Manche Stimmen des inneren Teams motivieren, andere haben Zweifel: In ihrer Kolumne erklärt Marketingexpertin und Coach Caroline Pastor, wie Handwerkschefs alle Mutmacher, aber auch Bremser in ihre Entscheidungsfindung mit einbeziehen können – um letztlich aus der guten Idee ein eigenes Business zu kreieren.

Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Die Frage des Philosophen Richard David Precht trifft den Kern eines Gefühls, das viele Gründerinnen kennen: Begeisterung trifft auf Angst. Mut auf Vernunft. Soll ich das Risiko eingehen oder lieber im Angestelltenverhältnis bleiben? Meistens melden sich in solchen entscheidenden Momenten mehrere innere Stimmen gleichzeitig zu Wort. Willkommen in Ihrem inneren Team!
Die Idee stammt vom Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun: Jeder Mensch hat ein „inneres Team“. Das sind Persönlichkeitsanteile mit verschiedenen Haltungen, Bedürfnissen und Stimmen. Im Kern meinen Sie es gut mit uns: Manche motivieren, andere bremsen. Die einen aus Mut, die anderen aus Angst.
Inneres Team: Ob Zweifel oder Mutmacher – jeder Anteil hat seine eigene, wichtige Funktion
Da ist die Perfektionistin, die immer alles bis in das kleinste Detail erledigen will, bevor es in den Feierabend geht. Die Zweiflerin, die Angst vorm Scheitern hat. Die Macherin, die mutig und neugierig ist. Und die Idealistin, die fragt, ob das auch alles richtig und sinnvoll ist. Die Sparsame, die jeden Cent lieber auf das Sparkonto einzahlt als in riskante Projekte zu investieren. Jeder Anteil hat eine Funktion. Das eigentliche Problem beginnt erst, wenn sie nicht miteinander sprechen.
Gerade wenn vieles im Wandel ist – etwa vor einer Gründung oder einer großen Investition – lohnt es sich, den inneren Stimmen zuzuhören. Denn sie wollen alle etwas Gutes: uns vor Fehlern schützen, unsere Werte bewahren, uns antreiben. Wenn es Ihnen gelingt, diese Stimmen an einen Tisch zu holen, werden Sie zur souveränen Chefin Ihrer Entscheidung.
Schulz von Thun‘s Modell des inneren Teams hilft dabei, in schwierigen Situationen Klarheit zu finden. Es ersetzt nicht die Entscheidung, aber es bereitet sie vor. Probieren Sie die Methode doch einfach mal aus! Alles, was Sie brauchen, ist ein Tisch oder eine Wand, ein paar A5 große Post-it‘s oder Papier – und die Bereitschaft, sich selbst zu reflektieren.
Wie Sie Klarheit in Ihre Entscheidung bringen können:
- Anteile erkennen: Denken Sie an die konkrete Entscheidung, bei der Sie sich zerrissen fühlen. Welche Gedanken, Sätze oder Impulse fallen Ihnen spontan ein? Schreiben Sie für jede Stimme einen Satz auf ein einzelnes Papier auf. Beispiel: „Was, wenn ich scheitere?“, „Das ist genau meine Chance!“, „Ich bin noch nicht gut genug.“ Solange bis Sie alle relevanten Teammitglieder beisammen haben.
- Team benennen: Geben Sie jeder Stimme einen Namen. Wer spricht da in Ihnen? Wer noch? Zum Beispiel: Die Zweiflerin, die Mutige, die Perfektionistin, die Kritikerin, die Visionärin. Schreiben Sie diese Namen auf die einzelnen Zettel oder Karten zu den Sätzen bzw. Impulsen.
- Positive Absicht verstehen: Notieren Sie für jeden Anteil, vor was Sie dieser Anteil bewahren will bzw. was will dieser Anteil Gutes für Sie? Was ist die positive Absicht dahinter? Wofür ist das nützlich? Halten Sie die Antworten kurz: Sicherheit, Respekt, Erfolg oder Schutz vor Blamage.
- Aufstellung der Ist-Situation: Platzieren Sie alle Zettel so, wie sie in der jetzigen Situation zueinanderstehen. Wer arbeitet mit wem zusammen? Wer steht dominant im Vordergrund? Wer hält sich im Hintergrund? Wo gibt es Konflikte? Wer fehlt in diesem inneren Team? Wer müsste noch dazukommen?
- Bedürfnisse klären: Wer braucht was von wem? Welche Anteile können sich gegenseitig unterstützen? Welche Ressource könnte helfen? Wer darf eine Pause machen? Welche Kompromisse könnten geschlossen werden? Kein Anteil wird verbannt, alle Stimmen sind Teil Ihres inneren Teams.
- Neue Ordnung finden: Wie würden Sie nun die Zettel platzieren, damit Sie sich in Zukunft gestärkt fühlen? Wer darf jetzt in den Vordergrund rücken? Wie würde eine Aufstellung aussehen, die Ihnen Kraft gibt? Was braucht es, damit Sie klar und ruhig entscheiden können?
- Symbol verankern: Zum Schluss lohnt es sich, ein Foto der Aufstellung zu machen und ein Symbol zu wählen, ein Erinnerungsstück, das Ihre neue innere Haltung verkörpert. Was ist nun Ihr nächster Schritt? Womit beginnen Sie als erstes? Und wann genau starten Sie damit? Machen Sie sich einen Handlungsplan und setzen sich Erinnerungstermine in Ihren Kalender.
Inneres Team: Zerrissenheit und Zweifel nicht als Makel verstehen – im Gegenteil!
Diese Aufstellung zeigt, dass Zweifel und Zerrissenheit keine Makel sind, sondern Ausdruck Ihrer Vielschichtigkeit ist. Das innere Team und dessen Aufstellung dient dazu, Sie wieder handlungsfähig zu machen und Ihre unterschiedlichen Werte und Persönlichkeitsanteile zu integrieren.
Noch wirksamer wird die Methode übrigens mit professioneller Begleitung: Ein Coach kann durch gute Fragemethoden helfen, weitere verborgene Bedürfnisse aufzudecken und es fällt leichter, sich in die einzelnen Teammitglieder hineinzuversetzen – und ihnen die Stimme zu geben, die sie verdienen. Denn gute Entscheidungen brauchen keine perfekte Klarheit, sondern eine Chefin, die ihr inneres Team kennt.
Über Caroline Pastor:
Die Markenexpertin und systemischer Business Coach Caroline Pastor konzipiert und leitet Workshops zu Positionierung, Vision, Mission und Werteentwicklung. Sie setzt sich für Marken mit Haltung ein. Mit ihrer Beratung Kernform unterstützt sie GründerInnen und Unternehmen, ihre Kultur und Markenidentität mit einer klaren Strategie und Kommunikation zu formulieren. Caroline Pastor ist davon überzeugt, dass Menschlichkeit, Respekt, Offenheit und Ästhetik wegweisende Wachstumstreiber für Unternehmen und Marken sind.