Schutz für den Chef

Berufsunfähigkeitsversicherung | Die eigene Arbeitskraft abzusichern ist für jeden Unternehmer unverzichtbar. Das Kleingedruckte in den Versicherungsverträgen ist aber keine leichte Kost.

Er hat den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung im Blick: Unternehmensgründer Oliver Ludwig, Kfz-Meister in Potsdam-Golm. - © Andreas Simon

Schutz für den Chef

Krank werden kann jeder. Nur keiner möchte über die Konsequenzen nachdenken, wenn die eigene Arbeitskraft auf dem Spiel steht. Der 26-jährige Kfz-Meister Oliver Ludwig aus Potsdam ist da keine Ausnahme. Seit knapp einem Jahr ist der Existenzgründer selbständig. Seine Kfz-Werkstatt in Potsdam-Golm läuft gut dank professioneller Unterstützung beim Start: Ludwig nutzt die Erfahrungen eines überwiegend aus KfW-Fördermitteln finanzierten Gründercoaches. Neben der Marktanalyse stehen auch Kundenakise und notwendige Versicherungen auf dem Programm.

Mit einer Betriebshaftpflichtpolice und einer Inhaltsversicherung für die Werkstatt hat Ludwig seine gewerblichen Risiken abgesichert. Die private Krankenversicherung und das Krankentagegeld sind die Grundabsicherung für den persönlichen Schutz. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist noch nicht dabei. „Man muss ja auch erst mal sehen, dass man seine Kosten niedrig hält und was für einen Existenzgründer erschwinglich ist“, sagt der Kfz-Meister. Er verweist hier auf die Berufsgenossenschaft. „Dort bin ich zunächst mal unfallversichert, wenn bei der Arbeit irgendetwas passieren sollte.“ Was Ludwig außerdem zögern lässt, sind Medienberichte. „Tritt der Ernstfall ein, wird oft jahrelang mit dem Versicherer herumgestritten. Am Ende gibt es dann oft doch kein Geld. Das schreckt mich ehrlich gesagt ab.“ Trotzdem hat der Handwerksmeister den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung im Blick. „Man wird ja nicht jünger“, ist sich Ludwig bewusst.

Die Vertragsbedingungen

Trotz ausgeprägtem Kostenbewusstsein gerade bei den ersten Schritten in die Selbständigkeit ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung unverzichtbar. Denn sie sichert im Ernstfall, wenn man seinen Beruf wegen Krankheit oder Unfall nicht mehr ausüben kann, die finanzielle Basis ab. Die Versicherung zahlt dann eine Rente in den meisten Fällen bis zum Alter von 65 Jahren, einzelne Anbieter inzwischen sogar bis 67 oder 70 Jahren. Die Beiträge richten sich nach Rentenhöhe und Vertragslaufzeit sowie nach Alter, Geschlecht, Gesundheitstand und Gefahrengruppen (siehe Tabelle, Seite 69). Fliesenleger oder Dachdecker müssen wegen des erhöhten Gesundheitsrisikos für dieselbe Versicherungssumme bis zum Dreifachen mehr bezahlen als ein gleichaltriger Büroangestellter. Auch wer gesundheitlich vorbelastet ist mit Allergien, Sehschwäche oder einer Sportverletzung zahlt Risikozuschläge und hat es oft schwer, überhaupt einen Vertrag zu bekommen.

Direkt abgelehnt werden bestimmte Berufsgruppen von den Gesellschaften indes nicht mehr, weil die Versicherungsaufsichtsbehörde dagegen Einspruch erhoben hat. „Die Interessenten müssen aber unter Umständen die abstrakte Verweisung schlucken“, sagt der unabhängige Versicherungsberater Hans-Hermann Lüschen. Das heißt, Betroffene können auf einen gleichwertigen Beruf in einer neuen Branche verwiesen werden (siehe Checkliste, Seite 70)

Wie bei den Konditionen ziehen die Versicherer auch bei den Preisen an. „In den letzten sechs Jahren sind die Prämien für die Berufsunfähigkeitsversicherung teilweise deutlich gestiegen zwischen 30 und 40 Prozent“, so Erik Schaarschmidt von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Fliesenleger, die wegen häufiger Knieprobleme in die höchste Gefahrenklasse der Versicherer eingestuft werden, zahlen nach seiner Aussage für die Absicherung einer monatlichen Berufsunfähigkeits-Rente von 1000 Euro inzwischen eine Jahresprämie von 1600 Euro.

Risikogruppen sind Dachdecker, Maurer, Schornsteinfeger und Betonbauer. Trotzdem sollte aber jeder diesen Schutz haben. „Und, für jüngere Jahrgänge ist dies die einzige Möglichkeit, das Risiko der Berufsunfähigkeit überhaupt abzusichern“, sagt Schaarschmidt. Natürlich erwartet man, dass die Versicherung, wenn es drauf ankommt, dann auch zahlt. „Wir wissen, dass es hier bei einigen Gesellschaften Schwierigkeiten gibt und sich der etwas günstigere Preis am Ende in der Nichtgewährung der Leistung rächt“, so der Verbraucherschützer.

Die Vertragsbedingungen legt jeder Anbieter für sich fest. „Die Gesellschaften unterscheiden sich hier erheblich. Das macht den Umgang mit dieser Police nicht leichter“, sagt Versicherungsberater Lüschen.

Ein wichtiger Punkt, der späteren Streit um eine Berufsunfähigkeitsrente ersparen kann, ist, wenn der Versicherer schon ein halbes Jahr Krankheit als Berufsunfähigkeit anerkennt. „Über einen solchen Passus erhält der betreffende Kunde auch dann, wenn er noch nicht eindeutig für berufsunfähig erklärt wurde schon eine Berufsunfähigkeitsrente“, erläutert Versicherungsberater Lüschen. Nicht wenige Gesellschaften dürften zwar Policen mit dieser Klausel in der Schublade haben, wollen sie aber nicht gern herausgeben, vermutet Lüschen. „Der Unternehmer sollte versuchen, diesen Punkt in den Vertrag aufnehmen zu lassen.“ Lüschen rät seinen Klienten aus dem Handwerk zu einer sogenannten „Fifty-Fifty-Regelung“, bei der die volle Berufsunfähigkeitsrente ab 50 Prozent Berufsunfähigkeit fließt.

Um sich keine Nachteile einzuhandeln, sollte man sich vor Vertragsabschluss bei diesen komplexen Policen etwa zwei Monate Zeit für das Einholen und die Bewertung der Angebote lassen, empfiehlt Verbraucherschützer Schaarschmidt. Wer dennoch unsicher ist, muss sich beraten lassen: von den Verbraucherzentralen vor Ort, einem Versicherungsmakler oder von einem gerichtlich zugelassenen Versicherungsberater.

Carla Fritz

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de