Baugenehmigung und Handwerk Bauvorlageberechtigung: Bauplan und Ausführung aus einer Hand

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Sachsen-Anhalt führt die kleine Bauvorlageberechtigung für Handwerker ein. Eine Win-win-Situation für Handwerker und Bauherren.

Bauvorlageberechtigung
Zimmerermeister Christian Lellau setzte sich für die kleine Bauvorlageberechtigung in Sachsen-Anhalt ein. - © Christian Hueller

Christian Lellau muss lange warten, bis er sein geplantes Nebengebäude in Angriff nehmen kann. Der Zimmerermeister und Bautechniker aus Osterwieck, der auf Planung, Bau und Restaurierung von Fachwerkhäusern spezialisiert ist, wollte schon lange seinen privaten Fachwerkhof um einen Anbau erweitern. Das etwa 140 Quadratmeter große Nebengebäude soll Platz für einen Holzvergaserkessel zur Energiegewinnung sowie einen Stellplatz für zwei Fahrzeuge schaffen. Damit wird das Haupthaus, das ehemals ein Gehöft war, wieder die ursprüngliche Zweiseitform des alten Hofes in Fachwerkbauweise erhalten. „Die Pläne dafür liegen schon lange in der Schublade“, berichtet Lellau. Eine bei der örtlichen Baubehörde vorgelegte Bauvoranfrage ist bereits positiv beschieden worden. Jetzt müssten nur noch die Zeichnungen um die statischen Berechnungen ergänzt werden, sagt Lellau. Dann stünde der Baugenehmigung für sein Vorhaben nichts mehr im Wege. Mit der Änderung der Landesbauordnung in Sachsen-Anhalt darf der Handwerker demnächst eigene Pläne einreichen, ab Februar 2021 ist er bauvorlageberechtigt .

Berechtigung in acht Ländern

Wer in Deutschland ein Bauwerk errichten, abbrechen oder verändern will und dafür eine Baugenehmigung braucht, muss bei der zuständigen Baubehörde eine Bauvorlage einreichen. Obwohl Handwerksmeister des Zimmerer-, Maurer- und Betonbauerhandwerks bundesweit standardisierte Meisterprüfungen ablegen und damit dafür qualifiziert sind, Bauvorlagen zu erstellen, waren sie bisher nur in acht Bundesländern berechtigt, diese bei den Behörden zur Genehmigung selbst einzureichen. Die Regelungen zur Baugenehmigung sind Ländersache und legen fest, wer bauvorlageberechtigt ist und wer nicht. Folge: Die einzelnen Landesbauordnungen können inhaltlich voneinander abweichen.

„Die kleine Bauvorlageberechtigung gab es bislang nur in alten Bundesländern“, erklärt Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass es dort in der Nachkriegszeit zu wenig Wohnraum und zugleich zu wenige Architekten gegeben habe. Es musste schnell und günstig viel gebaut werden. Die kleine Bauvorlageberechtigung gibt es in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein – und künftig auch in Sachsen-Anhalt. Dort hat der Landtag am 14. Oktober dieses Jahres die Änderung seiner Landesbauordnung beschlossen und die kleine Bauvorlageberechtigung für Handwerksmeister und Bautechniker zum 21. Februar 2021 eingeführt. Damit können dort künftig Maurer, Betonbauer und Zimmerer Bauanträge für Ein- und Zweifamilienhäuser, kleine Gewerbebauten, Anbauten mit einer Traufhöhe bis sieben Meter und einer Fläche bis 400 Quadratmeter einreichen.

Rolle Rückwärts geschafft

Für Handwerksmeister Christian Lellau ist die Änderung der Landesbauordnung in Sachsen-Anhalt schon lange eine Herzensangelegenheit. Er sah es nicht ein, dass er zwar die Bauunterlagen selbst anfertigte, sie aber vor dem Einreichen bei den Behörden noch von einem bauvorlageberechtigten Architekten oder Ingenieur gegenzeichnen lassen musste. „ Es ist kein schönes Gefühl, wenn jemand anderes seinen Namen unter die eigene Arbeit setzt“, sagt Lellau. „Die Bauvorlageberechtigung war seit jeher Bestandteil unserer Arbeit, auch zu DDR-Zeiten,“ ergänzt er. Mit der Wende sei sie abgeschafft worden. „Nun haben wir sozusagen die Rolle rückwärts geschafft“, freut sich Lellau.
Schon seit drei Jahren hat Zimmerermeister und Bautechniker Christian Lellau für die Neuregelung gekämpft. „Mein Ziel war es, die Guten und Jungen im Handwerk zu halten und sie mit der Berechtigung zur Bauvorlage zu motivieren“, berichtet Lellau. So initiierte er mit den Handwerkskammern Sachsen-Anhalts und dem Bauverband eine Petition an den Landtag, sammelte rund 2.000 Unterschriften für sein Vorhaben. Dass Zimmerer, Maurer, Betonbauer und Bautechniker ab 21. Februar 2021 kleine Bauvorlagen einreichen dürfen, schaffe Gerechtigkeit und Mehrwert für Bau­willige, davon ist er überzeugt.

