Building Information Modeling BIM: Aktuell hapert es an der Umsetzung

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Auftragsabwicklung, BIM, Digitalisierung und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Eigentlich bietet BIM jede Menge Chancen. Doch bei der Umsetzung von Theorie in die Praxis hapert es gehörig. Vom vielbeschworenen BIM-Zeitalter ist man aktuell ein gutes Stück entfernt. So ist die aktuelle Lage.

BIM
Building Information Management, also die BIM abgekürzte Planung, Erstellung und Nutzung von Bauprojekten auf der Basis von Datenmodellen - © LaCozza - stock.adobe.com

Die politische Beschlusslage ist eindeutig: Building Information Modeling, also die BIM abgekürzte Planung, Erstellung und Nutzung von Bauprojekten auf der Basis von Datenmodellen, soll schnellstens Standard werden. Und 2020 ist dafür ein ganz wichtiges Jahr. Bei der Umsetzung hapert es indes gehörig, sodass der Bau- und Ausbau-Mittelstand bislang „wenig bis gar nichts“ sieht vom vielbeschworenen BIM-Zeitalter.

Im Gegenteil gebe es Stillstand, teils sogar Rückschritte und mangelndes Interesse an der neuen Methode, kritisiert etwa Martin Dossmann, der Hauptgeschäftsführer von Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz. Ihn ärgert die „ Doppelmoral gerade der öffentlichen Auftraggeber sehr“, die zwar fordern, BIM einzusetzen, jedoch selbst damit nicht vorankämen. Aus seiner Sicht müssten Bund und Länder „ganz klar vorwegmarschieren“. Erst dann werde sich die „Zurückhaltung“ bei den Unternehmen legen.

Die Hoffnung: BIM ist effizienter und schneller

Dabei wird BIM von staatlicher Seite als bedeutendes Element herausgestellt, damit das Bauen effizienter und schneller wird. Wenn man ein Hoch- oder Tiefbauprojekt zunächst in allen Details und mit Computerunterstützung plant und dies unter möglichst allen Beteiligten abspricht und auf „Kollisionen“ überprüft, soll die eigentliche Erstellung deutlich problemloser über die Bühne gehen. Das Datenmodell kann zudem das Betreiben des Bauwerks und selbst seinen Abriss erleichtern. So die Theorie der Methode, die von unzähligen Expertengruppen zur Nutzung empfohlen worden ist. Nicht zuletzt deswegen hat es BIM auch als Thema in mehrere Koalitionsvereinbarungen „geschafft“: Baden-Württemberg sieht es seit 2016 als Teil der Digitalisierungsstrategie, Hamburg seit 2019. Nordrhein-Westfalen hat 2017 festgelegt, für Vergaben werde BIM ab 2020 „verpflichtend“ festgeschrieben und man strebe insgesamt bei dem Thema eine „Vorreiterrolle“ an. Seit vergangenem Jahr will Sachsen „die Einführung digitaler Planungsmethoden (BIM) in der Straßenplanung vorantreiben“. Der Bund hat sich vorgenommen, „die Digitalisierung des Planens und Bauens in der Wertschöpfungskette Bau“ zu fördern. „Dazu gehört die Weiterentwicklung von BIM für alle Planungs- und Baudisziplinen. Bei Baumaßnahmen des Bundes wollen wir BIM verstärkt zum Einsatz bringen.“ In diesem Jahr läuft das „Zielniveau I“ innerhalb eines 2015 bekanntgemachten Stufenplans aus mit einer „ansteigenden Zahl von Verkehrsinfrastrukturprojekten“. Anschließend sollen „alle Projekte mit geringem und mittlerem Komplexitätsgrad“ verbindlich per BIM erstellt werden.

Die Praxis: Bislang wenig Nachfrage

Alltag auf dem Bau ist dies absolut noch nicht. „Von außen kommt nichts“, meint Oliver Schilden, geschäftsführender Gesellschafter im Mönchengladbacher Bauunternehmen Ernst Kreuder. Das 80-Mann-Unternehmen hat sich schon seit 2016 IT-technisch und mit einem BIM-Koordinator „BIM-fit“ gemacht. Viel Zeit und Geld habe man dafür aufgewendet bis hin zum gerade laufenden Wechsel der Software. „Wir nutzen die Methode intern mit Erfolg für unsere Kalkulation, um früh ein qualifiziertes Angebot zu erstellen. Die daraus resultierenden Leistungsverzeichnisse stellen wir dann Nachunternehmern zur Angebotsbearbeitung zur Verfügung. Außerdem können wir die Daten für die Arbeitsvorbereitung und die Materialdisposition sowie für das Controlling verwenden.“ Von außen wurde Kreuder diese Leistung bislang nur einmal aktiv abverlangt – bei einem Bürogebäude, das gerade fertiggestellt wurde. Allerdings kam es da zu „einem massiven Bruch“: In der Ausführungsphase musste man wieder „ins analoge Zeitalter“ zurück, weil die betrauten Firmen die neue Methode nicht anwenden konnten. Dieser Sachstand sei absolut unbefriedigend, stellt Schilden klar. Er drängt daher vor allem Politik und Ministerien, ihren Postulaten in Richtung BIM endlich Taten folgen zu lassen, hat aber ernüchtert erkennen müssen: „Die sind noch bei der Grundlagenermittlung!“ Das Gleiche gelte für die meisten Architekturbüros und auch für die Zulieferer. 

