Kühlkleidung: Wie effektiv die Montur vor der Hitze schützen kann

Die Welt wird heißer, es gibt immer häufiger Sommer mit extremen Temperaturen. Um Gesundheitsschäden und drastische Leistungseinbrüche zu vermeiden, ist es bei Arbeiten im Freien sinnvoll, sich mit Kühlkleidung zu schützen. Worauf es bei der Auswahl ankommt und wie Baubetriebe den Einsatz von Kühlkleidung im Arbeitsalltag beurteilen. BeitragInterviewFördermittelBest-Practice Um Gesundheitsschäden und drastische Leistungseinbrüche zu vermeiden, ist es bei Arbeiten im Freien sinnvoll, sich mit Kühlkleidung zu schützen. Laut Deutschem Wetterdienst wurden in den vergangenen Dekaden milde Winter und Hitzesommer immer mehr zum neuen Normal. Prognose: steigend. Die Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) betont daher, dass mit Blick auf den Arbeitsschutz gerade Arbeiten im Freien in den Sommermonaten noch mehr in den Fokus der Gefährdungsbeurteilung rücken müssen. Denn Handwerker, die im Freien arbeiten, sind gesundheitlichen Risiken in besonderem Maße ausgesetzt (siehe Interview Dr. Andreas Weigel). Entscheidend bei Hitze: Die Körpertemperatur durch Kühlkleidung möglichst nahe bei 36,7 Grad halten Eine der Lösungen, die Abhilfe schaffen können, ist Kühlkleidung (auch PCS = „Personal Cooling Systems“ genannt) – sei es beispielsweise als Weste, Hose, Mütze oder Halstuch. Die kühlende Kleidung kann die Körpertemperatur von 36,7 plus/minus 0,3 Grad Celsius aufrechterhalten und so dabei helfen, Belastungen des Herz-Kreislaufsystems und das Risiko für Hitzeerkrankungen zu verringern. Die BG Bau hat das Thema folglich schon seit rund zehn Jahren auf ihrer Agenda und fördert die Anschaffung von Persönlicher Schutzausrüstung, die bei Hitze zum Einsatz kommt (siehe BG Bau Förderung). Nach den Erfahrungen der BG-Experten sind das Tragen von Kühlkleidung, UV-Schutzkleidung, Kopfbedeckungen, UV-Schutzbrillen sowie die Verwendung von Sonnenschutzmitteln sinnvolle Ergänzungen zu technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz im Freien. Aktive versus passive Kühlsysteme: Auf Kühlzeit und Gewicht achten Bei den am Markt angebotenen Kühlwesten lässt sich zwischen aktiven und passiven Systemen unterscheiden. Letztere kühlen über Verdunstung oder eine Phasenwechseltechnik, wie sie etwa Gel-, Eis-Packs oder spezielle Phase-Change-Materialien bieten. Allerdings ist ihre Kühlzeit verglichen mit aktiven Kühlsystemen begrenzt. Diese arbeiten mit einer Energiequelle und zirkulierender Luft oder zirkulierendem Wasser, beispielsweise Kühl-Akkus. Entsprechend ist ihr Preis meist auch höher. Die BG Bau weist darauf hin, dass bei der Auswahl von Kühlkleidung für den gewerblichen Einsatz Faktoren wie Kühlleistung, Gewicht der Weste, PSA-Kompatibilität, Brennbarkeit des Materials, Kühleffekt, Waschbarkeit, Strapazierfähigkeit und Ergonomie berücksichtigt werden sollten. Umfrage bei Baubetrieben: Kühlkleidung sorgen für besseres Arbeitsklima Die BG Bau hat die Branche nach ihrer Beurteilung von Kühlwesten gefragt. Demnach bewerten Unternehmen deren Kühlwirkung überwiegend als „gut“ und die Kühldauer von „lange“ bis „mäßig“. Beeinträchtigen Kühlwesten bei der Tätigkeit? „Überhaupt nicht“ bis „ein