Lastenräder im Check Cargobike: Kosten, Nutzen, Vorteile und Nachteile auf einen Blick

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Elektromobilität, Fuhrpark und Nachhaltigkeit

Gewerbliche Lastenräder können für die Fahrt zum Kunden oder den Transport von Waren gute Dienste leisten. Einige Handwerkschefs haben dies bereits erkannt und ein Cargobike angeschafft. Dabei spielen nicht nur Nachhaltigkeit und Image eine Rolle, sondern auch Effizienz und betriebswirtschaftliche Vorteile.

Radio- und Fernsehtechnikermeister Wolfgang Reiserer
Radio- und Fernsehtechnikermeister Wolfgang Reiserer, Inhaber der Radio-Manufaktur in Augsburg, ist mit einem Long John zum Kunden unterwegs. - © Lisa Hörterer

Staus, eingeschränkte Zufahrten für Pkw und Nutzfahrzeuge sowie Parkplatzmangel sind nur drei von vielen Gründen, weshalb die Nachfrage nach Lastenrädern in den Städten zunimmt. Rund 103.200 dieser Gefährte wurden laut Daten des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) im vergangenen Jahr gekauft, davon etwa 73.000 mit E-Motor. Je höher das Interesse steigt, desto mehr Anbieter drängen auf den Markt und desto größer wird das Sortiment an Modellen.

Die fünf Grundtypen reichen vom Longtail mit hinten montierter Ladevorrichtung über das sogenannte Long John mit vorne installierter Box über das Lieferbike mit beiden Lade­optionen bis hin zu Trikes und Schwerlasträdern. Auch Handwerker setzen diese nach individuellem Bedarf für Touren zum Kundengespräch oder ­Servicetermin ein.

Kein Parkplatzproblem

Ein Unternehmer, der als begeisterter Radler seit etwa drei Jahren regelmäßig Lastenräder testet und nun sein erstes bestellt hat, ist Henning Backhaus. Der Inhaber von Eltak Elektrotechnik in Bergisch Gladbach hat sich für das Basismodell von Gleam entschieden, für das er derzeit einen Ladekoffer als Sonderausstattung mit einer Kapazität von 300 Litern anfertigen lässt.

„Ausschlaggebend für die Wahl war die Neigetechnik und Vollfederung des Dreirads sowie die Möglichkeit, eine Doppelbatterie mit einer Leistung von 1.000 Wattstunden zu ordern“, begründet Backhaus. „Mit dem dualen Hilfsantrieb sind auch längere Strecken mit größeren Lasten bis 80 Kilometer gut machbar.“ Schließlich legt er an manchen Tagen mehr als 60 Kilometer voll bepackt zurück. Dafür investiert er insgesamt rund 8.000 Euro, abzüglich der Förderung von etwa 2.000 Euro. Mit der Lieferung rechnet der Elektrotechnikmeister Ende des Jahres. Dann wird er mit der neuen Errungenschaft wie bisher mit seinen Testfahrrädern zu Kundendienstterminen oder -besprechungen strampeln.

Lastenrad als Ergänzung zum Fuhrpark

Gleichwohl sieht er das Rad als Ergänzung zu den fünf Firmenfahrzeugen, um vor allem Strecken auf der letzten Meile zu absolvieren. „In der Regel nutze ich es im Radius von 30 Kilometern vom Unternehmenssitz“, sagt Backhaus. Das schließt auch Touren ins 20 Kilometer entfernte Köln ein. Bis in die dortige Innenstadt dauert es nach seiner Messung etwa zehn Minuten länger als mit dem Auto oder Transporter. Er ergänzt: „Diese Zeit hole ich aber wieder rein, weil die Suche nach einem Parkplatz entfällt. Außerdem spare ich die hohen Parkgebühren.“ Eine genauso große Rolle spielen für ihn der Spaßfaktor und der Imagegewinn bei den Kunden. Seine sieben Mitarbeiter haben bisher noch keine Tuchfühlung mit den Lastenrädern aufgenommen. Backhaus will sie in den nächsten Jahren heranführen. Aus diesem Grund spielt er mit dem Gedanken, ein zweites zu erwerben: „Wahrscheinlich wird es eine Long-John-Variante mit E-Motor für kürzere Strecken.“

