Fahrbericht Nissan Interstar: Der Transporter punktet mit Effizienz und Design

Rundum neu, imponierender Auftritt, hohe Nutzlast, niedriger Verbrauch und prima Cockpit: Der Nissan Interstar schlägt sich gut in unserem Test – und somit auch im Handwerker-Fuhrpark.

Rundum neu: Der Nissan Interstar als Testwagen im Einsatz.
Rundum neu: Der Nissan Interstar als Testwagen im Einsatz. - © Randolf Unruh

Soll man besser die Straße wechseln, wenn der Nissan im Rückspiegel auftaucht? Der Auftritt des Nissan Interstar mit hochgerecktem Haupt, mit Chromstreifen-Eckzähnen und frisch geschliffenen Tagfahrlicht-Sicheln zeugt von Selbst­bewusstsein. Mit dem ist nicht zu spaßen. Aber mit dem kann man arbeiten. Und das wiederum macht durchaus Spaß. Zusammen mit dem Zwilling Renault Master handelt es sich um eine echte Neuentwicklung. Auch wenn Nissan draufsteht – der ­Renault nimmt daher beim Test stets auf dem Beifahrersitz Platz.

Laderaum: Üppig Platz im Nissan Interstar

Hinter dem Interstar-Gesicht mit optischen Anklängen an Straßenkreuzer folgt ein Kastenaufbau, hier eingekleidet in Hausmeisterkittelgrau. Verzeihung: „Urban Grey“. Er hat es in sich, denn die kurze, hohe Nase des Nissan ergibt eine gute Raumausnutzung. 10,8 Kubikmeter Volumen bei 5,7 Metern Länge, das ist was. Auch wenn der Hersteller zur Berechnung die Maximalmaße heranzieht, bitte überdenken. Beladen lässt sich der Frachter prächtig mittels der 1.320 Millimeter breiten Schiebetür und nochmals breiter angelegten Radkästen hinter den Heckflügeltüren. Stabiler Holzboden, kräftige Zurrösen, LED-Licht – allenfalls die etwas altbackenen Aufsteller der Heckflügel­türen ließen sich bemängeln. Sie sind aber im Umgang nicht wirklich ein Problem.

Auch die Gewichtsbilanz stimmt. 2,2 Tonnen Leergewicht trotz reichhaltiger Ausstattung in der Variante N-Connecta, trotz Anhängerkupplung und großem 80-Liter-Dieseltank bedeuten 1,3 Tonnen für Fahrer und Fracht. Ein prima Wert für einen nagelneuen 3,5-Tonner. Indes erkauft mit teils etwas luftig wirkenden und lässig verarbeiteten Blechen. Man merkt’s etwa an den scheppernd ins Schloss fallenden Türen. Auch 2,5 Tonnen Anhängelast sind kein Spitzenwert.

Spitze ist dagegen die Fahrerkabine des Testwagens. Die seitlichen Getränkehalter sind als Einstiegsgriffe ausgebildet, darauf muss man erst mal kommen. Oben angelangt, können sich Fahrer ­recken und strecken, vom weiten Fußraum bis zur großzügigen Verstellung des Sitzes. Letzterer ist recht bequem, allenfalls ist die Sitzfläche etwas kurz. Es herrscht Cockpit-­Atmosphäre wie in keinem anderen Transporter dieser Klasse, denn Armaturen und Bedienungselemente sind in Form eines Viertelkreises angeordnet.

Nissan Interstar N-Connecta L2H2

  • Abmessungen (L/B/H): 5.685/2.080/2.498 mm
  • Radstand: 3.585 mm
  • Wendekreis: 12.800 mm
  • Laderaum (L/B/H): 3.225/1.789/1.885 mm
  • Breite zw. Radkästen: 1.380 mm
  • Ladekapazität: 10,8 m³
  • Leergewicht Testwagen: 2.220 kg
  • Nutzlast: 1.280 kg
  • Zul. Gesamtgewicht: 3.500 kg
  • Anhängelast bei 12 % Steigung: 2.500 kg
  • Zul. Zuggesamtgewicht: 6.000 kg
  • Motor: Turbodiesel
  • Hubraum: 1.995 cm³
  • Leistung: 110 kW/150 PS
  • Drehmoment: 360 Nm
  • Getriebe: Sechsgang-Schaltgetriebe
  • Antrieb: auf die Vorderachse
  • Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h
  • Verbrauch WLTP: 7,5–8,5 l/100 km
  • CO2-Emissionen: 195–222 g/km
  • Teststrecke beladen: 8,8 l/100 km
  • Testverbrauch beladen: min./max. 7,3/14,0 l/100 km
  • Testverbrauch Adblue: 0,18 l/100 km
  • Preis (exkl. MwSt.): ab 39.350 Euro
Bitte einpacken: Üppige Nutzlast, Boden und stabile Zurrösen – das freut den Fuhrparkleiter.
Bitte einpacken: Üppige Nutzlast, Boden und stabile Zurrösen – das freut den Fuhrparkleiter. - © Randolf Unruh