Baugewerbe: "Noch großer Nachholbedarf bei der öffentlichen Hand"

Die Bringschuld der öffentlichen Hand sieht auch Heinz G. Rittmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer von Baugewerbe.NRW. Er habe allerdings Zweifel, dass sie dieser Aufgabe nachkomme. „Es gibt erheblichen Nachholbedarf bei den Mitarbeitern wie bei der Ausstattung.“ Das Land verharre daher „auf der Diskussionsebene. Bei den Kommunen sieht es nahezu überall ganz düster aus. Aber gerade die vergeben ja das Gros der Aufträge für den Mittelstand.“

Impulse könnten von gewerblichen und industriellen Investoren kommen, die die Vorteile der Methode nutzen wollten, stimmen Rittmann und Rudolf Müller überein. Sie müssten dann im Handwerk mit den „Pionieren“ zusammenarbeiten – neben Firmen wie Kreuder beispielsweise viele Zimmereien, die beim computergestützten Abbund schon lange mit Datenmodellen umgehen. Müller, Technologie- und Innovationsberater der Handwerkskammer Koblenz, ist überzeugt, dass Industrie, Handel und zum Beispiel Wohnungsunternehmen „viel schneller zu BIM greifen werden als der Staat“. Dem fehle aktuelle Technik und qualifiziertes Personal. Ergänzend verweist Martin Dossmann darauf, dass die Landesstraßenbauverwaltungen sich bisher mehr auf die Umstrukturierung hin zur Bundesautobahngesellschaft konzentrierten als auf BIM.

Ebenfalls deutlich enttäuscht zeigt sich Dominik Steuer von der Steuer Tiefbau GmbH in Blumberg im Schwarzwald. Die sei mit ihren 15 Beschäftigten „ seit acht Jahren BIM-fähig, aber wir haben bis heute kein BIM-Modell von außen bekommen. Die Marktpartner ziehen nicht mit. Wir stehen daher alleine“, beklagte er sich Mitte Februar auf der Messe „digitalBAU“ in Köln.

Öffentliche Hand: "Kritik nicht nachvollziehbar"

Derlei Kritik können Vertreter der öffentlichen Hand nicht nachvollziehen. Von Hamburg über Berlin und Düsseldorf bis in den Süden verweisen sie auf viele Dutzend Pilotprojekte, mit denen man die Methode BIM erproben und auf hiesige Verhältnisse anpassen wolle. Die Spanne reiche dabei von längeren Autobahnstrecken bis zu kleineren Kanalsanierungen oder zu Hochbauten. Baden-Württemberg beispielsweise hat bereits 2018/19 bei einem fünf Kilometer langen Landesstraßenabschnitt einen Probelauf absolviert. Hinzu kämen, so die Vertreter von Bund und Ländern, mannigfache Aktivitäten, um die gemachten Erfahrungen „in die Fläche zu bringen“ und Planungs- wie Bauunternehmen zu ertüchtigen. Quasi jedes Bundesland hat inzwischen ein oder mehrere Cluster und „Competence Center“, es gibt eine große Zahl von Tagungen, Beiräten, Lehrgängen, Erfa-Gruppen und Plattformen und es werden Förderprogramme in Sachen Digitalisierung aufgelegt. Bei alldem würden „selbstverständlich“ die kleinen und mittleren Unternehmen besonders berücksichtigt.

