Nebenberuflich selbstständig: So gründen Sie Ihr eigenes Business ohne Risiko

Langsam starten oder direkt ins kalte Wasser springen? Drei Gründer und eine Expertin berichten, wie sie nebenberuflich selbstständig gestartet sind und ihre ersten Kundinnen und Kunden gewonnen haben. Wie Gründen im Nebenberuf gelingt. Moritz Bacher, Zimmerer aus Rosenheim, ist nebenberuflich selbstständig und hat ein florierendes Business aufgebaut. Mit einem Korkenzieher fing alles an. Moritz Bacher, gelernter Zimmerer, war auf der Suche nach einem passenden Geschenk für eine Freundin. Kaufen wollte er nichts, also ging er in die Werkstatt, um sich inspirieren zu lassen. Neben der Holzkiste standen ein paar zerbrochene Skateboards – da hat es Klick gemacht: Aus mehreren zusammengeklebten Schichten sägte und schliff er einen Korkenzieher. Alle waren begeistert, und so machte er weiter. Und heute – fünf Jahre später – ist daraus eine erfolgreiche Nebentätigkeit geworden. Vom Feierabendprojekt zur nebenberuflichen Selbstständigkeit Nächstes Jahr plant er den kompletten Schritt in die Selbstständigkeit. „Basteln und Skaten waren schon immer meine Hobbys“, erzählt der 37-Jährige aus dem oberbayerischen Rosenheim und strahlt, weil er beides vereinen kann. Zunächst absolvierte er eine Zimmererlehre und studierte danach Holztechnik, doch der anschließende Bürojob in einem großen Betrieb erfüllte ihn nicht. Daher verbrachte er nach Feierabend immer mehr Zeit in seiner eigenen Werkstatt: Arbeiten mit altem Holz, Upcycling ausrangierter Möbel – das ist genau seins. Die ersten Teile verkaufte er im Freundeskreis, dann über Kleinanzeigen und Instagram unter dem Account @2ndlife_mfr. Der Durchbruch dort gelang ihm mit Making-of-Videos, in denen er zeigt, was man aus Skateboards alles machen kann. Die Boards sind aus sieben Schichten eng gewachsenem kanadischem Ahorn unter hohem Druck zusammengepresst“, beschreibt Bacher, „das macht sie zu einem robusten Rohstoff. Und da die Bretter in unterschiedlichen Farben imprägniert sind, kommt es zu dieser einzigartigen Optik.“ Sein Bestseller sind die Schuhlöffel – ihr Schwung ergibt sich aus der natürlichen Boardform. Für alle weiteren Produkte sägt er die geraden Teile aus und klebt sie zu Blöcken zusammen, die er weiterverarbeitet. Upcycling und nachhaltiges Interieur Die Zeiten, in denen er die gedrechselten Schalen, Kleiderhaken und Upcycling-Möbel nachts produziert hat, sind längst vorbei. Um seiner Leidenschaft in Ruhe nachgehen zu können, hat er inzwischen seinen Vollzeitjob gekündigt und eine Drei-Tage-Woche bei einem Spielplatzbauer vereinbart. Mit seiner Selbstständigkeit verdient er so gut, dass er sich 2026 komplett darauf konzentrieren möchte. Seinen Umsatz macht er zum einen mit den Produkten selbst. Zum anderen ist er als Influencer ein begehrter Kooperationspartner für Firmen geworden: Auf Instagram zählt er 64.700 Follower. Reels, wie das Making-of-Video eines schmalen Sideboards aus altem Eichenholz, hat der Algorithmus so oft ausgespielt, dass es weltweit über sieben Millionen Mal geklickt wurde. „Den ersten Kooperationspartner, einen Arbeitskleidungshersteller, hatte ich selbst angefragt. Ich dachte, mehr als nein sagen können sie nicht.“ Sein Mut wurde belohnt, er bekam eine Zusage. Weitere Partner wie ein Eisenwarenhersteller und eine Holzölmarke folgten. Mit den Holzbearbeitungswerkzeugen der Marke Kirschen entwarf er sogar eine eigene, limitierte Stechbeitel-Kollektion. Die Griffe? Natürlich aus upgecycelten Skateboards. Wer nebenberuflich selbstständig startet, braucht Ausdauer All das organisiert Bacher selbst. Nur für die Finanzen nimmt er sich jetzt eine Steuerberaterin, auch um zu erfahren, inwiefern er seine nebenberuflichen Einkünfte dem Finanzamt mitteilen muss. Bachers Tipp für angehende Selbstständige: „Fangt einfach an, habt keine Scheu und holt euch Hilfe, wenn ihr sie braucht. Wenn ihr für etwas wirklich brennt, macht es, lasst euch nicht entmutigen und bleibt dran!