Unangekündigte Betriebsprüfer Mehrwertsteuer: Gefährliche Anfängerfehler bei der Betriebsprüfung

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Handwerker bekommen immer öfter unangekündigten Besuch von Betriebsprüfern, die auf die Mehrwertsteuer spezialisiert sind. Wie sich Firmen dagegen am besten wappnen.

Betriebsprüfer nehmen Zahlen ganz genau unter die Lupe. - © Style-Photography - Fotolia.com

Seien wir ehrlich: Nicht alle Unternehmer sind in steuerlicher Hinsicht Musterknaben. Und zu den beliebtesten Hinterziehungsmethoden gehört es, private Ausgaben über die Firma laufen zu lassen. Den neuen Teppich fürs Wohnzimmer? Den Schreibtisch für den Filius? Das Gemälde für den Flur? Derlei Einkäufe werden gerne als Betriebsausgaben deklariert, schließlich könnten sie tatsächlich fürs Büro oder den Besprechungsraum in der Firma gedacht sein.

Unangekündigter besuch der Betriebsprüfer

Und wenn sich die Betriebsprüfer ankündigen, bleibt ja genug Zeit, die Sachen dorthin zu bringen. Glauben zumindest viele.

Doch damit liegen sie falsch. Denn immer öfter kommen Finanzbeamte unangekündigt vorbei – zu einer „Umsatzsteuer-Nachschau“, wie es im Beamtenjargon heißt. Nach Zahlen aus dem Bundesfinanzministerium finden pro Jahr mehr als 80.000 solcher Spontanprüfungen statt. „Das Instrument kommt immer häufiger zum Einsatz“, sagt Ingo Prang, Steuerberater bei Ecovis in Kleve.

Und Unternehmer, die getrickst haben, fliegen dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auf, denn die Beamten haben umfassende Zutritts- und Prüfbefugnisse. Doch welche Unternehmen nehmen die Beamten ins Visier? Und worauf achten sie?

Start-up oder Scheinfirma?

Besonders häufig betroffen sind Gründer. Denn die unangekündigte „Nachschau“ wurde im Jahr 2002 eingeführt, um der wachsenden Zahl sogenannter „Umsatzsteuer-Karusselle“ Einhalt zu gebieten. Bei diesem Modell gründen Betrüger Ketten von Scheinfirmen, die Waren an die jeweils nächste verkaufen, bis sie wieder am Ausgangspunkt landen, sodass sich ökonomisch nichts verändert hat.

An einer Stelle kommt es aber – vereinfacht ausgedrückt – zum entscheidenden Deal: Der Käufer lässt sich die gezahlte 19-prozentige Mehrwertsteuer als Vorsteuer vom Finanzamt erstatten, obwohl der Verkäufer keine Mehrwertsteuer abführt. Danach werden die Firmen flugs aufgelöst, die Betrüger streichen die Erstattung ein.

Im Rahmen einer Nachschau wird deshalb geprüft, ob überhaupt ein Geschäftsbetrieb existiert und ob die Räumlichkeiten zum angemeldeten Geschäftszweck passen“, erläutert Prang von Ecovis. „Sonst liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine Scheinfirma zum Zweck des Umsatzsteuerbetrugs handelt.“

Allerdings grasen die Beamten keineswegs nur neu angemeldete Firmen ab. Auch etablierte Unternehmen bekommen Besuch. Auslöser für eine Umsatzsteuer-Nachschau kann beispielsweise sein, dass ein Unternehmen in der – üblicherweise monatlich abzugebenden – Umsatzsteuervoranmeldung hohe Mehrwertsteuerbeträge als Vorsteuer geltend macht, weil Maschinen, Transporter, Computer oder andere Aktiva angeschafft wurden.

Gefüttert mit den Informationen aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung prüfen die „nachschauenden“ Beamten dann penibel, ob die Gegenstände tatsächlich vorhanden sind – mit besonderem Augenmerk auf alles, was auch privat genutzt werden kann, zum Beispiel Möbel oder Computer.

