Fachkräfte Generation Z: Wie die jungen Unbekannten wirklich ticken

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Ausbildung und Fachkräftemangel

Sie sind selbstbewusst und wollen Verantwortung übernehmen, aber nicht um jeden Preis. Schon gar nicht auf Kosten der eigenen Work-Life-Balance und der Familie. Die aktuelle Azubi-Generation stellt viele Chefs vor ein Rätsel. Eine neue Studie zeigt, wie Chefs die Generation Z für sich gewinnen.

Dietenmeier und Harsch Haustechnik in Konstanz
Ralf Spedt (Mitte hinten), Ausbildungsbeauftragter bei Dietenmeier und Harsch Haustechnik in Konstanz, im Kreise seiner Schützlinge. - © Ilja Mess

Die besten Fachkräfte als Mitarbeiter zu gewinnen und sich so einen Wettbewerbsvorteil in der Region zu verschaffen gehörte schon bei der Gründung der Dietenmeier & Harsch Haustechnik GmbH in Konstanz zur Unternehmensphilosophie. Daran, so der Marketing- und Kommunikationsverantwortliche Gedeon Bechinger, hat sich bis heute nichts geändert. Nur der Markt sei eben ein anderer, weil sich die Jugendlichen inzwischen ihren Ausbildungsplatz aussuchen können.

Suche: Früh anfangen und alle Kanäle nutzen

Dass es der Familienbetrieb dennoch regelmäßig schafft, alle vier Ausbildungsplätze neu zu besetzen, liegt nach Aussage von Bechinger vor allem an der möglichst frühen Ansprache der Jugendlichen auf verschiedenen Kanälen. Das beginnt bereits mit Info-Vorträgen in der Schule, bei denen es nicht nur um die Berufsbilder, sondern auch um die Werte und das Selbstverständnis der Branche geht: „Wir wollen den Schülern sowie Lehrern vermitteln, was es bedeutet, Handwerker zu sein“, erklärt Gedeon Bechinger.
Wer Interesse hat, kann einen Termin für ein Praktikum im Haustechnikbetrieb vereinbaren und erste Live-Eindrücke sammeln. Mit einem Monteur als Paten durchlaufen die Praktikanten mehrere Stationen, sind integriert in die Betriebsabläufe und dürfen – unter Aufsicht – auch Aufgaben eigenständig erledigen. Zum Abschluss des Praktikums wird jeder Praktikant von „seinem“ Monteur beurteilt, danach folgt ein Abschlussgespräch, in dem die Stärken und Schwächen offen angesprochen werden. Bechinger: „Wir spulen bewusst nicht das Routineprogramm von 7 bis 16 Uhr ab, sondern wollen unsere offene Kommunikationskultur authentisch vorleben.“

Benefits: Geld spielt keine Hauptrolle mehr

Ein Weg, der auch bei der neuen Generation Z prima zu funktionieren scheint, schließlich sind auch 2019 alle vier Ausbildungsplätze vergeben. Natürlich haben Gedeon Bechinger und seine Chefs beobachtet, dass sich die Werte der aktuellen Azubi-Generation von denen der klassischen Digital Natives in vielen Punkten unterscheiden: „Leidenschaft und Spaß“, so Bechinger, „waren schon immer wichtig, doch heute zählt auch der Sinn der Arbeit – und das Geld spielt nicht mehr so eine große Rolle.“
Obwohl ein gutes Umfeld, flache Hierarchien sowie selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Arbeiten auf der Prioritätenskala inzwischen höher angesiedelt seien als der Lohn, müsse natürlich auch die Bezahlung stimmen. Zwar besteht keine Tarifbindung, dennoch zahlt der Haustechnikbetrieb übertariflich, es gibt ein 13. Gehalt und zahlreiche Benefits wie ein eigenes Smartphone, hochwertige Berufskleidung, zweimal pro Woche einen Mittagstisch mit eigener Köchin und Freikarten für Events in der Region. Wer welche Leistungen in welchem Umfang erhält, wird im Jahresgespräch festgelegt.

