Forderungsmanagement Corona: Außenstände mit Fingerspitzengefühl einfordern

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Corona macht klamm - wer seine Außenstände mit Psychologie und Taktik eintreibt, sichert sich die Liquidität seines Betriebes und die Loyalität seiner Kunden. Dr. Thomas Wedel, Rechtsanwalt, Autor und Experte für erfolgreiche Strategien im Umgang mit Schuldnern, gibt zahlreiche Tipps.

Ausstehende Zahlungen mit Taktik, Psychologie und Strategie eintreiben.
Ausstehende Zahlungen mit Taktik, Psychologie und Strategie eintreiben. - © privat

Handwerksunternehmer agieren überwiegend regional und haben oft eine langjährige Geschäftspartnerschaft mit ihren Kunden. Sie sind darauf angewiesen, dass sie sich ihren Kundenstamm und ihren guten Ruf bewahren. Aber sie sind auch darauf angewiesen, dass sie zeitnah für ihre Leistung bezahlt werden. In Boomphasen , wie noch vor wenigen Wochen, werden den Kunden oft lange Zahlungsfristen gewährt und der pünktliche Zahlungseingang wird nicht so streng kontrolliert. Doch der Boom ist vorerst vorbei, jetzt geht es darum, eine Phase von Unsicherheit und wegbrechenden Aufträgen zu überstehen.

Der Staat hilft

Damit das gelingt, können Handwerksunternehmer nicht nur die staatlichen Förderungen, wie Kurzarbeitergeld, Steuerstundungen, finanzielle Unterstützungsangebote und die Corona-Soforthilfe nutzen (eine große Übersicht finden Sie auf handwerk-magazin.de/corona). Sie können auch bei sich selbst aktiv werden indem sie ihre Außenstände eintreiben. Ein Vorhaben, das Fingerspitzengefühl erfordert.

Taktik, Psychologie und Strategie sind gefragt

Dr. Thomas Wedel, Rechtsanwalt aus Oberasbach bei Fürth ist Autor verschiedener Fachbücher zum Thema „Inkasso“. Er sagt: „Bei der Einziehung von Außenständen sollte generell besonderes Augenmerk auf die Aspekte Taktik, Psychologie und Strategie gelegt werden.“ Konkret bedeutet das, die positive Beziehung zum Kunden zu erhalten, ihm Brücken zu bauen und ihn zu Reaktionen zu animieren - ihn also aus seinem Schneckenhaus zu locken.

Handlungsempfehlung vom Experten

Für den richtigen Umgang mit säumigen Schuldnern hat Dr. Thomas Wedel einige Tipps für Handwerksunternehmerzusammengestellt. Hier sind sie:

  1. Stellen Sie Ihrem Kunden Fragen. Fragen lösen Denkprozesse aus und beeinflussen, schon der griechische Philosoph Sokrates sagte: "Wer fragt, führt".

    Eine Frage in einem Mahnbrief könnte sein:
    1. Haben Sie unsere Rechnung vielleicht nur übersehen?
    2. Gibt es vielleicht ein Missverständnis/Problem?
    3. Haben Sie vielleicht momentan einen kleinen finanziellen Engpass?
    4. Haben Sie vielleicht selber einen akzeptablen Lösungsvorschlag?

  2. Bieten Sie Alternativen an. Wer seinem Schuldner eine Auswahl anbietet, erhöht die Wahrscheinlichkeit für ein Ja. Es vermittelt dem Schuldner das Gefühl, selbst unter mehreren Möglichkeiten die richtige Entscheidung treffen zu können und führt zu einem positiven Klima.

    Ein Antwortcoupon mit verschiedenen Angeboten ist ein gutes Beispiel für Alternativen:
    1. habe es übersehen und überweise gleich
    2. sofortige Teilzahlung + Rest am ...
    3. Ratenzahlungsvereinbarung
    4. Stundung bis zum ..
    5. anderer Vorschlag von Ihnen

  3. Appellieren Sie an das Ehrgefühl Ihres Kunden, an seinen Gerechtigkeitssinn, an Vertragstreue, Billigkeitsempfinden.

    Beispiel: "Wir haben uns alle Mühe gegeben Ihren Auftrag zuverlässig und preiswert zu erledigen. Deshalb werden Sie es uns auch nicht verübeln, wenn wir von Ihnen ebenso pünktliche Zahlung erwarten. Für den Zahlungseingang haben wir uns den ... vorgemerkt."

  4. Gehen Sie taktisch vor. Ein vergnügt schmunzelnder Schuldner begleicht meist eher seine Schuld als ein durch einen verdrießlichen Mahnbrief verärgerter. Der Anwalt empfiehlt sich originelle Mahnbriefe auszudenken.

    Poesie schafft Sympathie – hier sind zwei Vorschläge für Mahnbriefe:

    Das Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst,
    Sie werden‘s oft am eigenen Leib verspüren,
    man will das Geld, doch will man auch die Gunst
    des werten Kunden nicht verlieren.
    Allein der Stand der Kasse zwingt uns doch
    ein kurz Gesuch bei Ihnen einzureichen
    Sie möchten uns wenn möglich heute noch
    die unten aufgeführte Schuld begleichen.

    Mit Erstaunen ist zu sehen, dass noch Posten offenstehen.
    Bestellung wurde aufgenommen, die Ware ist auch angekommen,
    die Rechnung richtig ausgestellt, es fehlt uns jetzt nur noch ihr Geld.
    Was wir nun tun Sie werden‘s ahnen, zur Zahlung müssen wir Sie mahnen.

  5. Reagiert der Schuldner trotz freundlichen Mahnbriefs oder Mahnmail nicht, könnte ein Anruf eine letzte Chance auf Einigung sein. Zahlt der Schuldner weiterhin nicht, können Handwerksunternehmer ihren Kunden ihre eigenen Handlungsoptionen erklären – heißt: Beauftragung eines Inkassounternehmens oder eines Gerichts. Zahlt der Schuldner trotzdem unverändert nicht, wird diese Kundenbeziehung wohl nicht zu retten sein. Unternehmer müssen dann abwägen, ob sie den Gerichtsweg nehmen oder die Beauftragung eines Inkassobüros vornehmen wollen - oder ob es sich für sie lohnt, die Kundenbeziehung aufrecht zu erhalten. Für letzteren Fall sollten sie in regelmäßigen Abständen auf die noch ausstehende Zahlung hinweisen.
Kurz-Vita Dr. Thomas Wedel:

1956 in Nürnberg geboren
1975 Abitur am Hardenberg Gymnasium Fürth
1981 Erstes Juristisches Staatsexamen Uni Erlangen
1985 Zweites Jur. Staatsexamen OLG Nürnberg
1988 Promotion zum Dr. jur.
seit 1988 selbständiger Rechtsanwalt in Oberasbach
Der Anwalt hat mehr als 100 wissenschaftliche Beiträge in 15 verschiedenen juristischen Fachzeitschriften (auch viele zum Thema Inkasso) veröffentlicht. Im Februar ist sein neuestes Buch erschienen: 50 effektive Mahnbriefe (Untertitel: mit vielen strategischen Tipps)