“ Dranbleiben ist tatsächlich eine der wichtigsten unternehmerischen Fähigkeiten, bestätigt Maren Jopen, die mit ihrem Beratungsunternehmen Jopenau seit vier Jahren Frauen auf ihrem Weg in die nebenberufliche Selbstständigkeit begleitet. Worauf es ankommt, weiß sie aus eigener Erfahrung. Vor gut 15 Jahren hatte die Marketingexpertin ihre Konzernkarriere an den Nagel gehängt und mit ihrem Vater zum ersten Mal selbst gegründet. Gemeinsam brachten sie Strafgefangenen bei, wie sie nach der Haft ein eigenes Unternehmen auf die Beine stellen. Trotz anfänglicher Hürden blieben sie dran und waren letztlich sehr erfolgreich. „Nach ein paar Jahren wackelte die Kompassnadel bei mir wieder“, erinnert sie sich. Während sie das Sozialunternehmen mit ihrem Vater nach einem bereits existierenden Vorbild aus den USA gegründet hatte, wusste sie diesmal nicht so genau, wohin ihr Weg gehen würde. Sie entwickelte eine Vorgehensweise, die sie heute erfolgreich an ihre Kundinnen weitergibt: „Ich fange erst mal mit der Zielgruppe an, unabhängig vom Produkt oder der Dienstleistung." Nebenberuflich selbstständig: 6 Top-Tipps von Maren Jopen Die Expertin für Geschäftsidee-Entwicklung, Selbstmanagement und Marketing hat sechs Tipps für alle, die sich (nebenberuflich) gerne selbstständig machen möchten. Dazu zählt es auch, zu wissen, wie man gerne leben möchte. Maren Jopen, Unternehmerin und Inhaberin der Gründungsberatung Jopenau. Starten Sie mit dem, was Sie habenKonzentrieren Sie sich auf Ihre Fähigkeiten und die Materialien, die Sie haben. Statt einer aufwendigen Website reicht eine digitale Visitenkarte z. B. auf LinkedIn oder Instagram – und das direkte, persönliche Zugehen auf potenzielle Kunden. Priorität vs. ZeitpunktDen richtigen Zeitpunkt fürs Gründen gibt es nicht. Irgendwas ist immer und kommt dazwischen. Deshalb: Planen Sie vier bis sieben Stunden pro Woche fix ein und legen Sie los. ZielgruppeKennen Sie Ihre Zielgruppe, ihre Sorgen und Bedürfnisse im Schlaf? DranbleibenZu den Höhen gehören auch Tiefen. Dranbleiben! Erscheinen Sie regelmäßig auf der Trainingsmatte und passen Sie Ihr Angebot immer wieder an. WarumKennen Sie Ihr Warum. Nur wenn Sie wissen, welches Leben Sie leben wollen, haben Sie die Motivation, dranzubleiben. Offen seinRennen Sie nicht immer wieder gegen die gleiche Wand. Neues ausprobieren, offen sein für Inspirationen – das gehört zurSelbstständigkeit dazu. Keine absolute Perfektion nötig "Die Zielgruppe sollte man richtig gut kennen: Welche Probleme hat sie und welche Lösung biete ich ihr an?“ Auch sie selbst hatte zunächst nur eine grobe Idee – und überlegte: „Mit wem möchte ich arbeiten, wo drückt der Schuh bei Frauen, die sich wie ich selbstständig machen wollen?“ Dazu sprach sie mit rund 20 Frauen aus ihrem Netzwerk, entwickelte eine sogenannte Persona, eine symbolische Gruppe von Nutzern, und baute eine Website mit einem Baukastensystem. Das Angebot: ein Online-Kurs fürs Selbstständigmachen neben dem Hauptjob. Es folgte eine Online-Launch-Party, nach der tatsächlich 30 Frauen ihren Kurs buchten. Erst dann, nach dem ersten Umsatz, kaufte sie sich Mikro und Kamera und produzierte den Kurs Woche für Woche vor. „Dieses Vorgehen ist kontraintuitiv“, sagt Jopen, denn viele machen den Fehler, dass sie erst alles perfekt fertig machen wollen, ehe sie in die Sichtbarkeit gehen. „Dabei ist es ganz wichtig, das Angebot so schnell wie möglich zu testen und mit den Kontakten zu starten, die man hat, um dann offen zu prüfen: Treffe ich einen Nerv? Funktioniert das?