Führung: Regelmäßig Feedback geben

Für die Auszubildenden gibt es monatliche Feedbackgespräche mit ihrem Patenmonteur und dem Azubi-Beauftragten, die sich auch mit den Lehrern in der Berufsschule abstimmen. Darüber hinaus erhalten die Azubis Schulungen zu nicht fachgebundenen Themen wie etwa Konfliktmanagement, die der Persönlichkeitsentwicklung dienen und ihr Selbstbewusstsein stärken sollen. Stolz ist der 50 Mitarbeiter zählende Betrieb auf seine eigene App, mit der sich alle Mitarbeiter jederzeit über Neuheiten und Termine informieren können. Wer das versäumt, kann sich auf den Großbildschirmen im Aufenthaltsraum schnell auf den neuesten Wissensstand bringen. Natürlich, räumt Gedeon Bechinger ein, „ gibt es auch bei uns weniger coole Routinearbeiten“, doch die fallen eben leichter, wenn jeder die Prozesse versteht und seine Leistung regelmäßig wertgeschätzt wird.

Arbeitszeit: Klare Trennung von Arbeit und Freizeit

Wie wichtig das gerade für die Generation Z ist, aus der aktuell die meisten Auszubildenden kommen, hat der Psychologe Rüdiger Maas in der „Generation- Thinking-Studie“ herausgefunden, deren Ergebnisse 2019 als Buch im Carl Hanser Verlag (Titel: Generation Z für Personaler und Führungskräfte) auf den Markt kamen. Für die Studie haben Maas und ein Forscherteam über 2000 Jugendliche danach befragt, was sie von ihrem Arbeitgeber heute erwarten. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zur Vorgängergeneration, was den Umgang mit den Zlern für viele Chefs so schwierig gestaltet: Waren Karriere und Einkommen für die Generation Y noch sehr wichtig, legen die Zler großen Wert darauf, dass der Job mit Familie und Freunden vereinbar ist. Dabei sind ihnen im Gegensatz zur Generation Y klare Strukturen , feste Arbeitszeiten und eine deutliche Abgrenzung von Beruf und Privatleben wichtig. Bei der Auswahl des Arbeitgebers zählt vor allem ein angenehmes Arbeitsklima, das Geld ist nicht so wichtig.

Geht der ab 2020 geltenden Mindestlohn für Azubis dann nicht völlig an den Bedürfnissen der Jugendlichen vorbei? Barbara Seidl, Wirtschaftsmediatorin und Expertin für Personalführung in München, findet das keineswegs: „Die Diskussion hat dafür gesorgt, auch im Handwerk ein Stück mehr Transparenz zu schaffen, da gibt es nach meiner Erfahrung noch viel Raum für Verbesserungen.“ Schließlich verbieten viele Chefs auch heute noch ihren Mitarbeitern, dass sie sich mit den Kollegen über ihren Lohn austauschen. Daran hält sich laut Seidl jedoch niemand. Weil aber nicht klar sei, warum der eine mehr und der andere weniger verdient, führt ein solches Verhalten häufig zu schlechter Stimmung und sinkender Leistungsbereitschaft.

Entlohnung: Transparenz für ein besseres Betriebsklima

Um das zu vermeiden, rät die Expertin zur Transparenz, wie es etwa der Discounter Aldi schon bei den Azubi-Gehältern vormacht: So ist bei den Filialen von Aldi Süd an jeder Eingangstür zu lesen, dass Azubis mit Abitur 1.050 Euro im ersten Lehrjahr verdienen können, wenn sie die Ausbildung zum geprüften Handelsfachwirt absolvieren. Auch wenn das Geld nicht mehr die erste Geige bei der Berufswahl spielt, kann ein Betrieb nach ihrer Auffassung keine Spitzenleistungen erwarten, wenn er nur den Mindestlohn zahlt: „Allein der Begriff Mindestlohn suggeriert, dass man dafür auch nur das Mindeste leisten muss.“

Genauso wichtig wie eine faire Bezahlung ist nach ihrer Erfahrung ein wertschätzender Umgang. Leider trifft sie bei ihrer Beratertätigkeit immer noch auf Chefs, die sich nur dann mit ihrem Azubi beschäftigen, wenn es etwas zu kritisieren gibt. Dabei sind eine strukturierte und planvolle Einarbeitung genauso wichtig für eine erfolgreiche Ausbildung wie regelmäßige Feedbackgespräche und ein angenehmes Arbeitsklima. Zusätzlich rät die Expertin im Alltag zu kleinen Gesten, mit denen sich eine Wertschätzung auch ohne großen Aufwand ausdrücken lässt. Das kann ein gemeinsamer Besuch mit dem Team auf einer Fachmesse genauso sein wie eine besondere Geburtstagsüberraschung: „Für fast alle Jugendlichen ist der 18. Geburtstag etwas Besonderes, das kann ich als Chef mit einem (bezahlten) freien Tag doch prima unterstützen.“

