leichtgängig, aber etwas indifferent. Die mickrigen Außenspiegel kennt man von den Kollegen, ebenso das bei jedem Start neu zu aktivierende ­Kamerasystem für den Blick zurück. Es ersetzt den Innenspiegel, wenn auch mit verzerrter Weitwinkelsicht. Übernimmt außerdem die Funktion der Rückfahr­kamera und ergänzt den rechten Außenspiegel – gewöhnungsbedürftig und kein Ersatz für ein gutes Spiegelglas.

Für die Verbrenner-Fraktion

Gegenprobe mit dem Diesel. Der 1,5-Liter-Selbstzünder läuft weich und für einen Kastenwagen verblüffend dezent. Mit seinen 96 kW/130 PS tritt er flott an und arbeitet höchst geschmeidig. Bei der üppig bemessenen Achtgang-Automatik wird die Fahrtrichtung per Drehregler gewählt. Wer regulierend eingreifen will, erledigt dies per Schaltpaddel am Lenkrad oder stellt auf manuell. Die Automatik hält die Maschine gern zwischen verträglichen 1.500 und 2.000 Touren, schaltet spätestens bei 4.000 Touren hinauf. Bei Rückschaltungen arbeitet die Technik etwas übereifrig, ist deutlich engagierter als die knochentrockene Federung.

Diesel oder Stromer? Das hängt vom Einsatz ab, von Lademöglichkeiten, Kosten. Auch vom Mut, neue Wege zu gehen. Und warum zum Fiat E-Doblò greifen, wenn’s schon drei andere baugleiche Modelle gibt? Zur Entscheidung muss sich keiner in eine rauchgeschwängerte Spielhölle zurückziehen, es geht allein um den Händler vor Ort, um Verfügbarkeit und individuelle Konditionen. Der individuelle Sieger in diesem Quartettspiel – mit dem ebenfalls baugleichen Toyota Proace City wird sogar ein Quintett daraus – lässt sich also recht einfach ermitteln.

Kurios: Fiat und Opel

Bei der Neuausrichtung von Stellantis sind Kuriositäten nicht zu vermeiden: So nahm Opel vor rund zehn Jahren nur minimal verändert den Fiat Doblò Cargo als Nachfolger des zuvor eigenständigen Lieferwagens namens Opel Combo ins Programm. Infolge des Wechsels zur PSA-Gruppe im Jahr 2017 verabschiedete sich Opel von der Zusammenarbeit mit Fiat. Ein Jahr später feierten die neuen gemeinsamen Lieferwagen Citroën Berlingo, Opel Combo und Peugeot Partner ihre Weltpremiere. Heute gehört Fiat ebenfalls zur neu gebildeten Gruppe, prompt eifert der neue Doblò nun Opel Combo und Kollegen nach.