Elementarschaden Extreme Wetter: So geht wirksamer Elementarschadenschutz wirklich

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Wer sich gegen die wirtschaftlichen Folgen von Starkregen und Überschwemmung nicht extra versichert, trägt das volle Risiko. Die Bundesländer wollen bei Schäden durch ­extreme Wetter­lagen keine finanzielle Nothilfe mehr leisten. Großer Tarifvergleich mit Leistungs- und Prämiencheck.

Richard Möller, Optikermeister in fränkischen Ansbach, ist zufrieden mit der Schadensregulierung durch die Versicherungskammer Bayern. - © Stephan Minx

Die Anzahl und Heftigkeit von Naturereignissen haben massiv zugenommen – ein Trend, der sich verstärken wird“, sagt Professor Martin Grambow, Leiter Wasserwirtschaft und Bodenschutz im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz auf dem Naturgefahren Forum der Versicherungskammer Bayern im November.
Der Mensch muss sich vor den Folgen der Extremwetter schützen – mit einer Elementarschadenversicherung. Die Politik hat entschieden: Wer auf diesen Schutz verzichtet, hat keinen Anspruch auf Geld aus öffentlichen Kassen. Staatliche Soforthilfen nach Naturkatastrophen wird es zukünftig nur noch geben, wenn sich die Betroffenen nachweislich erfolglos um Versicherungsschutz bemüht haben. Die Regelung tritt zum 1. Juli 2019 in Bayern in Kraft, in Sachsen gibt es sie bereits, andere Länder wollen folgen.

Handwerker sollten handeln. Denn das Risiko für sogenannten Starkregen – Regenmassen auf kleinstem Raum – steigt stark an, und dieses Naturereignis kann überall auftreten, unabhängig von der Nähe zu Gewässern, die über ihre Ufer treten. Ein Beispiel: In Bruchweiler im Hunsrück gingen im Mai 2018 sagenhafte 288 Liter pro Quadratmeter (l/qm) nieder. „Das entspricht mehr als der vierfachen Monatssumme“, erläutert Meteorologe Adrian Leyser vom Deutschen Wetterdienst (DWD).Die Abwasserkanäle waren überfordert, Keller liefen voll, Wohn- und Gewerberäume wurden verdreckt. Demgegenüber kamen im gerade mal 60 km entfernten Ingelheim in Rheinhessen im Monat Mai nur 45 l/qm zusammen. „400 Liter Regen pro Quadratmeter sind derzeit überall in Deutschland möglich“, warnt der DWD. Zudem treten Starkregenfälle sehr plötzlich auf und können kaum vorhergesagt werden. Die Vorwarnzeiten sind selten länger als eine Stunde vor dem Ereignis. Nach einer Schätzung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist Starkregen mittlerweile für rund 50 Prozent aller Überschwemmungsschäden verantwortlich. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten sich die Schäden verdreifachen.

Großer Handlungsbedarf

Laut GDV sind 99 Prozent aller Immobilien gegen die Folgen von Extremwetter versicherbar. Lediglich wer in einem Höchstrisikogebiet lebt, bekommt kaum Versicherungsschutz. Tatsächlich glauben laut einer Umfrage des Gesamtverbands auch 92 Prozent der Befragten, gegen die Folgen von Extremwettern versichert zu sein. Tatsächlich haben aber 36 Prozent keine Elementarschadenversicherung. Was vielen Versicherten nicht klar ist: Eine gewöhnliche gewerbliche Inhaltsversicherung, eine Wohngebäudeversicherung und eine Hausratversicherung schützen lediglich vor Schäden durch Feuer oder Sturm. Aber nicht vor Überschwemmung oder Rückstau, die zu vollgelaufenen Kellern oder Erderosion mit starken Schäden an Gebäuden führen. Diese Schäden deckt ausschließlich die Elementarschadenversicherung (ESV).

Kaum erklärlich, dass die Schutzquoten gegen Naturgefahren in den Regionen sehr unterschiedlich sind. In Bremen haben beispielsweise aktuell 81 Prozent der Gebäudebesitzer ihren Schutz nicht auf Elementarschäden erweitert. Auch in Niedersachsen liegt die Quote der Nichtversicherten bei hohen 80 Prozent. Im Bundesschnitt sind 59 Prozent aller Immobilien nicht geschützt.