Cockpit: Moderne Anordnung

Die klassischen Instrumente verzichten auf digitale Design-Spielereien und sind bestens ablesbar. Rechterhand gibt es drei Drehregler plus wenige Tasten für die Klimatisierung, so muss es sein. Darüber wächst ein Touchscreen mit einer Vielzahl an Informationen empor. Dort finden sich allerhand Einstellmöglichkeiten, auch eine Fahrerbewertung – aber der Nissan lässt sich problemlos auch ohne diese Hilfsmittel bewegen. Ladeschale fürs Smartphone, Steckdosen – alles da, und das Multifunktionslenkrad trägt richtige Tasten. Dazu große Außenspiegel plus Zusatzgläser, passt. Dass es noch einen Zündschlüssel und einen Handbremshebel beim nagelneuen Transporter gibt, mutet eigenwillig an – geschenkt.

Die Zweierbank rechts hat komfortable Einzelsitz-Polsterungen. Unten öffnet sich eine große Sitztruhe, oben entpuppt sich die Klapplehne des inneren Platzes als wahres Wunderwerk der Ingenieurskunst. Sie ist justierbarer Tisch oder Ablage und bietet zusätzlich einen Raum zur sicheren Unterbringung des Laptops. Das Fahrerhaus setzt sich aus handfesten Materialien zusammen und ist ordentlich verarbeitet. Komfortable Ergänzung wäre jetzt noch eine Ver­kleidung der stählernen Trennwand zum Laderaum.

Wer nun vom gelungenen und komfortablen Fahrerhaus auf ein sanftes Fahrwerk schließt, liegt falsch. Der Nissan entpuppt sich leer wie beladen als strammer Bursche. Er sackt dafür aber auch bei voller Beladung kaum ein. Die Lenkung lässt ein wenig Fahrbahnkontakt vermissen und die Vorderachse lädt mitunter zu einem Tänzchen ein, es könnte an den Reifen gelegen haben. Aber was für eine Bremse: Sie spricht geradezu rasant an.

Vorbildliches Cockpit: Becherhalter als Griff, klassische Instrumente, alles im Viertelkreis angeordnet.
Vorbildliches Cockpit: Becherhalter als Griff, klassische Instrumente, alles im Viertelkreis angeordnet. - © Randolf Unruh
Gut gemacht: Der Testwagen lobt bei sparsamer Fahrt und kritisiert die Rowdys am Steuer.
Gut gemacht: Der Testwagen lobt bei sparsamer Fahrt und kritisiert die Rowdys am Steuer. - © Randolf Unruh

Fahrwerk: Straffe Abstimmung

Unter der brusthohen Motorhaube des Nissan Interstar steckt ein Zweiliter-Diesel, im Testwagen mit 110 kW/150 PS vernünftig bestückt. Der Selbstzünder ar­beitet ausgesprochen geschmeidig. Er tritt selbst aus niedrigsten Drehzahlen ohne Beschwerden an, überzeugt durch seine Leistungsentfaltung. Das spiegelt sich im Test in guten Elastizitätswerten wider. Abseits der Messwerte, aber vor allem in einer entspannten und recht schaltfaulen Fahrweise. Weiterer Vorteil: Auch voll beladen kommt der 3,5-Tonner an deftigen Steigungen beim Anfahren flott in Tritt. Zusammen mit dem sichtbaren aerodynamischen Feinschliff der Karosserie resultiert daraus ein niedriger Sprit­verbrauch.

Achtung: Verbrauchsfahrten der Redaktion sind keine fröhliche Landpartien, die immer gleiche Strecke ist anspruchsvoll, kräftig gewürzt mit einer Hochgeschwindigkeits-Etappe und der Nissan voll beladen. Umso besser das Ergebnis: Der Interstar stellte den bisherigen Bestwert von 8,8 Litern je 100 Kilometer für 3,5-Tonner ein – Respekt. Daraus resultiert zusammen mit dem großen Tank eine üppige Reichweite. Es wäre vermutlich sogar ein noch besserer Wert möglich: Der Autobauer lässt den Transporter mit bis zu 170 Sachen galoppieren. Muss das sein, war da nicht eine Vereinbarung der Hersteller auf maximal ­Tempo 160 km/h? So aber taucht der Interstar tatsächlich mit gefletschten Chrom-Eckzähnen im Rückspiegel überraschter Autofahrer auf. Doch er beißt nicht, der will nur spielen. Und kräftig arbeiten.

Auch voll beladen kommt der 3,5-Tonner an deftigen Steigungen beim Anfahren flott in Tritt.
Auch voll beladen kommt der 3,5-Tonner an deftigen Steigungen beim Anfahren flott in Tritt. - © Randolf Unruh

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