“ Wenn das der Fall ist, kann man auch seine Haupttätigkeit nach und nach reduzieren. Auf diese Weise umschifft man größere finanzielle Risiken, vor denen sich laut ihrer Umfrage 70 Prozent am meisten fürchten. Struktur hilft, wenn man nebenberuflich selbstständig durchstartet Auch Selbstzweifel sind ein weit verbreitetes Thema: Kann ich das? Ist die Selbstständigkeit etwas für mich? Jopen ermutigt: „Das ist ganz normal. Jeder von uns kennt dieses Gefühl zu Beginn eines neuen Jobs. Und irgendwann erkennen wir: Die anderen kochen auch nur mit Wasser.“ Dieses Bild greift sie in ihrem Coaching auf: „Jeder von uns hat viele Fähigkeiten, die für die Selbstständigkeit wichtig sind, und mit diesen füllen wir den Wasserkocher.“ Das kann Verhandlungsgeschick sein, Empathie, Durchhaltevermögen, Kreativität oder lösungsorientiertes Denken.Danach gilt es: einen konkreten Plan und Routinen entwickeln! „Gerade, wenn wir wenig Zeit haben, sind feste Zeitfenster wichtig – vier bis sieben Stunden die Woche“, weiß Jopen. „Unsere Teilnehmerinnen sind immer wieder verblüfft, wie viel sie in kurzer Zeit schaffen, wenn sie dranbleiben.“ Aus ihrem kleinen dreiwöchigen Kurs von vor vier Jahren ist inzwischen eine fünfmonatige Masterclass geworden. „Die Menschen kommen zu uns fürs Wissen und bleiben wegen der Community“, sagt sie. Neben den Online-Trainings gibt es regelmäßige Live-Termine und kleine Gruppen. Wie wichtig das gemeinsame Arbeiten an Herzensthemen ist, hat sie selbst erfahren: Vor eineinhalb Jahren kam ihre Schwägerin Katharina Schulz mit dazu, gemeinsam leiten sie die Jopenau in Dießen am Ammersee und haben auch ein kleines Team, darunter eine Steuerberaterin und eine Expertin für Sichtbarkeit, damit die Teilnehmerinnen alles mitbekommen, was es fürs Gründen braucht. Katrin Dias Castanheira, Raumausstatterinaus Bergisch Gladbach. Eigene Fähigkeiten kennenlernen Über 100 Frauen haben sich inzwischen mit ihrer Begleitung selbstständig gemacht, eine von ihnen ist Katrin Diaz Castanheira. Die Raumausstatterin aus Bergisch Gladbach hatte eigentlich ganz andere Pläne, wollte den Betrieb übernehmen, in dem sie 16 Jahre gearbeitet hat. Doch ihr Chef konnte nicht loslassen. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass es mir nicht mehr gut geht und ich meinen Gestaltungsspielraum zurückhaben und mich entfalten möchte.“ Ein eigenes Business war schon immer ihr Traum. Auf Instagram entdeckte sie eine Anzeige von Jopenau – und der Funke sprang über. Das alte Denken von „selbst und ständig“ wollte die 41-jährige Mutter nicht mehr weiterleben, dieses Mindset fand sie hier. „Das Coaching hat mir so viel Power gegeben, dass ich den Entschluss gefasst habe, meinen eigenen Weg zu gehen“, erzählt Dias. „Ich habe eine Klarheit bekommen, die ich vorher so nicht hatte, und wurde mir all der Fähigkeiten bewusst, die ich habe.“ Im letzten Sommer trennte sie sich von ihrem ehemaligen Arbeitgeber und startete nach einer kurzen Pause mithilfe des Gründungszuschusses am Anfang dieses Jahres in die Selbstständigkeit. Begeistert ist sie von der Fülle an Hilfe und Weiterbildungen, die man überall bekommt. Durch einen Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit bildete sie sich in Unternehmensführung und Finanzen weiter und besuchte einen Kurs zum Thema Businessplan. Zusätzlich bekam sie Unterstützung für die Gewerbeanmeldung von der Handwerkskammer Köln. Als kurz vor Weihnachten alles stand, befiel sie Panik, und sie dachte: „Bin ich verrückt?“ Die Mutige in ihr antwortete: „Du wolltest das immer. Probiere es aus, sonst weißt du das nie!