Die vorausgegangenen Tests hat ein Händler vor Ort ermöglicht, mit dem Eltak schon länger zusammen­arbeitet. „Von ihm erhalte ich im Bedarfsfall künftig auch sofort Ersatz, falls meines zur Reparatur muss oder ausfällt“, so Backhaus. Sein Rat: „Jeder Handwerker sollte sich vor einer Kaufentscheidung intensiv beraten lassen und entsprechende Lastenräder ausgiebig Probe fahren. In jeder größeren Stadt sind inzwischen spezialisierte Lastenradvertriebe vertreten.“

Denn der Einsatz erfordert seiner Erfahrung nach nicht nur gute Kleidung und Regenschutz bei schlechtem Wetter. Es sollte unter anderem ermittelt werden, wie verschleißfest und stabil das Lastenrad ist. „Darum kann es interessant sein, Servicepakete des Herstellers dazuzubuchen“, sagt Backhaus. Ein anderer Knackpunkt ist das Fahrverhalten. „Lastenräder fahren sich grundsätzlich instabiler, weil mehr Gewicht auf den Rädern ist. Deshalb muss man das üben und lernen, die Ladung richtig zu verteilen“, erläutert der Handwerkschef. Vor der Anschaffung empfiehlt es sich außerdem, die Einsatzbedingungen und individuellen Anforderungen abzuklopfen und Punkt für Punkt zu definieren.

Handhabung als Hemmschuh

Begonnen hat Backhaus im Sommer 2018 mit einem Dauertest über drei Monate im Rahmen des Projektes „Ich entlaste Städte“, welches das Institut für Verkehrsforschung am deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin durchführte. In dieser dreijährigen Studie von 2017 bis 2020 prüften 755 Betriebe und öffentliche Einrichtungen über mindestens sechs Wochen bis drei Monate 23 verschiedene Modelle auf ihre Alltagstauglichkeit. Darunter Schreiner, Bäcker, Bauunternehmen, Foto­grafen, Elektrobetriebe und andere Handwerker. Insgesamt kamen 152 Lastenräder zum Einsatz.

Die finalen Auswertungen liegen seit Kurzem vor. Darin hat das DLR unter anderem analysiert, welche Faktoren eine Nutzung respektive einen Kauf schwermachen oder sogar verhindern. Es zeigt sich, dass die größten Hemmnisse die umständliche Hand­habung der Fahrzeuge und die mangelhaften Radwege sind. Viele halten auch den Preis für ein Lastenrad noch für zu hoch. Dagegen spielen die eingeschränkte Nutzbarkeit bei Regen und Diebstahl eher eine untergeordnete Rolle. Grundsätzlich wird auch das beschränkte ­Zuladevolumen und -gewicht als ein Manko angesehen.

„Allerdings überwiegt insgesamt im Feld der vor und nach dem Test Befragten die Wahrnehmung von vorteilhaften Aspekten gewerblicher Lastenradnutzung“, betont Johannes Gruber. Der promovierte Teamleiter Last Mile Logistik und Güterverkehr in der Abteilung Wirtschaftsverkehr am Institut für Verkehrsforschung erkundete als federführender Wissenschaftler die Treiber für eine Anschaffung. Auf den ersten drei Plätzen stehen das flexible Parken, das Image und die Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter. Danach zählen folgende Argumente: Die elektrische Reichweite reicht für die jeweiligen Zwecke aus, die Lastenräder sind in der Anschaffung sowie Wartung günstiger als Kraftfahrzeuge und tragen zum Erreichen der betrieblichen Umweltschutzziele bei. Spaß, Erreichbarkeit, Planbarkeit und Fahrtzeit werden ebenfalls genannt. „Umweltschutz, das Einnehmen einer Vorreiterrolle, technisches Interesse und Image wirken stark motivierend“, resümiert Gruber.

