Unfallschutz und Berufskrankheit Unfallversicherung: Lohnt sich für Handwerksbetriebe eine Gruppenpolice?

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Eine Unfallversicherung ist für Mitarbeiter im Handwerk Pflicht. Wer als Arbeitgeber mehr bieten will, kann eine Gruppenpolice abschließen. Auch Unternehmer brauchen Extra-Schutz. Was die Policen bringen und was sie kosten.

Thorsten Jakob, Inhaber der Jakob Haustechnik in Recklinghausen
Thorsten Jakob, Inhaber der Jakob Haustechnik in Recklinghausen: "Meine Mit- arbeiter sind alle doppelt versichert – und auch ich habe einen Unfallschutz." - © Markus J. Feger

Meine Frau ist Geschäftsführerin unseres Betriebes. Sie ist, wie gesetzlich vorgeschrieben, bei der BG Bau angemeldet und abgesichert“, erzählt Handwerksmeister Torsten Jakob, Inhaber der Jakob Haustechnik GmbH in Recklinghausen. Zusätzlich hat der Unternehmer eine Firmenunfallversicherung für seine Frau, seine Mitarbeiter und sich selbst abgeschlossen. „Bei uns besteht für alle neun Mitarbeitenden lückenloser Doppelschutz“, ist Jakob stolz.

Unterschied gesetzlich und privat

Und das ist sinnvoll. Denn es gibt keinen gesetzlichen Unfallschutz für Unternehmer, und für Angestellte ist er oft schwierig durchzusetzen. Grundsätzlich deckt der gesetzliche Unfallschutz Arbeits- oder Wegeunfälle, aber auch Berufskrankheiten ab. Doch oft ist es ein weiter Weg, bis die Rente fließt. Wer einen anerkannten Berufsunfall oder eine Berufskrankheit hat, erhält nämlich nur dann eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), wenn zuvor alle Möglichkeiten der Rehabilitation ausgeschöpft wurden. Zudem ist es die Berufsgenossenschaft (BG), die beurteilt, ob und wie stark ein Versicherter vermindert erwerbsfähig ist. Wer unter 20 Prozent Minderung liegt, erhält keine Rente. Die BG nutzt dafür Gutachter, doch wer beispielsweise eine MdE von 50 Prozent bescheinigt bekommt, erhält trotzdem noch lange nicht die Hälfte seiner Rente. „Denn an die Entscheidung des Gutachtens ist die Verwaltung nicht gebunden“, stellt Thomas Lucks, Sprecher der BG Bau, fest. Streit und Klagen vor dem Verwaltungsgericht sind keine Seltenheit. Glück hat, wer zusätzlich eine private Unfallversicherung hat. Denn bei ihr gibt es schon ab einem Prozent Invalidität eine anteilige Kapitalleistung.

Anerkennung von Unfällen und Berufskrankheiten

Der Disput mit der Berufsgenossenschaft entzündet sich oft bereits weit vor dem Streit um den Umfang körperlicher Einschränkung. Schon die Frage, ob ein Unfall berufsbezogen passierte, ist nicht leicht zu klären. Ein Beispiel: „Auch im Homeoffice unfallversichert“, titelte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Dachorgan der neun Berufsgenossenschaften, im März 2020 anlässlich des ersten Corona-Lockdowns.

Doch schnell musste sie relativieren: Maßgeblich sei nicht der Ort der Tätigkeit, sondern die Frage, ob sie in einem engen Zusammenhang mit den beruf lichen Aufgaben steht. So wäre ein Versicherter geschützt, wenn er die Treppe hinunterstürzt, weil er im Parterre die unterbrochene, dienstlich notwendige Internetverbindung überprüfen will. Passiert der gleiche Sturz, weil eine private Paketsendung angenommen werden soll, greift der Unfallschutz nicht. Denn private Aktivitäten sind grundsätzlich nicht gesetzlich unfallversichert. So stellt die DGUV dann selbst fest: „Die Abgrenzung zwischen versicherter und unversicherter Tätigkeit ist gerade im Homeoffice nicht ganz einfach.“
Das Bundessozialgericht urteilte bereits in mehreren Fällen: Der Weg zur Toilette oder zum Essen in die Küche ist im Homeoffice nicht versichert. Auch wer seinen unmittelbaren Weg zur oder von der Arbeit auch nur kurz unterbricht, um sich bei einem Bäcker oder Metzger etwas zu essen zu kaufen, und vor der Fortsetzung der Fahrt einen gesundheitlichen Schaden durch einen Unfall erleidet, ist nicht gesetzlich Unfallversichert (BSG, Az.: B 2 U 1/16 R und B 2 U 11/16 R).