“ Warum finanzielle Sicherheit beim nebenberuflich selbstständig machen hilft Um das Risiko gering zu halten, sorgte sie vor: „Ich habe einen finanziellen Puffer, damit käme ich im schlimmsten Fall drei Monate über die Runden.“ Sollte es nicht klappen, fände sie schnell wieder einen Job. Ihr Credo: „Ich finde es nicht falsch, groß zu denken, aber man sollte es klein angehen.“ Auch ein Ansatz von Jopenau. Deshalb startete Dias mit dem, was sie hat: Werkzeuge, Materialien, Arbeitsraum zu Hause. Die ersten Näh- und Polsteraufträge kamen schnell durch Mundpropaganda und in wenigen Wochen startet sie mit ihrem Hauptangebot: Workshops für Menschen, die sich aus dem Alltagsstress ausklinken und sich mit anderen kreativ ausprobieren wollen. Dafür mietet sie ein eigenes Kreativstudio, der Name: „OhWieSchön“. In gemütlicher Wohnzimmer-Atmosphäre möchte sie gemeinsam Möbel restaurieren, Polster beziehen, Kissen nähen oder Kerzen dippen. „Seit ich den Schritt gemacht habe, schlafe ich wieder gut. Ich gehe meinen eigenen Weg“, freut sie sich. Starthilfe für Gründungsinteressierte Es gibt zahlreiche, auch kostenfreie Angebote, mit denen sich Handwerker neben ihrer Festanstellung erst mal schlau machen und einen Plan erarbeiten können. Unter den Anlaufstellen befinden sich die Handwerkskammern, aber auch spezialisierte Anbieter. Handwerkskammern (HWK) Bundesweit beraten 53 regionale Handwerkskammern z. B. zu Existenzgründung, Finanzierung und Förderung sowie Betriebsübernahme.handwerkskammer.de Industrie- und Handelskammer (IHK) Informationen und Coaching zu nebenberuflichem Gründen gibt es auch bei der IHK, etwa der IHK München.ihk-muenchen.de Bundesagentur für Arbeit Umfangreiche Beratung, Existenzgründungsseminare, Informationen zu Förderprogrammen, Bildungsgutscheine.arbeitsagentur.de KfW Einen kostenlosen Baukasten für die Gründung bietet auch die KfW gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.gruenderplattform.de KMP Brands Verschiedene Beratungs- und Unterstützungsangebote für Gründer. Über Bildungsgutscheine von der Bundesagentur für Arbeit kostenfrei.kmp-brands.com Jopenau Online-Kurse mit wöchentlichen Live-Calls für Frauen mit begrenzter Teilnehmerzahl, inklusive 1:1-Check-up-Calls. Gratis-Erstgespräch (15 Min.).jopenau.de Nebenberuflich selbstständig werden heißt auch, Fristen im Blick zu behalten Den Traum von der Selbstständigkeit erfüllt sich auch Elektromeister Franz Summerer aus dem oberbayerischen Schweitenkirchen. Kaum hatte er über seine Pläne gesprochen, standen die ersten Kunden vor der Tür. Fast ein kleines Problem, denn die Kundenanfragen kommen schneller rein als die Mühlen der Bürokratie mahlen. „Zum Glück sind es keine Notfälle und meine ersten Kunden warten, bis ich startklar bin“, erzählt der 26-Jährige, der zu einer Gründerberatung für Nebengewerbe beim Bildungszentrum Ingolstadt der Handwerkskammer für München und Oberbayern gegangen ist. Dort bekam er nicht nur eine gute Eins-zu-eins-Beratung, sondern auch eine Broschüre mit einem Leitfaden, den er jetzt Punkt für Punkt durcharbeitet. Das ist einiges: Anmeldung bei der Handwerkskammer, Gewerbekarte, Steuernummer, Registrieren bei den Großhändlern, Geschäftskonto, Buchhaltungsprogramm, Haftpflicht. „Da man oft erst das eine braucht, um das andere zu bekommen, sollte man für diesen Prozess etwa zwei Monate einplanen“, rät Summerer. Obwohl die Nachfrage riesig ist, geht er auch sonst lieber auf Nummer sicher: „Gerade mit Kranken- und Rentenversicherung kommt einiges auf mich zu“, weiß er. „Solange ich fest angestellt bin und der Nebenerwerb mit Stunden und Umsatz nicht höher ist, deckt das weiterhin meine Festanstellung ab.“ Das lässt ihn entspannt in die Zukunft blicken.

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