Fatale Mehrwertsteuer-Fehler

Wer ein reines Gewissen hat, ist damit aber noch nicht aus dem Schneider. Denn wenn sie schon mal da sind, schauen die Prüfer auch genauer hin. Und dabei entdecken sie oft Fehler. Schließlich sind die deutschen Mehrwertsteuer-Vorschriften umfassend und für Laien kaum nachvollziehbar. Gerade Gründer haben oft andere Sorgen – gilt es doch, Mitarbeiter zu finden, den Betrieb zu organisieren und vor allem, Kunden zu gewinnen.

Dabei kommt insbesondere die Steuer-Dokumentation oft zu kurz. Und das kann sich bitter rächen, weil das Finanzamt ohne Nachweis den Vorsteuerabzug gnadenlos verweigert.

Denn die Vorschriften sind eindeutig: Wer sich die gezahlte Mehrwertsteuer erstatten lassen will, muss Rechnungen für zehn Jahre aufbewahren. Außerdem müssen Unternehmer darauf achten, dass sie sämtliche wichtigen Angaben enthalten – bei Rechnungen ab 150 Euro sind das vor allem Datum, Name und Adresse des Lieferanten, seine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, Angaben zur Lieferung oder Leistung sowie natürlich Nettobetrag und Mehrwertsteuer.

Wann muss die erstattete Mehrwertsteuer zurückgezahlt werden?

Stellt sich im Rahmen einer Nachschau heraus, dass Angaben fehlen, können Unternehmer immerhin beim Lieferanten nachhaken und eine korrekte Version besorgen. Kniffliger wird’s, wenn gar keine Rechnung vorliegt. Denn dann müssen Unternehmen die erstattete Mehrwertsteuer in der Regel erstmal ans Finanzamt zurückzahlen. Erst, wenn sie eine Rechnung besorgt haben, dürfen sie eine neuerliche Erstattung beantragen.

Oder sie gehen voreilig davon aus, dass sie als „Kleinunternehmer“ ihren Kunden gar keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen und somit natürlich auch nichts melden müssen. „Auch das kann im Rahmen einer Nachschau auf­fallen“, sagt Klaus Meyer-Gehlen, Steuer­berater bei der Kanzlei WWS in ­Mönchen­gladbach. Das Problem: Die „Kleinunternehmerregelung“ dürften Unternehmen nur in seltenen Fällen in Anspruch nehmen .

Unabhängig davon ist zu beachten, dass die Regelung nicht immer Sinn macht. „Wer keine Mehrwertsteuer berechnet, darf umgekehrt auch keine Vorsteuer geltend machen und verschenkt oft hohe Steuervorteile“, warnt Meyer-Gehlen. Denn gerade, wenn am Anfang hohe Investitionen notwendig sind – zum Beispiel in Maschinen und Computer –, ist die erstattete Vorsteuer oft höher als die Mehrwertsteuer, die man selbst an den Fiskus zahlen muss.

Das Steuersatz-Chaos

Ein besonders kniffliges Thema ist der Steuersatz. Denn vielfach ist nicht auf den ersten Blick klar, o b Unternehmen 19 Prozent berechnen müssen oder den ermäßigten siebenprozentigen Satz ansetzen dürfen. Auch in Handwerksbranchen tauchen etliche Zweifelsfälle auf. Und das birgt ein gewaltiges Risiko. Der Grund: Wer zu Unrecht sieben Prozent ansetzt, muss die Differenz später aus eigener Tasche zahlen .

Betroffen sind beispielsweise Bäcker und Metzger, die belegte Brötchen, Snacks oder andere Mahlzeiten zum Vor-Ort-Verzehr anbieten und dafür Sitzgelegenheiten wie etwa Hocker an Stehtischen anbieten. Denn wenn der Kunde sein Essen an Ort und Stelle im Sitzen zu sich nimmt, sind 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig – wie im Restaurant.