Corona und der Unfallschutz

Eine Corona-Infektion kann als Arbeitsunfall oder als Berufskrankheit anerkannt werden – dann zahlt die gesetzliche Unfallversicherung. „Corona-Ausbrüche in Mitgliedsbetrieben der BG Bau werden im Einzelfall geprüft“, erläutert Thomas Lucks. Neben dem Bau seien Friseure und Kosmetiker häufig betroffen. So stellt der Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) seit Ausbruch der Pandemie bereits überproportional viele Anzeigen von Berufskrankheiten fest.
Als Arbeitsunfall kann so eine Infektion beispielsweise gelten, wenn eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften erfolgt. Die Infektionsgefahr müsse, laut BG Bau, „über das übliche Maß hinausgehen“ und durch die Eigenheiten der Unterkunft, wie Mehrbettzimmer, begünstigt werden. Ähnlich sieht es bei vom Unternehmen organisierten Gruppenbeförderungen oder Fahrgemeinschaften aus. Dass Handwerker auf solche Risiken bereits reagieren, zeigt die Praxis. „Wir fahren heute nur noch mit zwei Leuten im Fahrzeug, um das Ansteckungsrisiko gering zu halten“, sagt Bauunternehmer Thomas Gerz, Chef der Catho Bauten- & Korrosionsschutz GmbH aus Winningen bei Koblenz.

Weniger Unfälle dank Corona

Die BG Bau unterstützt Unternehmen und Versicherte seit Beginn der Pandemie beim Umgang mit den Corona-Auflagen durch Praxishilfen und neue Arbeitsschutz-Standards. Insgesamt ist das Jahr 2020 – und wohl auch das Jahr 2021 – von deutlich weniger Arbeits- und Wegeunfällen geprägt: Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle ist im Jahr 2020 um 12,8 Prozent auf 760.369 Unfälle gesunken. Noch deutlicher fiel der Rückgang bei den Wegeunfällen aus: Auf dem Weg zur Arbeit oder wieder nach Hause ereigneten sich 152.773 Unfälle, das sind 18,2 Prozent weniger als 2019. Nach der Corona-Krise wird sich das alte Unfalllevel wieder einstellen, vermuten Experten.

Wenige Unternehmer schützen sich

Die rund 2,8 Millionen automatisch unter dem gesetzlichen Schutz der BG Bau stehenden abhängig Beschäftigten sind grundsätzlich vor den finanziellen Folgen von Unfällen geschützt. Doch Unternehmer oder „unternehmerähnliche Personen“ und (Ehe-)Partner, die aus persönlichen Gründen familienhaft nur nebenbei im Handwerksbetrieb mitarbeiten, sind nicht gesetzlich versichert. Trotzdem haben sich von den über 549.000 gewerbsmäßigen Unternehmern in der BG Bau, nur 41.400 Betriebsinhaber freiwillig bei der BG versichert. „Die Beweggründe, warum einige Unternehmer die freiwillige Versicherung bei uns nicht abschließen, sind uns nicht bekannt“, sagt Sprecher Lucks lapidar. Tatsächlich weist die BG, lut Bauunternehmer Gerz, aktiv auf den freiwilligen Schutz hin.

Guter Schutz für Unternehmer

Offensichtlich erreichen die gesetzlichen Unfallträger ihre potenziellen Kunden aber nicht – was nicht am Preis-Leistungs-Verhältnis liegen kann. Denn es ist nicht schlecht: Aktuell können Unternehmer eine jährliche Versicherungssumme zwischen 31.500 und 78.960 Euro wählen. „Sie sollte dem tatsächlichen Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit entsprechen“, erläutert Lucks. Wer etwa 5.000 Euro im Monat verdient, kann mit einem monatlichen Bruttoaufwand von 143 Euro immerhin eine gesetzliche Unfallrente von bis zu 3.333 Euro absichern.

Der Tarifvergleich

Doppelten Unfallschutz – gesetzlich und per Firmenpolice, wie bei der Jakob Haustechnik – nutzen nach Schätzung von Branchenkennern allerdings nur wenige Betriebe. Eine Statistik gibt es nicht. Aber: Die Gruppen-Unfallversicherung scheint bei vielen privaten Assekuranzen zum Ladenhüter geworden zu sein. Das zeigt unsere aktuelle Umfrage. Wir haben Anbieter ausgewählt, die die Versicherungsmaklergenossenschaft Vema favorisiert oder die im Internet mit dem Stichwort „ Gruppen-Unfallversicherung Handwerker“ auf sich aufmerksam machen.

Hier taucht etwa Deutschlands größter Firmenversicherer Allianz auf. Doch an unserem Vergleich möchte die Assekuranz nicht teilnehmen, denn das Produktangebot werde gerade überarbeitet. Das gilt auch für die Inter Versicherung sowie die Haftpflichtkasse, die ihr „Sonderkonzept“ nicht mehr anbietet. Demgegenüber hat die Württembergische „keine Kapazitäten“ für den Test und auch der Münchener Verein sagte seine Teilnahme ab. Immerhin beteiligten sich zehn Versicherer mit elf Tarifen an der Absicherung eines fiktiven Meisterbetriebs für Sanitär- und Heizungstechnik .