Absicherung im Gewerbe gering

Wichtig für Handwerker: Nur, wenn das Gebäude zu mehr als 50 Prozent privat genutzt wird, kann es in vollem Umfang über eine private Immobilien- und Hausratversicherung plus Elementarschutz abgesichert werden. Bei höherem gewerblichem Anteil sind ein Firmen-Gebäudeschutz und eine Inhaltsversicherung plus Elementarschutz notwendig. Die Gebäude- und Inhaltsversicherung deckt neben Brand, Blitzeinschlag oder Leitungswasserschaden zwar auch Sturm und Hagel ab – aber eben keine Hochwasserschäden und Starkregenfolgen. Christopher Leifeld vom Vergleichsportal Gewerbeversicherung24 schätzt, dass vielen Gewerbetreibenden dieser Schutz fehlt. „Bei Betrieben dürfte der Anteil der Immobilien ohne Elementarschutz höher sein als bei Wohngebäuden.“

Schnelle Hilfe Im Schadenfall

Handwerker sollten bei ihren Maklern nachfragen, ob Schutz besteht – es geht um die Absicherung ihrer Existenzgrundlage. Denn im schlimmsten Fall kann Starkregen das Haus oder die Werkstatt unterspülen und einen Erdrutsch auslösen, also einen Totalschaden verursachen. Nicht immer kommen Betroffene mit einem „blauen Auge“ davon, wie am 10. Mai 2018 in Ansbach. Ein Starkregen ging über der Regierungshauptstadt Mittelfrankens nieder. Schlamm und Geröll rutschten von den Hängen, die Kanäle waren vielerorts von den Wassermassen überfordert. So auch am Martin-Luther-Platz. Dort lief das Wasser in die angrenzenden Gebäude – und in das Brillen- und Contactlinsen-Geschäft „Rosset“ von Optikermeister Richard Möller.

„Obwohl der Abfluss nur zwei Meter vom Geschäft liegt, konnte er die Wassermassen durch den Starkregen nicht aufnehmen“, erzählt Möller. Zudem liegt das Ladenlokal etwas abschüssig, das Wasser floss ins Geschäft und stand dort schließlich fast 15 Zentimeter hoch. „Innerlich habe ich mich schon auf Ärger mit der Versicherung eingestellt“, erinnert sich Möller. In der Vergangenheit sei nicht immer alles glatt gelaufen. „Die Holzpodeste und Einbauten haben wir teilweise 2001 erstellt und 2014 renoviert. Da war fraglich, ob wir für alles noch eine Rechnung haben“, erläutert Möller. Doch die Versicherungskammer Bayern reguliert den Schaden nach kurzer Besichtigung einfach pauschal . Sie bietet etwas mehr als 3.000 Euro an. Möller: „Damit und mit der schnellen Abwicklung war ich voll zufrieden. Ein wenig ist bei mir zwar hängengeblieben. Aber ich wollte am Schaden ja nicht verdienen.“ Insgesamt ist Möller froh, von Axel Uhlmann gut beraten worden zu sein. Der Vermittler hatte ihn eigens darauf hingewiesen, dass in allen klassischen gewerblichen Inhaltsversicherung für Firmen keine Überschwemmungsschäden durch Starkregen abgedeckt sind. „Ich habe den Schutz dann bewusst erweitert, obwohl ich gedacht habe, da passiert ja doch nichts.“ Nun ist Möller froh, richtig entschieden zu haben.

Tarifvergleich in zwei RisikoZonen

handwerk magazin hat anhand von zwei Musterimmobilien untersucht, ob und zu welchen Konditionen Handwerker Elementarschutz erhalten können. Die abgesicherten Risiken sind bei allen Anbietern gleich – und werden nur im Paket angeboten: Schäden durch Überschwemmungen durch Gewässer oder Starkregen, Rückstau in Kanälen und Rohren, Schneedruckauf dem Hausdach, Erdrutsch, Lawinen, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Die ausschließliche Absicherung gegen eine ausgewählte Naturgefahr ist nicht möglich. Musterbetrieb ist eine Bäckerei, die in den Risikozonen 1 (geringes Risiko) und 3 (hohes Risiko) ansässig ist. Über 99 Prozent aller 19 Millionen Immobilien in Deutschland liegen in diesen Zonen, und rund 97 Prozent aller Schadenfälle treten dort auf. Den Vergleich führte das Portal Gewerbeversicherung24 bei 15 Vertragspartnern durch, hinzu kamen Anfragen bei Versicherern, die mit dem Handwerk verbunden sind.

