Isocyanat-haltige Produkte Gefahrstoffe: Neue Schulungspflicht für Anwender von PU-Materialien

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Zum 24. August 2023 dürfen Beschäftigte nur noch dann mit Isocyanat-haltigen Produkten umgehen, wenn sie speziell dafür geschult wurden. Das betrifft nicht nur Produkte, die typischerweise auf dem Bau verwendet werden, sondern generell alle Betriebe, die PU-Produkte verwenden.

PU-Schäume, PU-Klebstoffe, PU-Lacke oder PU-Beschichtungen sind oft aus dem Arbeitsalltag kaum wegzudenken.
PU-Schäume, PU-Klebstoffe, PU-Lacke oder PU-Beschichtungen sind oft aus dem Arbeitsalltag kaum wegzudenken. - © HENADZY - stock.adobe.com

Die von der Neuregelung betroffenen Isocyanate – genauer: Moleküle mit zwei Isocyanat-Gruppen (= Diisocyanate) – sind die wesentlichen Bestandteile von Polyurethanen. Diese Polyurethane haben günstige Eigenschaften für Anwender, weil sie etwa Schäume bilden und sehr gut auf Oberflächen haften. Das macht sie zur Basis vieler beliebter Produkte für unterschiedlichste Anwendungen. Erkennbar sind diese oft schon an dem der Produktbezeichnung vorgestellten Kürzel PU. Je nach Handwerk und Tätigkeit werden PU-Schäume, PU-Klebstoffe, PU-Lacke oder PU-Beschichtungen genutzt und sind oft aus dem Arbeitsalltag kaum wegzudenken.

Isocyanate: So ungesund wie der Name schon klingt

Die neue Schulungspflicht kommt nicht ohne Grund. Denn Isocyanate klingen nicht nur ziemlich ungesund, sie sind es auch. Bei ungeschütztem Kontakt schädigen diese Chemikalien die Haut und die Schleimhäute. Zudem haben sie allergenes Potenzial, sie können Allergien auslösen sowie zu Nesselsucht, Kontaktekzemen und Asthma führen. Teilweise werden Isocyanate auch als giftig sowie potenziell krebserregend eingestuft. Gäbe es alternative Substanzen für den gleichen Einsatzzweck, wären Diisocyanate vermutlich längst ganz verboten.

Statt Verbot: Schulung der Anwender

Stattdessen hat die EU die Verwendung eingeschränkt. Konkret heißt das: Wenn die Konzentration unter 0,1 Gewichtsprozent liegt oder die Beschäftigten zuvor eine Schulung zur sicheren Verwendung von Diisocyanaten absolviert haben, dürfen die Substanzen weiterhin eingesetzt werden.

Tankleck setzt Isocyanate frei: Schwerste Chemiekatastrophe der Geschichte

Wer die Schulungspflicht und die Ängste vor Cyanaten als übertrieben abtut, sei an ein Chemieunglück in Indien erinnert, das 1984 als Katastrophe von Bhopal und das schwerste Chemieunglück überhaupt in die Geschichte einging. Damals waren durch einen defekten Tank rund 40 Tonnen Methylisocyanat („Bhopalunglück“) freigesetzt worden. Mehr als 2.800 Menschen verloren ihr Leben und Hunderttausende erlitten schwere Verletzungen an den Augen und Schleimhäuten. Viele Betroffene leiden bis heute unter chronischen und unheilbaren Krankheiten und jedes vierte Kind kommt in der Gegend tot zur Welt.

Schulungspflicht: In drei Stufen - je nach Tätigkeit

Die REACH-Verordnung gibt vor, dass ein Arbeitnehmer, der mit Diisocyanaten umgeht, zuvor eine Schulung absolviert haben muss. Diese Pflicht gilt für sämtliche industriellen und gewerblichen Verwendungen.

Gemäß REACH sind 3 Schulungs-Level vorgesehen:

  • Stufe I: Grundschulung
  • Stufe II: Fortgeschrittenenschulung
  • Stufe III: Aufbauschulungen

Die Schulungsstufe muss je nach Tätigkeit gewählt werden. Ein Grundlagentraining ist auf jeden Fall Pflicht. Dann kommt es auf den Anwendungsbereich an, inwiefern weitere Schulungen notwendig werden. So wäre etwa für Sprüharbeiten in einer belüfteten Spritzkabine eine Schulung der Stufe zwei notwendig, für ein Sprühen außerhalb einer belüfteten Kabine jedoch Stufe drei. Nach erfolgreichem Abschluss einer Schulung erhalten die Teilnehmer eine Bescheinigung als dokumentierten Nachweis.

Tipp: Wer nicht mühsam im Text der REACH-Verordnung oder den Dokumenten der ECHA suchen mag, findet eine Übersicht der Schulungsanforderungen je nach Tätigkeit auf den Webseiten von ISOPA, dem europäischen Fachverband der Hersteller von Diisocyanaten sowie Polyurethanen: Trainings-Matrix: Leitfaden für die Auswahl der geeigneten Schulung

In der Praxis beachten: Schulungshinweise auf Dosen und Kartuschen

Ob für das Anwenden eines bestimmten Produktes eine vorhergehende Schulung erforderlich ist, lässt sich auf den Gebinden selbst ablesen. Denn seit August 2022 muss ein solcher Hinweis auf den Produkten angebracht sein. Werden zunächst noch ältere Gebinde aufgebraucht, sollte man sicherheitshalber auf den Internetseiten der Hersteller oder Lieferanten recherchieren oder gleich direkt nachfragen.

Kostenlose Schulung per Freischaltcode

Die BG BAU verweist auf ein Online-Schulungsangebot der herstellenden Unternehmen. Hier ist die Teilnahme sogar kostenlos möglich, wenn ein Freischaltcode der BG BAU genutzt wird. Dazu muss man unter Gutschein einfach „FEICA_22_BGBAU“ eintragen. Die Schulung wird in verschiedenen Sprachen angeboten, es sollten etwa 30 bis 60 min veranschlagt werden. Weitere Infos unter: safeusediisocyanates.eu/de/ oder isopa-aisbl.idloom.events.

Wichtig: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Teilnahme seiner Mitarbeiter an den Schulungen zu dokumentieren. Alle fünf Jahre sollten die Kenntnisse aufgefrischt werden.