Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 46. Folge VOB: Trotz Gewährleistung entspannt bleiben und Fehler bei Mängelanzeigen vermeiden


Mängelanzeigen, Abnahmeprotokolle, Diskussionen. Die Gewährleistung kann im Handwerk schnell nervenaufreibend werden, dabei sind viele Probleme hausgemacht. Mit diesen Tipps von VOB-Trainer und Kolumnist Andreas Scheibe vermeiden Sie typische Fehler und sparen bares Geld. Mehr dazu in der 46. Folge von „Professioneller Bauablauf“.

Kolumne „Professioneller Bauablauf“ Folge 46, von Andreas Scheibe
Mängelanzeigen, Abnahmeprotokolle, Diskussionen: Die Gewährleistung kann im Handwerk schnell nervenaufreibend werden. - © JackF - stock.adobe.com

Die Baustelle ist fertig, alle sind erleichtert – doch dann die erste Mangelanzeige! Für viele Handwerksbetriebe beginnt hier der Stress: Nacharbeiten, unklare Forderungen und nicht selten sogar Streit. Dabei lassen sich die häufigsten Stolpersteine eigentlich mit ein paar klaren Regeln vermeiden.

1. Fehler in Sachen Gewährleistung: Bei der Abnahme bloß nicht unter Druck unterschreiben

Die Abnahme ist oft ein emotionaler Moment. Der Kunde wartet gespannt, man selbst will das Projekt endlich abschließen und die Stimmung ist ohnehin ein wenig aufgeheizt. Genau hier passieren häufig Fehler: Viele unterschreiben das Abnahmeprotokoll direkt vor Ort und akzeptieren damit oft unberechtigte Forderungen.

Tipp: Lassen Sie sich das Protokoll aushändigen, prüfen Sie es in Ruhe im Büro und schicken Sie es dann unterschrieben zurück. So wird vermieden, im Eifer des Gefechts Dinge zu übersehen.

2. Fehler in Sachen Gewährleistung: Mangel oder Gebrauchsschaden?

Ein Kratzer am Heizkörper, eine schlecht eingestellte Heizung – oft melden Kunden vermeintliche „Mängel“, die im Grunde gar keine sind. Wichtig zu wissen: Die Gewährleistung deckt nur Fehler ab, die aus Ihrer Leistung resultieren. Schäden durch Nutzung oder Verschleiß sind Sache des Kunden.

Beispiel: Wird ein Kratzer durch Schüler in einem Klassenraum verursacht, ist das kein Mangel. Lassen Sie sich hier nicht auf derartige Diskussionen ein.

3. Fehler in Sachen Gewährleistung: Such- und Recherchekosten sind keineswegs gratis

Ein häufiger Fall: Der Kunde meldet ein Problem, Sie schicken Mitarbeiter raus und am Ende war es ein Bedienfehler oder aber eine kleine Einstellungssache. Ärgerlich! Vor allem, wenn Sie dann auf den Kosten dafür sitzen bleiben.

Tipp: Informieren Sie den Kunden vorab und schicken Sie am besten gleich eine Kostenaufstellung mit: „Wir prüfen das gern. Sollten wir feststellen, dass die Ursache nicht in unserem Verantwortungsbereich liegt, stellen wir die Kosten in Rechnung.“

4. Fehler in Sachen Gewährleistung: Die Beweislast? Liegt beim Auftraggeber!

Nach der Abnahme ist der Kunde in der Beweislast. Das bedeutet: Wenn er einen Mangel meldet, muss er auch nachweisen, dass dieser bereits bei der Abnahme bestand – und dass er auf Ihre Leistung zurückzuführen ist.

Tipp: Antworten Sie bei Mangelanzeigen klar: „Bitte weisen Sie nach, dass der Mangel aus unserer Leistung resultiert.“ In den meisten Fällen kann der Kunde das nicht – und schon sind Sie aus dem Schneider.

Mängelanzeigen und Gewährleistungsfragen sind selten echte Probleme, wenn Sie strategisch vorgehen. Bleiben Sie ruhig, fordern Sie Beweise ein und lassen Sie sich nicht zu unnötigen Einsätzen drängen. Mit einem klaren Kopf und etwas Durchsetzungsvermögen vermeiden Sie unnötige Kosten und sorgen dafür, dass Ihr Betrieb entspannt bleibt.

Über Autor Andreas Scheibe:
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!

Mit der Continu-ING GmbH (vob.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den
Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von Hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt-System, welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten, um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf.de

Zugehörige Themenseiten:
Auftragsabwicklung, Baurecht, Baustoffe und Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe