Arbeitgebermarke Bewertungssiegel: Punkten mit geprüfter Jobqualität

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Fachkräftemangel und Mitarbeitermotivation

Ob „Bester Arbeitgeber“ oder „Great Place to Work“: Wer mit einem Zertifikat als ausgezeichneter Arbeitgeber glänzen kann, sticht aus der Masse der Betriebe positiv heraus. Denn ähnlich wie bei Hotels oder Onlineshops achten Fachkräfte heute bei der Jobsuche auf Auszeichnungen.

Iris Leisenheimer
Iris Leisenheimer, die gemeinsam mit ihrem Mann Holger einen Malerbetrieb in Windesheim (Pfalz) führt, setzt auf die positive Wirkung von inzwischen 28 Arbeitgebersiegeln. - © Bert Bostelmann

Gesundheit, die Förderung von Frauen oder eine demografiefeste Personalarbeit: Das besondere Engagement für die Mitarbeiter hat sich die Malerwerkstätte Leisenheimer aus Windesheim seit 2006 immer wieder zertifizieren lassen. Angefangen mit dem „Audit Beruf und Familie“, über „Gesunder Betrieb in der Region Mittelrhein“ und „Attraktiver Arbeitgeber von Rheinland-Pfalz“ bis hin zum Zertifikat „Demografiefest 4.0“: Insgesamt 28 Auszeichnungen hängen mittlerweile an der großen Urkundenwand vor dem Büro von Iris Leisenheimer, dieals kaufmännische Leiterin zusammen mit ihrem Mann, Malermeister Holger Leisenheimer, den Betrieb mit 15 Mitarbeitern führt.

„Das macht schon Eindruck“,ist Iris Leisenheimer überzeugt. „Wer hier zum Bewerbungsgespräch im Büro sitzt, staunt erst mal über die vielen Auszeichnungen.“ Wenn es ein neues Zertifikat gibt, wird es umgehend auf die Homepage gestellt, aktuell etwa die Nominierung zum „Großen Preis des Mittelstands 2019“. Wichtige Auszeichnungen druckt Iris Leisenheimer auch auf die Visitenkarten der Malerwerkstatt. „Steht dort etwa „Attraktiver Arbeitgeber von Rheinland Pfalz“, fragen sich die Leute: Wieso bekommt der Betrieb diese Auszeichnung?“

Medienecho bringt Bekanntheit - nicht nur in der Region

Diese Strategie hat die Leisenheimers bekannt gemacht. „Unter den Malern kennt uns jeder“, sagt Iris Leisenheimer. Ein wichtiger Punkt in Zeiten, in denen sich neue Mitarbeiter „nur durch Mundpropaganda für unseren Betrieb“ finden lassen. Jede Preisverleihung zieht ein Echo in den Medien nach sich. Ob Meldung in der Lokalpresse, Auftritt im Fernsehen oder Besuch der rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin im Unternehmen: Das alles sorgt dafür, dass die Malerwerkstätte sich einen Namen gemacht hat.

Umsonst gibt es die Lorbeeren natürlich nicht. Abgesehen vom eigentlichen Engagement im Betrieb ist jeder Wettbewerb auch mit viel Aufwand verbunden. „Beim Ausfüllen der Formulare für die Jury arbeite ich etwa mit einer Texterin zusammen, die meine Gedanken in die richtigen Worte fasst“, sagt Iris Leisenheimer. Oftist auch die Bereitschaft des Teams nötig, sich vom Zertifizierungsanbieter befragen zu lassen. Trotzdem lohnt es sich: „Zum einen müssen wir schauen, wo wir heute noch Mitarbeiter herbekommen. Andererseitsist jeder Wettbewerb Ansporn, uns weiter zu verbessern.“

64 Prozent der Mitarbeiter vertrauen den Siegeln

Dass Handwerksbetriebe bei Arbeitgeber-Awards auf dem Siegertreppchen landen,ist längst keine Seltenheit mehr. Ob „Bester Arbeitgeber im Mittelstand“ für Kögel Bau in Bad Oeynhausen oder „Great Place to work“ für die Kauferinger Gebäudereinigung Wasserle: Viele Betriebe, die sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren wollen, lassen sich dies von unabhängiger Seite bescheinigen . Denn wer entsprechende Auszeichnungen und Zertifikate vorweisen kann, beweist, dass sein Engagement nicht nur auf dem Papier besteht. So weit die Theorie. In der Praxisist die S iegelvergabe längst zum einträglichen Geschäftsmodell geworden. Mehr als 200 Siegel verschiedenster Anbieter gibt es inzwischen. Inhalte und Prüfkriterien unterscheiden sich zum Teil erheblich. Die Spanne reicht von Selbstverpflichtungen über aus öffentlichen Mitteln geförderte Wettbewerbe bis hin zu aufwendigen und kostenintensiven Auditierungen.

Trotz dieser Flut an Siegeln machen die Zertifizierungen bei Arbeitnehmern Eindruck: So glauben etwa 64 Prozent der Fachkräfte, dass eine Auszeichnung einen Arbeitgeber von anderen abhebt, wie eine Studie des Siegelanbieters Trendence zeigt. Außerdem sind 66 Prozent der Ansicht, dass einem Unternehmen, das sich extern prüfen lässt, seine Mitarbeiter wichtig sind.

Das gute Image vielfältig kommunizieren

Die Wirkung von Siegeln sollten Betriebe aber nicht überschätzen . „Jobwechsel sind wichtige Entscheidungen für Arbeitnehmer, zum Teilist die ganze Familie davon betroffen“, sagt Michael Ruf, Professor für Internationales Personalmanagement an der Hochschule Heilbronn . „Allein wegen eines Siegels wechselt niemand die Stelle, esist jedoch ein positives Differenzierungsmerkmal.“ Im Umkehrschluss bedeute das jedoch nicht, dass Unternehmen ohne Zertifikat grundsätzlich schlechter bewertet würden. Betriebe sollten sich daher nach Einschätzung von Michael Ruf nicht im Zugzwang sehen, unbedingt eine Auszeichnung ergattern zu wollen: „In Zeiten von Social Media sind Informationen über Arbeitgeber und Erfahrungsberichte von Mitarbeitern auf den Bewertungsplattformen jederzeit verfügbar.“

Zertifizierungals neutrales Feedback nutzen

Wichtigerals die Kommunikation nach außen sei für viele Unternehmen daher der Nutzen der Siegel als neutrales Feedbackinstrument. „Durch die Prüfung von außen und den Vergleich mit anderen können Betriebe besser einschätzen: Wo stehen wir? Wo haben wir noch Verbesserungspotenzial?“ Wer eine Auszeichnung erhält, nutzt dies dann natürlich auch in der Personalkommunikation. „Treiberist die Hoffnung, dass die Zielgruppe sieht: Okay, hier hat ein unabhängiger Dritter geprüft und zertifiziert, da kann man sich drauf verlassen.“

Arbeitgebersiegel können aber auch helfen, bereits vorhandene Mitarbeiter an den Betrieb zu binden . „Die Wechselwilligkeit bei Fachkräftenist extrem hoch“, sagt Tessa Reischauer, Abteilungsleiterin Audits und Zertifizierung beim Trendence Institut in Berlin. „Rund 80 Prozent sind bereit, bei passender Ansprache den Job zu wechseln .“ Um ihre Leute zu halten, müssten Unternehmen sicher sein, dass die Mitarbeiter zufrieden sind. „Esist ein wichtiges Signal, wenn man dem Team sagen kann: Wir glauben, dass wir fair sind, und sind bereit, uns extern prüfen zu lassen.“ Und auch wenn im ersten Schritt keine Auszeichnung vergeben werde, sei das noch lange kein Schuss nach hinten. „Der Ergebnisbericht liefert die Grundlage, um Missstände aufzudecken und Maßnahmen zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit zu ergreifen“, sagt Reischauer.

Trend zu regionalen Siegeln

Bei der Suche nach geeigneten Siegeln rät Reischauer, sich vor allem über die eigenen Bedürfnisse klar zu werden: „In welchem Bereich muss ich besonders sicherstellen, dass ich Bewerber vom Betrieb überzeuge? Wo gibt es intern vielleicht noch Verbesserungspotenzial? Welches Budget steht zur Verfügung?“ Unternehmen sollten aber auch den Leistungsumfang des Siegels genau prüfen. Neben der Bekanntheit des Zertifikats sollte etwa hinterfragt werden, ob es einen Ergebnisbericht gebe, wie lange man das Siegel nutzen dürfe und was genau man bei der Auszeichnung erhalte, etwa ein digitales Siegel oder eine Urkunde auf Papier.

Für die Malerwerkstätte Leisenheimer hat sich gezeigt, dass kostenintensive Zertifizierungen wie das Audit Beruf und Familie schon allein aus Budgetgründen nicht sinnvoll sind. Stattdessen konzentriert sich Iris Leisenheimer auf Wettbewerbe auf regionaler Ebene, die durch Fördermittel für die Unternehmen kostenlos sind. Zudem hat sie sich auf Themen im Bereich Gesundheit und Personalarbeit spezialisiert, bei denen sich der Betrieb noch verbessern will, etwa weil bei Mitarbeitern Probleme mit dem Rücken auftauchen oder altersgemischte Teams zusammenarbeiten.