Nimmt der Kunde sein Essen dagegen mit, ist der siebenprozentige Satz erlaubt – wie beim Lebensmittelkauf im Supermarkt. Allerdings argwöhnen Umsatzsteuer-Prüfer vom Finanzamt häufig, dass Unternehmen auch bei vielen „Sitzkunden“ lediglich die „7-Prozent“-Taste auf der Kasse drücken. Schließlich ist der Anreiz groß, weil alle Kunden denselben Preis zahlen. Ein höherer Steuersatz geht deshalb voll zulasten der Marge.

Wenn den Prüfern die Quote der Sieben-Prozent-Umsätze allzu hoch erscheint – wann das der Fall ist, verraten sie leider nicht –, schätzen sie deshalb gerne einen höheren Anteil. Zwar gibt es immer wieder Streit, ob sie dazu befugt waren und vor allem, ob die Schätzung korrekt ist. Um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, läuft es in solchen Fällen allerdings oft auf einen Kompromiss raus, der für Unternehmer immer noch schmerzhaft ist.

Auf der sicheren Seite ist immerhin, wer keine Sitzgelegenheiten anbietet. Denn wenn Kunden vor Ort im Stehen essen, sind trotzdem sieben Prozent erlaubt.

Der Fiskus und die Adventskränze

Ein besonders skurriler Zweifelsfall betrifft Floristen: Bei Adventskränzen ist der siebenprozentige Satz nur erlaubt, „soweit frisches Material charakterbestimmend ist“, wie es in einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) heißt. Kommt zum Beispiel Trockenmoos zum Einsatz, ist der Vorteil dahin. Und Vorsicht: Anfeuchten macht trockenes nicht zu frischem Moos, warnt das BMF.

Ähnlich detailliert haben sich die Ministerialbeamten auch mit der Tätigkeit selbstständiger Kostümbildner befasst – und per Verwaltungsanweisung klargestellt: Anspruch auf das Sieben-Prozent-Privileg haben sie nur, wenn sie „künstlerische Freiheiten“ genießen (IV D 2 - S 7240/11/10002). Wer dagegen nur „vorgegebene Gestaltungsformen handwerklich umsetzt“, müsse 19 Prozent in Rechnung stellen. Absurder geht’s kaum, und auch viele Steuerberater tun sich mit den Zweifelsfällen des Mehrwertsteuerrechts schwer. Immer wieder bekommen Betroffene den Rat, lieber 19 Prozent anzusetzen. Dann könne der Fiskus schließlich nichts nachfordern.

Doch damit machen es sich die Experten zu einfach. Denn wenn Unternehmer den Höchstsatz berechnen, ist das natürlich ein Nachteil im Preiswettbewerb – insbesondere, wenn sie Geschäfte mit Privatkunden machen, die sich die Mehrwertsteuer nicht erstatten lassen können. Deshalb gilt: Ein klares Statement vom Steuerberater einfordern – oder einen anderen suchen. In solchen Fällen kann eine Umsatzsteuer-Nachschau übrigens Gold wert sein. Denn die Beamten sind echte Mehrwertsteuer-Spezialisten.

Unternehmer sollten die Chance nutzen und den Prüfern Fragen stellen – etwa nach dem richtigen Steuersatz oder den Anforderungen an eine korrekte Archivierung von Rechnungen und Belegen. Meyer-Gehlen: „Wer Fehler im Anschluss an eine Nachschau korrigiert, verhindert, dass sie sich über Jahre aufsummieren – und nach der ersten regulären Betriebsprüfung eine umso höhere Summe fällig ist.“

Was Beamte bei einer Umsatzsteuer-­Nachschau dürfen – und was nicht

Zutritt

Die Besucher vom Finanzamt sind berechtigt, sämtliche Büro- und Gewerberäume zu betreten und sich umzuschauen. So können sie prüfen, ob eine Maschine, Computer oder Möbel, für die Vorsteuer geltend gemacht wurde, tatsächlich vorhanden sind. Durchsuchungen sind allerdings unzulässig.