Der Vergleich zeigt: Die Prämien der Firmen-Unfallpolicen variieren stark: Sie liegen zwischen knapp 1.800 Euro und fast 4.000 Euro. Auch wenn der Service der Anbieter sich je nach Tarif unterscheidet, sind die Kernleistungen vergleichbar. Eine deutliche Ausnahme macht hier das Angebot der R+V im Bereich der Gliedertaxe – das ist Leistung je verletztem Gliedmaß, wie Finger oder Fuß. Die Werte liegen deutlich über dem Marktniveau. Insgesamt sind Firmenunfallprämien – obwohl einige Assekuranzen das Geschäft derzeit ruhen lassen – verhandelbar. Das bestätigen Versicherungsmakler. Den wesentlichen Grund zeigt ein Blick ins private Unfallgeschäft: Die Sparte ist hoch profitabel. Die Schaden-Kosten-Quote liegt lediglich bei rund 80 Prozent. Pro Beitragseuro gibt es also 20 Prozent Gewinn für die Assekuranz.

Vorteile der privaten Absicherung

Die Firmenunfallversicherung kann höchst flexibel vereinbart werden. So ist der unterschiedliche Schutz verschiedener Gruppen im Betrieb in einem Vertrag möglich. Dabei können Handwerker etwa die Höhe der Versicherungssumme nach Risiko oder Mitarbeiter staffeln. Mit einer Police können sie für Geschäftsführung, Büroangestellte, Fahrer und Monteure jeweils unterschiedliche Leistungen vereinbaren. Und: Ihr Schutz setzt schon ab einem Invaliditätsgrad von einem Prozent ein. Zudem gilt er weltweit, rund um die Uhr. Schöner Nebeneffekt: Die private Unfallversicherung stärkt die Mitarbeiterbindung und die Attraktivität des Betriebs als Arbeitgeber. Das bestätigt Bauunternehmer Gerz: „Wir sind natürlich in der BG Bau und haben damit eigentlich den gesetzlichen Anforderungen Genüge getan. Doch heute muss man Mitarbeiter halten und locken.“ Daher hat Gerz nicht nur eine betriebliche Altersvorsorge eingerichtet, sondern bezahlt für alle acht Mitarbeiter eine zusätzliche private Unfallversicherung. Bis zu 150.000 Euro Einmalsumme leistet die bei der Zurich abgeschlossene Police bei Vollinvalidität nach einem Unfall. Vorab trägt die Versicherung aber auch die Bergungskosten des Verletzten bis zu einer Summe von 50.000 Euro. In ähnlicher Höhe sind kosmetische Operationen abgesichert, die die gesetzliche Krankenkasse nicht bezahlt. In seinem Tarif werden die Verletzten zudem auf Wunsch von einem Reha-Manager betreut und erhalten über das Assistance-Paket in der Genesungsphase eine Haushaltshilfe, einen Menüservice oder einen Fahrdienst zur Krankengymnastik.

Ältere Policen auf den Prüfstand

Grundsätzlich sollten übrigens ältere Firmenunfallpolicen überprüft werden. So lassen sich deutlich höhere Summen versichern, wie unser Vergleich zeigt. Zudem enthalten moderne Verträge eine stark ansteigende Leistungskurve bei schweren Verletzungen.

Diese sogenannte Progression – im Vergleich beträgt sie 350 Prozent – erhöht die Basissumme, die in unserem Tarifvergleich bei 200.000 Euro für die Geschäftsführung und bei 100.000 Euro für jeden der zehn Mitarbeiter liegt. Wer durch einen Unfall das Augenlicht an einem Auge verliert, erhält aus der Police, laut der sogenannten Gliedertaxe, die die Invaliditätswerte bestimmt, statt 60 Prozent 150 Prozent als Kapitalleistung ausgezahlt. Das heißt: Ein betroffener Monteur erhält eine Geldleistung von 150.000 Euro. Eine Entschädigung, die neben der gesetzlichen Unfallrente stehen würde. Bei Vollinvalidität erhalten der Arbeiter sogar 350.000 Euro und die Geschäftsführer 700.000 Euro.

Steuervorteil Betriebsausgabe

Beiträge zur betrieblichen Gruppen-Unfallversicherung für die Mitarbeiter und für den Unternehmer selbst sind Betriebsausgaben. Die steuerliche Behandlung aufseiten der versicherten Arbeitnehmer richtet sich danach, ob durch den Arbeitgeber ein vertraglicher Direktanspruch auf die Leistungen eingeräumt worden ist oder nicht. Ohne Direktanspruch stellen die laufenden Beiträge zur Gruppen-Unfallversicherung keinen Arbeitslohn dar und sind demzufolge auch nicht zu versteuern. Leistungen wie Verletztengeld und Rente sind grundsätzlich steuerfrei. Allerdings müssen im Leistungsfall die Beiträge rückwirkend versteuert werden. Dabei können laut der Signal Iduna 50 Prozent als Werbungskosten geltend gemacht werden.

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