Was für die Generation Z bei der Arbeit wirklich zählt
Was für die Generation Z bei der Arbeit wirklich zählt - © Generation Thinking Studie, Maas Beratungsgesellschaft 2018

Checkliste So ticken die Generation Z

Lässt sich eine ganze Generation wirklich seriös auf sechs Eigenschaften verdichten? Um über die Umfrageergebnisse hinaus noch mehr Details zu erkunden, haben Rüdiger Maas und sein Team ihre Erkenntnise mithilfe von Fokusgruppen vertieft.

  • Selbstbewusst Unabhängig vom eigenen Bildungsstand blicken die Zler positiv auf den Arbeitsmarkt. Denn sie wissen um ihre ausgezeichneten Jobchancen. Viele denken, dass eine Führungsposition auch ohne große Anstrengung von alleine kommt.
  • Familienorientiert Gefühlt haben die Zler unendlich viele Möglichkeiten, was sie aus ihrem Leben machen können. Deshalb benötigen sie Leitplanken, die sie im Rahmen der Familie finden. Die Eltern beraten und coachen sie dabei, den richtigen Weg einzuschlagen.
  • Online individualistisch Alltäglich zu sein ist komplett „out“, für die Zler zählt nur das Besondere. Wer möglichst viele der begehrten Likes bekommen möchte, muss mehr bieten als „normalen“ Content. Die Devise lautet: Vermarkte dich einzigartig, und du wirst anerkannt.
  • Offline konservativ Außerhalb der sozialen Netzwerke ist Mainstream für die Zler kein Schimpfwort, sondern durchaus erwünscht. Denn je schneller sich die Umwelt verändert, desto wichtiger sind Strukturen. Die Zler wollen ein „normales“ Leben führen und brauchen einen Rückzugsraum, in dem Normalität herrscht. Dabei werden die Wertvorstellungen der Eltern übernommen.
  • Ungeduldig Beim Kauf wollen sie das Produkt noch am selben Tag, den Film möchten sie an Ort und Stelle streamen und die aktuellsten Nachrichten im Liveticker verfolgen. Zler sind es gewohnt, ihre Bedürfnisse sofort zu befriedigen, auf Aktion folgt immer Reaktion.
  • Digital versiert Das Smartphone als dritte Hand, die Zler sind Profis in der digitalen Welt. Dafür fehlt ihnen jegliche Fantasie, wie eine Welt ohne Internet heute aussehen könnte. Die von Geburt an digitalen Zler können Inhalte blitzschnell sichten, filtern und bewerten, was ihr Lesen, Lernen und Entscheiden maßgeblich prägt.

Überblick: Die Generationen im Vergleich

Jede Generation hat ihre eigenen, oft sehr stark von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geprägten Werte.
  • Babyboomer (1950 bis 1964)
    Diese Generation wurde geprägt vom Wirtschaftswachstum und von vielen Mitbewerbern auf dem Arbeitsmarkt. Insofern waren die Babyboomer dankbar einen Job zu haben.
  • Generation X (1965 bis 1980)
    Von den Xlern, die heute im Arbeitsleben den Takt angeben, schaffte nur jeder Fünfte das Abitur. Bewerbungen wurden penibel vorbereitet. Wer eine Stelle nicht bekam, was selbst daran schuld.
  • Generation Y (1981 bis 1994)
    Die Digital Natives steigen oft spät in den Job ein und hinterfragen den Sinn ihrer Arbeit. Sie sind karriere- und leistungsorientiert, vom Arbeitgeber erwarten sie sehr viel Flexibilität.
  • Generation Z (1995 bis 2010)
    Die Digital und Social Media Natives sind super ausgebildet und finden problemlos einen Job. Freizeit, die Familie und soziale Kontakte sind aber genauso wichtig wie der Beruf.