Kontrollbesuch: Darf der Arbeitgeber kranke Mitarbeiter besuchen?

In kleinen Teams sind krankheitsbedingte Ausfälle mehr als ärgerlich. Hegen Chefs den Verdacht, dass der Mitarbeiter einfach nicht zur Arbeit kommt, wäre es ja womöglich ganz einfach, dem kranken Kollegen einen Kontrollbesuch abzustatten. Doch darf der Arbeitgeber das? Zwei Rechtsexperten klären auf. Kontrollbesuch bei kranken Mitarbeitern – darf der Arbeitgeber das? Zwei Rechtsexperten klären, was gesetzlich erlaubt ist. In Handwerksbetrieben mit überschaubarer Mitarbeiterzahl ist der persönliche Kontakt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch während krankheitsbedingter Abwesenheit üblich. Dies liegt daran, dass Chefs Planungssicherheit benötigen. Besonders die Frage, ob und unter welchen Umständen ein Arbeitgeber einen kranken Mitarbeiter zu Hause besuchen darf, sorgt für Verwirrung, wie jüngst im Tesla-Werk in Grünheide (siehe Kasten unten). „Der Hausbesuch bei Arbeitnehmern ist eine relativ neue Maßnahme, die auch recht kritisch gesehen wird, und weder empfehlenswert ist noch eine große Praxisrelevanz hat“, so der Experte für Arbeitsrecht Dr. Anton Barrein der Kanzlei Activelaw in Hannover. Kontrollbesuche könnten als unzulässig bewertet werden, da sie in die Privatsphäre der Mitarbeiter eingreifen und möglicherweise deren Persönlichkeitsrechte verletzen. Besuch bei kranken Mitarbeitern: Welche rechtlichen Grenzen muss der Arbeitgeber beachten? „Grundsätzlich gibt es keine rechtliche Regelung, die explizit festlegt, ob ein Arbeitgeber einen kranken Mitarbeiter zu Hause besuchen darf oder nicht. Ein solcher Hausbesuch ist also nicht per se verboten, aber er muss unter Umständen vorsichtig gehandhabt werden,“ so der Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Gunnar Roloff der Kanzlei Ecovis in Rostock. In der Praxis sind solche Ansprüche jedoch oft schwer durchzusetzen, da diese oft als geringfügig erachtet werden.“ Einen kranken Mitarbeiter zu besuchen sei nicht verboten, jedoch gebe es klare Grenzen: „Ein unangekündigter Hausbesuch kann einen unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers darstellen“, klärt Roloff auf. „Allerdings können Arbeitnehmer sich kaum gegen unzulässige Hausbesuche wehren. Eine Abmahnung aufgrund längerer Krankheit ist hinsichtlich des Kündigungsschutzes des Arbeitnehmers meist unnötig.“ Ein Schmerzensgeldanspruch wegen des Eingriffs ins Persönlichkeitsrecht wäre denkbar. In der Praxis ist die Durchsetzung jedoch selten erfolgreich und belastet das Arbeitsverhältnis zusätzlich. Aber ganz machtlos stehen Arbeitnehmer dennoch nicht da, käme der Arbeitgeber auf die Idee, sie im Krankheitsfall zu besuchen. Sie können etwa ihre Rechte auf Privatsphäre und Datenschutz im deutschen Arbeitsrecht schützen, wenn sie sich durch unangekündigte Hausbesuche überwacht oder belästigt fühlen. Dr. Barrein erklärt: „Arbeitnehmer können Unterlassung fordern, wenn ein Eingriff rechtswidrig ist. Während öffentliche Bereiche grundsätzlich zugänglich sind, ist der Zutritt zur Wohnung ohne Zustimmung unzulässig. In extremen Fällen kann dies strafrechtliche Konsequenzen haben, und die Polizei kann eingeschaltet werden, wenn etwa ein unbefugter Wohnungseintritt versucht wird.“ Kontrollbesuch mit Zustimmung: Wann darf der Arbeitgeber klingeln? Ein Hausbesuch könnte als zulässig gelten, wenn der Arbeitgeber sich aus berechtigtem Interesse um den Gesundheitszustand des Mitarbeiters sorgt. Ratsam für Chefs wäre, vorher die Zustimmung des Mitarbeiters einzuholen. Chefs sollten sich darüber im Klaren sein: Ohne diese Zustimmung kann ein unangekündigter Hausbesuch das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefährden. „Nach meiner Kenntnis besteht bei einem unangekündigten Hausbesuch immer das Risiko, dass ein Gericht diesen für unzulässig erklärt. Ein solcher Besuch könnte – wie schon erwähnt – als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gewertet werden. Da das Vorgehen nach meiner Einschätzung eher ungewöhnlich ist, gibt es in diesem Bereich aber keine gesicherte Rechtsprechung“, erklärt Roloff. Die Experten sind sich einig: Der Besuch sollte in einem respektvollen und einvernehmlichen Rahmen stattfinden, um Konflikte oder Missverständnisse zu vermeiden. „Der Arbeitgeber sollte sich anmelden, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er würde die Persönlichkeitsrechte seiner Belegschaft nicht hinreichend beachten“, rät Arbeitsrechtler Roloff. Umgang mit Verdacht auf Krankheitsbetrug: Vorgehen des Arbeitgebers Wie darf aber der Arbeitgeber vorgehen, wenn er den Verdacht hat, dass der Arbeitnehmer seine Krankheit vortäuscht, ohne dabei in die Privatsphäre einzugreifen? Ein Verdacht auf eine vorgetäuschte Krankheit ist für Arbeitgeber besonders heikel. „Der Arbeitgeber hat das Recht, sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Mitarbeiters vorlegen zu lassen und den medizinischen Dienst der Krankenkasse zu Rate zu ziehen. Dieser kann die Bescheinigung auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Jedoch ist es oft schwierig, durch diese Maßnahmen den gewünschten Erfolg zu erzielen“, so Roloff. Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass der Verdacht auf Krankheitsbetrug möglicherweise nicht immer gerechtfertigt ist und eine solche Überprüfung nur in Absprache mit den relevanten Stellen erfolgen sollte. Könnte aber auch eine weniger invasive Methode zur Überprüfung der Krankmeldungen ausreichend sein? „Es gibt durchaus andere Möglichkeiten. Liegen zeitliche Zusammenhänge zur Krankmeldung vor, wie etwa Personalgespräche, Abmahnungen oder Kündigungen, kann der Arbeitgeber sogar berechtigt sein, die Entgeltfortzahlung einzubehalten. Ein bloßer Generalverdacht, um zu überprüfen, was der Arbeitnehmer tut, ist jedoch nicht ausreichend, um schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre zum Beispiel durch die Beschattung zu rechtfertigen, solange kein dringender Verdacht besteht“, erklärt Dr. Barrein. Krankenbesuch: Gute Vorbereitung des Kontrollbesuchs ratsam Rechtsanwalt Gunnar Roloff rät, bei der Vorbereitung auf einen Hausbesuch die folgenden Schritte zu beachten: Erster Schritt: Wie lange ist der Arbeitnehmer schon nicht im Betrieb? Zweiter Schritt: Telefonat darüber, wie lange mit einer Absenz zu rechnen ist Dritter Schritt: Ankündigung eines Besuchs mit einem Vorlauf von einigen Tagen zu einer festgesetzten Uhrzeit Vierter Schritt: Besuch, der möglichst nicht länger als 30 Minuten dauert Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Entgeltfortzahlung bei Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit? Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Aktenzeichen: 5 AZR 137/23) bestätigt, dass Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung einbehalten können, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen, etwa bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. „Ähnliche Entwicklungen gibt es auch bei Abmahnungen, Versetzungen und Weisungen des Arbeitgebers. Wenn der Arbeitgeber eine Reaktion des Arbeitnehmers auf ein bestimmtes Problem erkennt, hat er jetzt entsprechend Handlungsspielraum“, so Dr. Barrein. Die aktuelle Rechtsprechung verschafft Arbeitgebern mehr Freiraum bei der Kontrolle von Krankschreibungen. Dennoch bleibt es entscheidend, das richtige Maß an Kommunikation und Sensibilität im Umgang mit kranken Mitarbeitern zu wahren. Ein Hausbesuch kann unter bestimmten Bedingungen legitim sein. Er muss jedoch korrekt angekündigt und mit Zustimmung des Mitarbeiters erfolgen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Ein respektvoller und rechtlich abgesicherter Umgang mit solchen Fragen trägt dazu bei, das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erhalten und Konflikte zu vermeiden.Transparenz ist hierbei von größter Bedeutung, um eine positive Unternehmenskultur aufrechtzuerhalten und das Arbeitsverhältnis langfristig zu stabilisieren. Kontrollbesuch: So ging Tesla mit Mitarbeitern in Grünheide um Im Tesla-Werk in Grünheide sorgte die Praxis von unangekündigten Hausbesuchen bei krankgeschriebenen Mitarbeitern für großes Aufsehen. Tesla verfolgte mit dieser Maßnahme das Ziel, die Rechtmäßigkeit der Krankmeldungen zu überprüfen und betrügerische Absichten auszuschließen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Produktion nicht durch unberechtigte Fehltage ins Stocken geriet. In einem hochautomatisierten Unternehmen wie Tesla wurde diese Maßnahme als notwendig erachtet, um die Kontinuität der Produktion zu gewährleisten. Allerdings stieß diese Vorgehensweise auf heftige Kritik. Viele Arbeitnehmer und Arbeitsrechtler sahen in den unangekündigten Besuchen einen übergriffigen Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeitenden. Es wird infrage gestellt, ob der Arbeitgeber ohne ausdrückliche Zustimmung des Mitarbeiters solche Maßnahmen ergreifen darf. Tesla verteidigte sich, indem es die Notwendigkeit betonte, die Produktion aufrechtzuerhalten und Missbrauch durch kranke Mitarbeiter zu verhindern. Doch trotz dieses Arguments wurde die Vorgehensweise von vielen als unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmer angesehen. Der Fall zeigt, dass der Balanceakt zwischen betrieblichen Notwendigkeiten und Arbeitnehmerrechten im sensiblen Bereich von Datenschutz und Privatsphäre erfolgt.

Hausbesuche bei Arbeitnehmern Kontrollbesuch: Darf der Arbeitgeber kranke Mitarbeiter besuchen?

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