wenig“, so die häufigste Angabe. Sehr häufig würden Unternehmen die Kühlwesten „auf jeden Fall“ weiterempfehlen, einige wenige Stimmen wollten die Empfehlung „gar nicht“ aussprechen. Wenige Rückmeldungen haben laut BG Bau zudem eine zu starke Kühlung im Nierenbereich oder allgemein lokale Unterkühlungen gemeldet oder den Befund, dass die Nässe auf der Haut teilweise als unangenehm empfunden wurde. Das Gewicht der Kühlweste wurde teilweise als zu hoch angegeben. Einen klaren Favoriten eines bestimmten Kühlwesten-Systems gab es bei der Befragung nicht. „Ab 36 Grad drohen Hitzschlag und Dehydration bei exponierten Arbeiten“ Was passiert bei Hitze im Körper? Worin besteht genau die Gesundheitsgefahr? Kann Sonnencreme trotz Schwitzen tatsächlich helfen? Dr. Andreas Weigel, Facharzt für Innere Medizin und Mannschaftsarzt des FC Augsburg, erklärt im Interview, wie Handwerker unbeschadet durch den heißen Sommer kommen. Dr. Andreas Weigel, Facharzt für Innere Medizin und Mannschaftsarzt des FC Augsburg. Ab wann sind heiße Klimabedingungen gesundheitsschädlich? Dr. Andreas Weigel: Je höher die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit, desto schwerer ist der Temperaturausgleich für den Körper. Bei gesunden und jungen Menschen gelingt dieser wesentlich besser als bei Älteren, Kranken, Säuglingen und Kleinkindern. Zu den thermoregulatorischen Prozessen gehören die Erweiterung der Blutgefäße und die Produktion von Schweiß. Schwitzt man und steigt die Temperatur im Körper bei hohen Temperaturen trotzdem unverhältnismäßig an, funktionieren irgendwann die physiologischen Ausgleichsmechanismen nicht mehr. Ab Außentemperaturen von 36 bis 40 Grad beginnt es, kritisch zu werden, wenn man länger exponiert ist. Welche medizinischen Gefahren drohen? Akut drohen Hitzschlag, Dehydration und Sonnenbrand. Beim Hitzschlag gibt es verschiedene Phasen: Es beginnt mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Unwohlsein. Wenn es schlimmer wird, drohen Schwindel, Schwäche, fehlende Koordination, Erbrechen, Sehschwierigkeiten – es kann bis zu Kreislaufstörungen und Koma gehen. Bei einem ausgeprägten Sonnenbrand drohen dagegen Fieber, Schüttelfrost, Schwächeanfälle sowie Blasenbildung. Mittel- und langfristig kann Sonnenlicht auch den Augen durch die starke UV-Strahlung schaden, während die Haut aufgrund ihres Memory-Effekts durch starke UV-Strahlung früher altert und früher Vorstufen von Hautkrebs aufweisen kann. Wie kann man gegensteuern? Man sollte die Exposition weitgehend verringern. Sonnencreme, Kopf- und Körperbedeckung sowie ausreichend Flüssigkeitszufuhr mit elektrolythaltigen Getränken sind wichtige Primärpräventionsmaßnahmen. Ist der Körper bereits erhitzt, kann man seinen Körper kühlen, etwa mit kalten Umschlägen an den Unterarmen oder durch Einreiben des Körpers mit Eisbeuteln. Im medizinischen Notfall ist auch eine intravenöse Zufuhr von kalter Flüssigkeit neben den oben genannten Maßnahmen möglich. Müssen Handwerker besonders aufpassen? Handwerker, die im Freien arbeiten, sind einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, weil durch die körperliche Arbeit bereits eine hohe Körperwärme entsteht, wodurch man bereits ins Schwitzen kommt. Handwerker sollten ihre Arbeitszeit daher anpassen, nicht bei maximaler Sonneneinstrahlung aktiv sein und regelmäßig Pausen in gekühlten Räumen oder zumindest im Schatten einlegen. Kühlkleidung, die auch im Profifußball vor den Spielen und in Pausen zum Einsatz kommt, ist aus medizinischer Sicht ebenfalls sinnvoll: Dadurch, dass die Haut kühler wird, kann der Temperaturausgleich des Körpers besser gelingen. Kühlwesten und Kühlkleidung: Mit diesen Prämien fördert die BG Bau den Kauf Wer als Unternehmer Kühlkleidung für sein Team anschafft, kann dafür von der Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) einen Zuschuss in Form einer Arbeitsschutzprämie erhalten. Schließlich gehört die Kühlkleidung zur Persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Arbeitsschutzprämie: Die Hälfte der Anschaffungskosten ist drin Die BG BAU fördert herstellerunabhängig die Anschaffung von individuellem Hitze- und UV-Schutz zur Reduzierung der Gefährdungen durch UV- und Hitzebelastungen – konkret: Funktionsshirts mit UV-Schutz und UV-Warnschutz-Shirts, UV-Schutz-Zusatzausstattungen für Schutzhelme (Nackentücher, Blendringe), alle waschbaren, geräteunabhängigen Kühlwesten (Funktionsprinzipien: Eis- oder Gel-Akkus, PCM-Packs oder Verdunstungskälte) und Kühl-Schutzhelmeinsätze sowie Sonnenbrillen. Pro Maßnahme werden 50 Prozent der Anschaffungskosten übernommen – wenn die Schutzmaßnahmen bestimmte Eigenschaften erfüllen: Kühlwesten Es werden alle waschbaren, geräteunabhängigen Arten (Funktionsprinzipien: Eis- oder Gel-Akkus, PCM-Packs oder Verdunstungskälte) von Kühlwesten gefördert. Kühlwesten im „Warnwestendesign“ müssen der Klasse 2 oder 3 der EN ISO 20471 für „Hochsichtbare Warnkleidung“ entsprechen, da ansonsten eine Fehlbenutzung nicht ausgeschlossen werden kann. Die Förderung beträgt maximal 100 Euro pro Stück. Kühlkleidung Es werden alle waschbaren Ausführungen der Arm- und Beinkühlung, der Kopfkühlung und Kühlshirts gefördert. Kühlkleidung im „Warnkleidungdesign“ müssen der Klasse 2 oder 3 der EN ISO 20471 für „Hochsichtbare Warnkleidung“ entsprechen, da ansonsten eine Fehlbenutzung nicht ausgeschlossen werden kann. Nicht gefördert werden Kühlhandtücher, da diese keine Kleidung darstellen. Für Funktionsshirts und Warnschutzshirts mit UV-Schutz beträgt die Förderung maximal 30 Euro pro Stück. Wichtig: Ausführliche Infos zu allen Arbeitsschutzprämien der BG Bau und zum Online-Antrag gibt es unter https://www.bgbau.de/fileadmin/Produkte/Arbeitsschutzpraemie/Sonnen-_und_Hitzeschutz_Anforderungen.pdf Stolberg Bedachungen: Wenn die Hitze merklich an der Produktivität nagt Um seinem Team das Arbeiten an heißen Tagen zu erleichtern, hat Dachdeckermeister Hans-Jürgen Kahle Kühlwesten angeschafft. Gearbeitet haben die Mitarbeiter von Stolberg Bedachungen in diesem Hitzesommer genauso viele Stunden wie sonst. Doch es kam nicht das gleiche dabei heraus, wie Dachdeckermeister Hans-Jürgen Kahle an Jahresende feststellen musste. Um seinem Team das Arbeiten an heißen Tagen zu erleichtern, hat der Unternehmer Kühlwesten angeschafft. Was Fußballprofis an heißen Tagen vor dem Spiel beim Aufwärmen tragen, kann auch hartes körperliches Arbeiten bei Hitze erleichtern. Schließlich