Die Daten fußen auf rund 30.000 Fahrten der Unternehmen mit einer Fahrleistung von insgesamt 307.000 Kilometern. „Einige haben den Test auch abgebrochen. Aber für den Großteil hat sich das Lastenrad als eine pragmatische und unideologische Lösung he­rausgestellt, um Lärm und Emissionen zu reduzieren sowie die Parkplatz- und Verkehrssituation besser zu meistern“, erläutert er. „Dementsprechend haben zwei Drittel den Einsatz als sehr gut bewertet und ein Drittel hat im Zeitraum von sechs Monaten nach dem Test ein Lastenrad gekauft.“

Auf emissionsfreien Wegen

Einer der Teilnehmer ist Wolfgang Reiserer. Der Inhaber der Radio-Manufaktur in Augsburg kaufte sich direkt nach der Erprobungsphase im Sommer 2019 ein Long John. Mit dem E-Modell von Douze ist er bisher über 5.000 Kilometer gefahren. Die Zuladungskapazität der abschließbaren Box beträgt 100 Liter. „Das genügt, mein Ladebedarf ist klar begrenzt. Ich packe maximal Bohrmaschine, Werkzeugkoffer, Notebook und einen Router mit Access-Points ein oder hole mal einen PC, Radio oder Verstärker beim Kunden ab“, sagt Reiserer. „Wichtig ist mir, dass es sich um ein wendiges und flexibles Zweirad handelt.“ Der Einsatzradius reicht vom Sitz der Werkstatt im Zentrum bis 15 Kilometer.

Wenn empfindliche oder große Geräte abzuholen sind, greift der Radio- und Fernsehtechnikermeister auf Carsharing zurück. Die meisten Touren erledigt er jedoch mit dem Zweirad, das ihn inklusive Beklebung mit Firmen­logo rund 5.500 Euro gekostet hat. Von der Stadt bekam er 1.000 Euro Zuschuss. Seine Hauptmotivation für die Anschaffung: „Die Lärm- und Abgasbelastung ist in Augsburg wie in anderen Städten hoch. Das ist mein Beitrag, die Situation zu verbessern.“

Katastrophale Radwege

So tritt Reiserer kräftig in die Pedale, um zu den Kunden der Umgebung zu gelangen. Dabei bestätigt sich fast bei jeder Fahrt, was die DLR-Studie bundesweit attestiert: Die mangelhafte Verkehrsinfrastruktur wirkt als Bremsklotz. „Die Fahrradwege sind eine Katastrophe. Sie haben nicht nur viele Löcher und enden an unmöglichen Stellen. Das Lastenrad kann sich bei Bodenwellen auch aufschaukeln“, berichtet Reiserer. Dennoch hält er am E-Cargobike fest: „Das Thema Nachhaltigkeit ist bei meinen Kunden im Kopf verankert und Kern meiner Geschäftsphilosophie. Das soll sich in der Wahl meiner Fortbewegungsmittel spiegeln.“ Die Resonanz sei daher durchweg positiv, wenn er mit dem Rad vorfährt.

Aufgrund des gestiegenen Bewusstseins für umweltfreundliche Mobilität und der wachsenden Zahl an Modellen, geht er davon aus, dass die gewerblichen Lastenräder in den kommenden Jahren mehr werden. „Wenn sich an der Infrastruktur allerdings nichts ändert, ist mittelfristig wohl mit einem Kollaps der Radwege zu rechnen“, schätzt der Handwerker. „Das darf wiederum nicht zulasten der Fußgänger gehen.“

Sonderabschreibung und IAB

Der Staat begünstigt die angesagten Vehikel bereits steuerlich. Grundsätzlich wird zur Abschreibung eines gewerb­lichen Lastenrades die Nutzungsdauer von sieben Jahren angenommen. „Das entspricht der amtlichen Abschreibungstabelle für Fahrräder, die hilfsweise zugrunde gelegt wird. Der Zeitraum wird aber stets nach der individuellen Nutzung und dem Verbrauch des Gegenstandes plausibel und nachvollziehbar festgelegt“, sagt Armin Schiehser, Geschäftsführer der HSP Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Lohr.

