Kennzahlen im Handwerk Kalkulation mit BWA: Bei Angeboten und Investitionen sicher entscheiden

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Bilanz, BWA-Kennziffern, Kalkulation, Liquiditätsmanagement und Wachstum

Trotz voller Auftragsbücher bleibt zu wenig hängen? Wer seine Zahlen im Griff hat und die Preise realistisch kalkuliert, spart sich den Frust beim Jahresabschluss und ist laut Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts erfolgreicher als reine Bauchentscheider.

Lara Droll, Geschäftsführerin des Malerbetriebs Rinderspacher
Lara Droll, Geschäftsführerin des Malerbetriebs Rinderspacher in Bretten, sichert Entscheidungen immer über die Zahlen ab. - © Christian Mader

Wie weit können wir beim Angebot der Konkurrenz mitgehen? Welchen Preis müssen wir verlangen, um auch noch die gestiegenen Materialkosten zu decken? Wie viel Umsatz brauchen wir mehr, um die Investition in neue Ausstellungs­räume wieder hereinzubekommen? Lara und Mathias Droll, Geschäftsführer im Malerbetrieb Rinderspacher in Bretten, verlassen sich bei der Beantwortung der typischen Unternehmerfragen nicht nur auf ihr Bauchgefühl: „Tatsächlich sind wir sehr schnell bei den Zahlen, wenn wichtige Entscheidungen anstehen oder wir das Gefühl haben, dass etwas nicht rund läuft“, erklärt Lara Droll.

Angebote kalkulieren: nicht unter die Schmerzgrenze gehen

Seit 2009 führt sie gemeinsam mit Ehemann Mathias den von Vater Lothar Rinderspacher gegründeten Familienbetrieb mit aktuell 25 Mitarbeitern. Im Gegensatz zu vielen Unternehmern, die ihre Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) nur grob nachvollziehen können, sind die Geschäftsführer als Betriebswirtschaftler mit den Zahlen vertraut und prüfen jeden Monat akribisch ihre BWA: „So können wir Ausreißer und Fehlentwicklungen früh erkennen und rechtzeitig gegensteuern“, weiß Lara Droll. Als etwa die Kfz-Kosten in einem Monat deutlich höher waren als sonst, genügte ein Klick auf die dank des digitalen Buchens dahinterliegenden Rechnungen, um zu erkennen, dass in dem Monat bei vielen Fahrzeugen Wartungsarbeiten anstanden.

Für das Ehepaar Droll, das sich vor dem Einstieg in den Familienbetrieb jeweils in der Industrie eine eigene Karriere aufgebaut hatte, sind die Zahlen vor allem auch ein Instrument, die Sicherheit der eigenen Entscheidungen zu erhöhen. So haben sie durch die konsequente Nachkalkulation jedes Projekts im Laufe der Zeit Richtwerte für Arbeiten entwickelt, durch die sich das Risiko einer Fehlkalkulation minimieren lässt. Die im Handwerk berüchtigte Schmerzgrenze, bis zu der sich ein Auftrag für den Betrieb überhaupt rechnet, ergibt sich im Maler­betrieb nicht aus dem Bauchgefühl der Inhaber, sondern lässt sich nach Aussage von Lara Droll durchaus exakt bestimmen. „Wir sehen dadurch sofort, wie schlimm es wirklich wird, wenn wir etwa mit dem Preis des Konkurrenten mitgehen, um einen Auftrag zu bekommen.“

Investitionsentscheidung: mehr Sicherheit durch eine zweite Meinung

Stehen im Familienbetrieb größere Entscheidungen an, holt sich das Paar gerne eine zweite Meinung ein: „Weil wir zu sehr im Tagesgeschäft drin sind“, so Lara Droll, „fehlt uns manchmal die zündende Idee, da müssen dann Heiko und Klaus ran.“ Klaus Steinseifer, Coach und Gründer der Steinseifer-Akademie, sowie sein Partner Heiko Geiger, Steuerberater und Geschäftsführer von Awicontax in Dei­zisau, unterstützen das Ehepaar seit dem Einstieg ins Handwerk bei wichtigen Entscheidungen. Als Beispiel nennt Lara Droll die Investition in eine neue Ausstellung. „Während Heiko uns vorgerechnet hat, wie viel Umsatz wir künftig mehr erzielen müssten, um die Kosten wieder hereinzubekommen, hat Klaus eher den Imagegewinn und den Nutzen zur Kundengewinnung gesehen.“ Um Investi­tionssumme und Risiko in Grenzen zu halten, einigten sich Inhaber und Coachs auf eine etwas abgespeckte Lösung und das Beantragen von Fördermitteln.

Ist das viel zitierte Bauchgefühl, auf das sich vor allem erfahrene Handwerks­unternehmer zum Teil seit Jahrzehnten verlassen, inzwischen also ein schlechter Ratgeber? Das Ludwig-Fröhler-Institut (LFI) in München hat Handwerksunternehmer dazu befragt, wie oft sie sich aktiv mit Maßnahmen zum Working Capital Management befassen und die Kennzahlen überprüfen.

Liquidität Wie oft Handwerker ihre Kennzahlen bestimmen

Gut ein Drittel der Unternehmer ermittelt laut Umfrage des Ludwig-Fröhler-Instituts in München nie oder nur in Ausnahmefällen die verfügbare Liquidität, gleiches gilt für rund 40 Prozent beim Betriebskapital und der Geldumschlagsdauer.

Liquidität Wie oft Handwerker ihre Kennzahlen bestimmen
© Quelle: Ludwig-Fröhler-Institut, München 2021

Riskantes Bauchgefühl: wer sich um die Zahlen kümmert, hat weniger Probleme

Das Ergebnis zeigt: Je besser die betriebswirtschaftliche Vorbildung der Unternehmer, desto häufiger und regelmäßiger beschäftigten sie sich auch mit ihren Zahlen, egal wie groß oder klein das Unternehmen ist. Weil mit Zahlen geführte Betriebe unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl weniger Liquiditätsprobleme und eine höhere Gesamtkapitalrentabilität haben sowie leichter an Fremdkapital kommen empfehlen die LFI-Wissenschaftler der Handwerksorganisation dringend, die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Themenbereich zu verstärken.

Steuerberater Heiko Geiger weiß von seinen Handwerkskunden und aus der langjährigen Erfahrung als Referent der Finanzseminare bei der Steinseifer-Akademie, wie zäh es teilweise sein kann, die Chefs zu einer regelmäßigen Auseinandersetzung mit ihren Zahlen zu motivieren: „Den Unternehmern ist oft gar nicht klar, was für einen Hebel sie damit haben.“ Lara und Mathias Droll etwa berücksichtigen die seit 2023 höheren Tariflöhne bereits genauso bei der Preiskalkulation wie die Mitte 2022 gestiegenen Energiepreise. Während die Industrie kräftig auf die Bremse tritt, ist die Nachfrage der Privatkunden weiterhin hoch, was Lara Droll zuversichtlich stimmt: „Wir sind gut gerüstet und aktuell ganz optimistisch für 2023.“