Aufwertung des Meistertitels

Auch für Jens Schumann von der Handwerkskammer Halle gibt es Grund zur Freude: „Die Änderung der Landesbauordnung in Sachsen-Anhalt wertet die duale Ausbildung insgesamt sowie den Meisterbrief auf“, kommentiert er die Neuregelung. Und: Was man gelernt habe, könne man nun entsprechend umsetzen. Schließlich sei mit der Änderung der Landesbauordnung auch eine Entlastung der Bürger erreicht worden, da die bisher zu leistenden Zwischengebühren an den Architekten oder Ingenieur nun wegfielen.

Fehler im System?

Für Barbara Ettinger-Brinckmann ist dies dagegen weniger erfreulich. „Man hätte besser nach dem Sprichwort ‚Schuster bleib bei deinen Leisten‘ gehandelt“, meint die Architektin. Ihr seien die qualifizierten Handwerker als Partner bei der Ausführung unersetzbar wichtig. Unverständlich sei ihr aber, weshalb sich das Handwerk unbedingt in der Planung ausbreiten wolle. Hier liege ihrer Meinung nach ein Fehler im System, der in Sachsen-Anhalt jetzt leider übernommen worden sei. Das Argument, die vorbereitenden Arbeiten für die Bauvorlage würden vom Handwerker erbracht, der Architekt zeichne nur noch gegen, sei unzutreffend und widerspreche den Berufspflichten der Architekten. „Wir haben eine eigenständige Qualifikation und das Handwerk die seine“, so Ettinger-Brinckmann.

Im Gegensatz dazu sieht Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), in der kleinen Bauvorlageberechtigung Vorteile für den ganzen Bauprozess: „Wenn ein hochqualifizierter Handwerksbetrieb alles aus einer Hand umsetzen kann, spart das Kosten und Zeit.“ Es gebe auch keine Nachteile für Architekten, da es sich nur um eine kleine Nische für relativ wenige spezialisierte Betriebe handele. „Das betrifft zum Beispiel Holzhäuser am Rande der Ballungsgebiete, Werkschuppen im ländlichen Raum oder Umbauten von kleineren denkmalgeschützten Bauten“, ergänzt Wollseifer. Solche überschaubaren Aufträge seien für Architekten und Ingenieure ohnehin oft nicht wirklich lukrativ. Architekten verlören deshalb auch keinen relevanten Marktanteil. „Niemand im Handwerk hat den Anspruch, auch Bauvorlagen für Mehrfamilienhäuser, große Bürokomplexe oder Einkaufszentren zu erstellen“, so Wollseifer. Sein Ziel sei es nun, die kleine Bauvorlageberechtigung auch in den Bundesländern, die sie noch nicht haben, möglichst einheitlich umzusetzen. Einem Handwerksbetrieb in Schleswig-Holstein sei schwer zu vermitteln, dass er eine Bauvorlage für ein Holzhaus in Kiel und Lüneburg und zukünftig auch in Stendal abzeichnen könne, in Schwerin aber nicht. Auch für junge Familien, die bauen wollen und damit am Rande der Ballungsgebiete dringend benötigten Wohnraum schaffen, könne die kleine Bauvorlage wichtige Kosten- und Zeitersparnisse bringen.

Haftung als Kritikpunkt

Auch ein Kritikpunkt: Es bestehe die Gefahr, dass kleine Handwerksbetriebe künftig stärker in die Haftung genommen würden, wenn sie die Baupläne selbst einreichten. Dem widerspricht Handwerksmeister Lellau: Schon heute müssten bauausführende Handwerker, wenn sie die Pläne von Architekten und Ingenieuren umsetzen, diese vor der Ausführung prüfen und Baumängel, die auf Planungsfehler zurückgehen, unverzüglich rügen. Ein Verstoß gegen diese umfassende Prüf- und Anzeigepflicht habe schon immer zur Mithaftung des Handwerkers geführt. „Der Handwerker muss schon jetzt Fehler erkennen und dafür geradestehen. Dann kann er auch gleich die kleine Bauvorlage einreichen“, folgert Jens Schumann. Allerdings wäre er künftig verpflichtet, sich gut zu versichern. „Hier hat der Landtag in der neuen Landesbauordnung die Regelung zu den Versicherungspflichten etwas zu aufwendig gestaltet“, kritisiert Wollseifer. Deshalb müsse die Landesbauordnung an dieser Stelle nachjustiert werden, fordert auch Lellau. Derweil hat man nun Landesbauordnungen im Blick, die noch keine kleine Bauvorlageberechtigung vorsehen. So zeichnet sich in Brandenburg im aktuellen Novellierungsentwurf ein erster Schritt ab, die Möglichkeiten des Handwerks bei kleineren Bauten zu erweitern. Die Novellierung der Landesbauordnung von Nordrhein-Westfalen befindet sich im Status eines Referentenentwurfs.

Architekten-Präsidentin Ettinger-Brinckmann mahnt an: „Planung ist immer auch öffentlich und damit von gesellschaftlicher Relevanz.“ Diese Relevanz – bezogen auf die kleinen Bauvorhaben – bewerten die einzelnen Bundesländer jedoch sehr unterschiedlich.