Laut dem Steuer- und Fachberater für Bau und Handwerk kann man ferner eine Sonderabschreibung von 50 Prozent des Kaufpreises zusätzlich zur linearen Abschreibung im Jahr der Anschaffung in Anspruch nehmen. Er verweist auf § 7c Absatz 3 Einkommensteuergesetz. Diese Möglichkeit wird allerdings an Vorgaben geknüpft. Es muss ein Schwerlastrad sein sowie ein Mindesttransportvolumen von einem Kubikmeter, eine Nutzlast von 150 Kilogramm und einen elektronischen Hilfsantrieb mitbringen. „Diese Kriterien erfüllen die meisten Lastenräder“, konstatiert Schiehser. „Seit 2020 besteht außerdem wieder die Option der degressiven Abschreibung, welche sich maximal auf das 2,5-Fache der linearen pro Jahr beläuft, begrenzt auf 25 Prozent über die sieben Jahre auf den ­jeweiligen Restbuchwert.“ Daneben ­besteht die Möglichkeit, einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) vor dem Erwerb zu bilden. „Der IAB wurde ebenfalls im vergangenen Jahr von 40 auf 50 Prozent erhöht“, so Schiehser.

Betriebskosten und Aufbauten

Bei laufenden Aufwendungen wie für Versicherung und Reparaturen handelt es sich gemäß Schiehser analog zu den Firmenwagen um Betriebsausgaben, die als Aufwand zu verbuchen und steuerlich abzugsfähig sind. Erhaltene Förderungen werden steuerlich als Ertrag behandelt. Separate Regeln gelten für Aufbauten oder andere Komponenten, die auch unabhängig vom Rad genutzt werden können. „Alles, was selbstständig nutzbar ist und zwischen 250 und 800 Euro kostet, kann als geringwertiges Wirtschaftsgut eingebucht und in einem Jahr voll abgeschrieben werden“, erklärt der Experte. „Bei mehr als 800 Euro ist das Objekt über eine eigenständig ermittelte Nutzungsdauer zu aktivieren.“ Stolpersteine oder Unklarheiten bei der Besteuerung sieht Schiehser nicht. „Unternehmen sollten sich mit ihrem Steuerberater eher über­legen, welche Beschaffungsform am besten passt.“

Zuschüsse: Bund und Länder fördern E-Cargobikes und -Anhänger

Bis zu 2.500 Euro erhalten Unternehmen aus dem Handwerk bei Erwerb eines elektrisch betriebenen Lastenfahrrads oder -anhängers vom Bund. Regelmäßige Förderprogramme legen auch Bundesländer und Kommunen auf.

Seit März setzt eine neue Richtlinie den Rahmen für die Förderung von E-Lastenfahrrädern oder -anhängern zur gewerblichen Nutzung. Für diese werden nun 25 Prozent der Anschaffungskosten bis maximal 2.500 Euro als Zuschuss gewährt – bei Kauf, Ratenkauf und Mietkauf mit Übergang des Eigentums innerhalb von drei Jahren. Leasing ist ausgeschlossen.

Grundvoraussetzung: Das Fahrzeug muss mindestens zwei Räder und eine fest installierte Vorrichtung zum Lastentransport haben. Zudem darf es nur über eine maximale Tretunterstützung von 25 Kilometern pro Stunde (km/h) verfügen. Zugleich wird die Auswahl an förderfähigen Modellen erweitert, indem bestimmte Kriterien verändert wurden. Nach Angaben des BAFA muss

  • das Modell serienmäßig und fabrikneu sein,
  • es eine Nutzlast von mindestens 120 Kilogramm (vorher 150 Kilo) mitbringen,
  • die Transportmöglichkeit mit dem Fahrrad unlösbar verbunden sein und mehr Volumen aufnehmen können als herkömmliche Fahrräder (vorher mindestens ein Kubikmeter).

Weitere Infos gibt‘s unter bafa.de.
Daneben existieren unterschiedliche Förder­programme der Bundesländer und Kommunen. Diese sind auf cargobikekaufpraemien.jetzt gelistet und werden aktualisiert.