Guter Schutz zu guten Konditionen

Ein Ergebnis des Tarifvergleichs: Das Sparpotenzial ist enorm – sowohl bei Gewerbe-, Inhalts- als auch bei Wohnimmobilien. So schwankt die Basisprämie für die Wohngebäudeversicherung in risikoarmen Zonen zwischen 588 Euro und 1.499 Euro. Der Aufschlag für den Elementarschutz liegt zwischen 109 Euro und 326 Euro. Bei hoher Risikolage sind die Unterschiede noch krasser: Die Prämien schwanken zwischen 473 Euro und 1.329 Euro. Kommt der Elementarschutz obendrauf, kann die Prämie im Hochrisikogebiet bei bis zu 4.500 Euro liegen.Nicht alle Versicherer bieten einen Selbstbehalt von 2.500 Euro an, wie ihn der Tarifvergleich fordert. Höhere Selbstbehalte wirken sich günstig auf die Prämie aus. Und: Verzichtet die Versicherung auf den Einwand der „groben Fahrlässigkeit‘, erhöht das zwar potenziell die Prämie, sichert aber eine schnelle Schadenregulierung. Grobe Fahrlässigkeit ist das am häufigsten angeführte Argument einer Versicherung, um eine Zahlung zu verweigern.

Tipp für Handwerker: Fragen Sie Elementarschutz nicht nur bei einem Versicherer an, holen Sie besser mehrere Angebote ein. Zwei Versicherer bei einem Schadenereignis machen die Handhabung zwar aufwändiger, aber die Prämienersparnis kann hoch sein. Und Versicherungsmakler Johannes Brück aus Düsseldorf sagt: „ Prämien sind Verhandlungssache. Gehen Sie ruhig vor der Kündigung mit dem Konkurrenzangebot zum alten Anbieter.“ Viele Assekuranzen würden dann ihr Angebot nachbessern.

Checkliste: Wichtige Klauseln für Handwerker

Versicherungsberater Andreas Kutschera aus Mönchengladbach sagt, auf welche Details Handwerker achten sollten, wenn sie eine Elementarschadenversicherung abschließen. Denn: Es sind die Details, die über eine schnelle Regulierung im Schadenfall entscheiden.

  • Gebäudebeschädigung ohne Überflutung des Grundstücks: Eine Überschwemmung des Grundstücks ist möglich durch Regen, das Ausufern von Gewässern oder den Austritt von Grundwasser durch diese Ursachen. Oder es kommt zu einem Rückstau aus Abwasserrohren. Aber: In den Bedingungen heißt es oft, dass das Oberflächenwasser zur Überflutung führt. Bei Grundstücken mit 100-prozentiger Bebauung geht das gar nicht. Der Schaden am Gebäude entsteht zeitlich nachgelagert. Wer ein solches Grundstück hat, sollte sich von seinem Vermittler oder Versicherer bestätigen lassen, dass auch die Gebäudebeschädigung ohne Überflutung des Grundstücks versichert ist.
  • Gelagerte Gegenstände und Maschinen werden durch eine Inhalts- oder Inventarversicherung abgesichert. Ergänzen Sie den Schutz gleichzeitig um Elementarschäden.
  • Betriebsstilllegung ist nicht versichert: Eine Elementarschadenversicherung deckt Schäden am Gebäude und Inventar sowie Kosten für Aufräum- und Säuberungsarbeiten. Keinen Schutz haben Handwerker aber, wenn ihr Betrieb infolge der Überschwemmung stillsteht und Löhne weiterhin gezahlt werden müssen. Sie sollten zusätzlich eine Betriebsunterbrechungsversicherung abschließen, die die Gefahr der Überschwemmung mit umfassen muss. Dann ist der Vermögensschaden durch entgangenen Gewinn abgesichert.
  • Streitquelle Wertermittlung: Der Wert von Gebäude und Inventar muss richtig ermittelt sein. Makler oder Berater sollten sich vor Ort ein Bild über das Gebäude und den Inventarwert machen und mit dem Handwerker zusammen den Versicherungswert ermitteln. Daraus bemisst sich die Prämie. In einem aktuellen Streitfall hat ein Makler aus Süddeutschland in Nordrhein-Westfalen ein Gebäude versichert – mit dem Doppelten des tatsächlichen Wertes und somit auch mit der doppelten Prämie. Er war nicht vor Ort und hat sich ansonsten auch nicht um die Angelegenheit gekümmert. Nun klagt der Versicherungsnehmer.
  • Richtig handeln im Schadenfall: Handwerker sollten ihren Makler oder Berater anrufen – nicht den Versicherer. Bei größeren Schäden sollten sie ein sogenanntes Sachverständigenverfahren verlangen. Dabei wählen der Handwerker, in Vertretung sein Berater, und der Versicherer jeweils einen Sachverständigen aus. Gleichzeitig wird ein Obmann benannt. Der schlichtet, wenn sich die beiden Experten nicht einigen können. Wichtig ist daher, dass die Sachverständigenkosten mitversichert sind.