Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 18. Folge VOB: Darum sollte jedes Handwerksunternehmen mit dem Vollkostensatz rechnen

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Auftragsabwicklung, Kalkulation, Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe und Risikomanagement

Sind wir mal ehrlich: Die wenigsten Handwerksunternehmen arbeiten mit dem Vollkostensatz. Das sollte sich allerdings schleunigst ändern, ist Kolumnist Andreas Scheibe der Meinung. In der 18. Folge von “Professioneller Bauablauf“ erklärt der Experte, warum es mehr als sinnvoll ist mit dem Vollkostensatz zu kalkulieren.

Kolumnist Andreas Scheibe erklärt in einer neuen Folge "Professioneller Bauablauf", warum jedes Handwerksunternehmen mit dem Vollkostensatz arbeiten sollte.
Idealerweise sollte jedes Handwerksunternehmen bei seinen Kalkulationen mit dem Vollkostensatz arbeiten. - © studio v-zwoelf – stock.adobe.com

Schon mal von Vollkosten gehört? Was könnte sich wohl hinter dem Begriff verbergen? Ich verrate es euch: In den Vollkosten betrachtet man alle im Unternehmen anfallenden Kosten. Also Mieten, Versicherungen, Zinsen, Fahrzeugkosten, Heizöl, Portogebühren, Telefonrechnungen, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, Sozialabgaben und vieles mehr. Im Grunde also alles und damit eben die vollen Kosten. Die Frage, die sich nun aber stellt: Wie ermitteln wir den Vollkostensatz? Dröseln wir das mal auf.

Ist der Stundensatz unterschritten, steigt der Verlust

All diese laufenden Kosten während eines Jahres plus dem Plangewinn ergeben zusammen eine Summe, die durch die produktiven Stunden des gesamten Teams dividiert wird. Ein Beispiel: Bei einem Standardbetrieb mit zehn Monteuren, fünf Kundendienstlern und zwei Azubis kommen wir bei Kosten von etwa 1,45 Millionen Euro im Jahr und einem Gewinn von 100.000 Euro auf einen Vollkostensatz von 75 Euro pro Stunde.

Doch was bedeutet diese Zahl? Sie gibt uns einen vollkostendeckenden Stundensatz, den wir niemals unterschreiten sollten in all unseren Projekten bzw. Angeboten. Andernfalls machen wir ein Verlustgeschäft.

Der Vollkostensatz beim Kalkulieren von Leistungsverzeichnissen

Und wo genau arbeiten wir mit dieser Zahl? Beispielsweise beim Kalkulieren von Leistungsverzeichnissen. Wenn also das Leistungsverzeichnis (LV) auf dem Tisch des ausführenden Handwerksunternehmens liegt, dann gibt es irgendwo im LV die Position „Stundenlohnarbeiten“. Die meisten tragen dort Zahlen zwischen 40 und 60 Euro ein. Wenn ich also Stundenlohnarbeiten ausführe, aber kein Material mit gutem Deckungsbeitrag abrechnen kann, dann realisiere ich meinen Verlust.

Am Projektende haben wir dann 100 Stundenlohnstunden für verschiedene Arbeiten ausgeführt. Und zwar ohne Materialverkauf. 100 Stunden à 40 Euro ergibt 4.000 Euro. Unser Vollkostensatz liegt allerdings bei 75 Euro. Um unsere Kosten und den Gewinn weiterhin einfahren zu können, müssten wir also eigentlich 7.500 Euro abrechnen. Das bedeutet wir machen in diesem Projekt 3.000 Euro Miese.

Ein Beispiel für einen Vollkostensatz

Nehmen wir mal an, wir geben einen Vollkostensatz von 100 Euro im LV an. Dann könnten wir unser Material dem Auftraggeber mit dem Einkaufspreis entsprechend weitergeben. So realisieren wir unseren Gewinn ausschließlich aus unserem eigenen Risiko, also der Einhaltung unserer kalkulierten Stunden zu unserem Vollkostensatz, der bereits einen entsprechenden Gewinn beinhaltet. Nächste Frage: Wo finden Stundenlohnarbeiten statt? Genau, bei Umbaumaßnahmen, Rückbau, Demontage, beim Verräumen des Materials oder auch bei Erschwernissen, die reine Zeitarbeit bedeuten.

Gute Gründe für ein Quäntchen Mut

Was ist nun die Krux bei der ganzen Sache? 100 Euro Vollkostensatz (oder sogar mehr) in der Nachkalkulation sind für viele Handwerker eine hohe Zahl. Für manch einen sogar eine utopische Zahl. Weil sie niemanden vergraulen wollen, rechnen und verdienen die allermeisten Handwerker lieber klein. Es fehlt ganz einfach der Mut. Um das nötige Quäntchen Mut aufzubringen, braucht es Gründe – und zwar gute Gründe! Diese muss allerdings jeder selbst in sich finden. Aber ich bin ganz sicher, davon gibt es genügend.

Noch eine letzte Frage

Das führt mich zur letzten, alles entscheidenden Frage: Was könnte man mit mehr Geld im Unternehmen tun? Investieren, fürs Alter vorsorgen, Vergütungen erhöhen, Spaß haben, Freiheit(en) gewinnen? Das muss jeder Handwerker für sich selbst eruieren. Was sind also die Gründe, um mit einem Vollkostensatz von 100 Euro zu arbeiten? Unsere Empfehlung lautet an dieser Stelle immer: Finden Sie sie und setzen Sie dann den Vollkostensatz um! Und wenn Sie Hilfe bei diesem Thema benötigen und gern eine andere Rendite erzielen möchten, dann informieren Sie sich unter continu-ing.com.

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (lücken-im-lv.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de