gilt auf dem Platz das gleiche wie auf dem Dach: die Leistung muss stimmen. Als sie das bei Dachdeckermeister Hans-Jürgen Kahle in Göttingen nicht mehr tat, wollte der Unternehmer gegensteuern. Kühlwesten: Wie Betriebe das passende Modell finden Durch Medienberichte und die Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) ist der Unternehmer auf das Thema Kühlkleidung aufmerksam geworden. Daraufhin bestellte die Firma Stolberg Bedachungen 2021 bei ihrem bewährten Partner Würth jeweils ein Set an Kühlweste, Cap und Halstuch pro Mitarbeiter. „Vorab ließen wir uns verschiedene Größen zum Probieren liefern, denn die Westen müssen genau passen“, so Kahle. Außerdem hat er noch einen Tipp: „Vor dem Kauf sollte man prüfen, ob die Produkte den Förderrichtlinien der BG Bau entsprechen und bezuschusst werden können.“ Hitze war im Beruf des Dachdeckers schon immer ein Thema, weiß Dachdeckermeister Hans-Jürgen Kahle (58). „Die Sonnenstrahlung ist aufgrund des Klimawandels und der Ozonschichtschädigung heute aber viel intensiver und gefährlicher als noch vor zehn Jahren“, sagt der Geschäftsführer der Stolberg Bedachungen. Er führt den 1914 gegründeten Familienbetrieb in Göttingen bereits in fünfter Generation, die sechste Generation steht mit dem 25-jährigen Sohn auch schon bereit. Kühlen durch Verdunstung: Effekt hält zwei bis vier Stunden Die von den Göttingern georderten, waschbaren Kühlwesten legt man für ein paar Minuten ins Wasser und zieht sie ausgewrungen an. Die Kühlung erfolgt über die Verdunstung. „Unserer Erfahrung nach hält der Kühleffekt von etwa drei Grad circa zwei bis vier Stunden lang an – je nach Wärmeeinstrahlung“, berichtet Kahle. Die Westen seien so konzipiert, dass sie nicht bei der Arbeit beeinträchtigen. „Wenn man sie regelmäßig trägt, beeinflussen sie die Bewegungsabläufe aber schon ein wenig. Gelegentlich bleiben die Mitarbeiter damit auch mal hängen – es sind mittlerweile eben Gebrauchsgegenstände, mit denen nicht mehr so achtsam umgegangen wird wie am Anfang.“ Aktuell arbeiten sechs Mitarbeiter für Kahle, davon zwei Lehrlinge. Für diejenigen, die seit der Erstanschaffung der Kühlkleidung ins Team kamen, will er demnächst ein eigenes, neues Kühlkleidungs-Set anschaffen. Die Einstellung zum Sonnenschutz hat sich seiner Erfahrung nach geändert. War die Dachdeckerarbeit mit unbedecktem, braungebranntem Oberkörper im Sommer früher normal, werden nun Textilien empfohlen, die möglichst viel Haut bedecken. Ältere Mitarbeiter sind laut Kahle diesen Ratschlägen und auch Kühlkleidung gegenüber allerdings oft skeptisch. Kühlkleidung: ein echter Benefit bei der Mitarbeiter-Akquise „Gerade bei den Jüngeren ist Achtsamkeit für sich selbst heutzutage dagegen stärker verankert, zur Work-Life-Balance gehört es auch, sich bei der Arbeit wohlzufühlen“, resümiert Kahle. „Innovationen wie Kühlkleidung können ein echter Benefit bei der Mitarbeitersuche und -bindung sein. Investitionen sorgen daher vielleicht nicht immer für mehr Ertrag, aber meistens für ein besseres Arbeitsklima und mehr Arbeitssicherheit.“

Arbeitsschutz bei Sommerhitze Kühlkleidung: Wie effektiv die Montur vor der Hitze schützen kann

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