Kooperation

Wer mauert, muss damit rechnen, dass umgehend eine formale Umsatzsteuer-Sonderprüfung anberaumt wird. Bei unkooperativem Verhalten könne es passieren, „dass sofort ein Sonderprüfer kommt“, warnt Ingo Prang, Steuerberater bei Ecovis. Der Beamte hat dann mehr Rechte und kann die Prüfung ausweiten, etwa auf weitere Zeiträume.

Bücher

Die Prüfer dürfeb die Buchungsunterlagen einsehen, soweit es dem Prüfungsumfang entspricht. Häufig wollen sie deshalb Rechnungen und Belege zu bestimmten Umsatzsteuer-Voranmeldungen sehen. Besonders im Visier der Finanzbeamten sind Rechnungen, für die Unternehmer die Erstattung hoher Mehrwertsteuer-Summen als „Vorsteuer“ beantragt haben.

Rat

Prang rät Unternehmern deshalb, Prüfern nicht den Zutritt zu Geschäftsräumen zu verweigern. „Sie sollten sich den Ausweis zeigen und sich über ihre Rechte und Pflichten während der Nachschau belehren lassen“, sagt er. Zudem haben sie Anspruch auf Informationen zu Anlass und Umfang der Nachschau. Darüber hinaus ist es sinnvoll, umgehend den Steuerberater anzurufen. „Häufig warten die Prüfer, bis er da ist“, so Prang. Dazu seien sie aber nicht verpflichtet.

Wer gilt überhaupt als Kleinunternehmer?

Grenze bei Kleinunternehmern

„Wer im Jahr der Gründung voraussichtlich nicht mehr als 17.500 Euro Umsatz macht, gilt als Kleinunternehmer, sagt Klaus Meyer-Gehlen von der Kanzlei WWS. Diese Grenze ist aber schneller überschritten, als viele glauben. Erstens, weil es sich um den Bruttobetrag inklusive Mehrwertsteuer handelt – wer 15.000 Euro netto umsetzt und Leistungen erbringt, die ohne das Privileg dem 19-prozentigen Regelsatz unterlägen, knackt das Limit also bereits.

Zweitens rechnet der Fiskus Monatsumsätze aufs Jahr hoch. Wenn Unternehmer beispielsweise im August loslegen und monatlich 2.000 Euro erlösen, gelten sie vor dem Gesetz also nicht mehr als Kleinunternehmer, weil sie in einem vollen Jahr vermutlich bei 24.000 Euro landen würden.

Nachzahlung

Knacken Gründer das Limit, kann der Fiskus nachträglich Mehrwertsteuer für das gesamte Jahr fordern. „Das Geld müssen Unternehmer dann oft aus der eigenen Tasche zahlen“, warnt Meyer-Gehlen. Denn Privatkunden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, dürften sich kaum darauf einlassen, auf Basis einer korrigierten Rechnung nachträglich Mehrwertsteuer zu zahlen.

Und auch bei abzugsberechtigten Firmenkunden stoßen derlei Ansinnen oft auf taube Ohren, weil sie dann ihre eigenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen korrigieren müssten. „Das ist ein nicht unerheblicher Aufwand“, sagt Meyer-Gehlen.

Businessplan

Immerhin lassen sich Nachzahlungen verhindern. Dazu müssen Jungunternehmer dann nachweisen, dass mit einem derart schnellen Anziehen der Geschäfte nicht zu rechnen war – „am besten“, so Meyer-Gehlen, „mithilfe eines fundierten Businessplans“. Denn niemand soll dafür haften, dass die Geschäfte besser laufen als geplant. Das setzt allerdings voraus, dass die Annahmen in dem Businessplan plausibel sind.