„Gut und schön“ sagen dazu viele in der Bau- und Ausbaubranche. Zum einen bezieht sich die BIM-Nutzung bei den „Piloten“ häufig nur auf den Planungsteil, nicht aber auf die Ausführung. Zum anderen müsse man bei der Fülle von Aktivitäten aufpassen, dass nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird und dass es nicht zu einer Überorganisation kommt. Die Tatsache, dass Ende Januar vom Verkehrs- und vom Bauministerium in Berlin ein Kompetenzzentrum „BIM Deutschland“ gestartet wurde im gleichen Haus und mit dem gleichen Geschäftsführer wie „planen bauen 4.0“, das schon seit mehreren Jahren die „nationale Plattform“ und das „Kompetenzzentrum“ sein soll, hat diesen Argwohn noch einmal angestachelt. Auch die FDP im Bundestag sieht „Parallelstrukturen“ und „undurchsichtige Zuständigkeiten verschiedener Ministerien und parallel aufgebauter Kompetenzzentren“ und vermisst „konkrete Resultate der wenigen Pilotprojekte“.

Kurzüberblick: Was ist BIM?

BIM ist eine ganzheitliche und auf Kooperation bauende Arbeitsmethode zur Planung, Kalkulation, Errichtung, Bewirtschaftung und zum Rückbau von Hoch- wie Tiefbauvorhaben – also für deren gesamten Lebenszyklus. Basis und Ergebnis der Anwendung dieser Methode ist ein computergestütztes, digitales Bauwerksmodell mit zahlreichen Fachmodellen in fünf Dimensionen (d.h. Inkl. Zeit und Kosten) und vielfältigen Informationen zum Bauwerk und zu seinen Teilelementen (z.B. Lieferant, verwendete Materialien, Maße, Schall- und Wärmeschutzwerte). In einem frühen Projektstadium sollen bereits alle Beteiligten einbezogen werden und ihre Anforderungen und Vorschläge komplett einbringen, um nach Kollisionsprüfungen die Realisierung des Vorhabens im Vergleich zu heute zu beschleunigen und zu „glätten“. Gerade darin sehen Kritiker allerdings eine Gefahr für die bei uns bisher übliche Trennung von Planen(den) und Bauen(den) sowie Probleme mit den Vergabeordnungen.

Wie finde ich die passende Softwarelösung für meinen Betrieb?

  • Grundlegend ist: eigene Prozesse/Abläufe sowie Aufgaben und deren Erledigung analysieren und optimieren
  • Überlegen: „Wo will ich in drei Jahren mit meinem Betrieb in puncto Digitalisierung stehen?“, also Bedarfe und mittelfristige Strategie klären
  • Beratung z.B. durch Kammer oder Fachverband nutzen
  • Vorhandene Tools auf eventuelle ungenutzte Reserven überprüfen und updaten
  • Bei Bedarf Marktübersicht verschaffen und „passende“ zusätzliche/neue Software auswählen. Heilsversprechungen der Softwareanbieter dabei sehr kritisch gegenüberstehen
  • Über Fördermöglichkeiten informieren, diese nutzen
  • Bewusst sein, dass Schnittstellen zwischen den einzelnen Tools („Insellösungen“) erhebliche betriebsindividuelle Anpassungen „per Hand“ nötig machen werden
  

Wie bereite ich mich auf Ausschreibungen, die BIM voraussetzen, vor?

  • Unternehmen digitalisieren (mit Planungs- und Kalkulationssoftware, Tablets und Smartphones, Zeiterfassung, Formular- und Dokumentenmanagement in Richtung digitale Bauakte, Geräte-, Lager- und Personalmanagement, Aufmaßsysteme, Drohnen, …)
  • Dabei in kleinen, sanften Schritten vorgehen, um tatsächlich alle Mitarbeiter mitzunehmen und keinen zu überfordern. Ziele und Zwischenschritte kommunizieren, Unterstützer im Team suchen, Anregungen erbitten und aufgreifen
  • Beratung/Unterstützung z.B. durch Kammer oder Fachverband nutzen
  • Sich intensiv über BIM informieren (Info-veranstaltungen, Lehrgänge, Kollegenbetriebe; Ergebnisse der bisherigen Pilotprojekte)
  • Über Fördermöglichkeiten informieren, diese ausnutzen
  • Betrieb an leistungsfähiges Breitbandnetz anschließen
  • BIM-fähigkeit der vorhandenen Softwarelösungen überprüfen bzw. diese erweitern und Schnittstellenprobleme zwischen Einzellösungen ausräumen; bei Bedarf Neuanschaffung und sich darin einüben. Bei Neuanschaffungen Heilsversprechungen der Anbieter sehr kritisch gegenüberstehen
  • Bei einfachen Projekten „nebenbei“ bisheriges BIM-Wissen einsetzen und verfeinern, also die Projekte parallel zur konventionellen Erstellung digital modellieren und die gewonnenen Daten z.B. für Mengen- und Zeitermittlungen nutzen
  • Marktpartner einbeziehen (Großhändler, Industrie, Architekten, Groß-/Stammkunden usw.)