Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Umgang mit der Pandemie – die Betriebe handeln, die Politik bremst

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Coronavirus und Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Die aktuellen Zeiten scheinen dafür gemacht zu sein, eine neue Art des Verdrängens zu generieren. Es ist nicht mehr üblich, die Chancen eines möglichen Handelns zu nutzen, stattdessen verweist man gern auf das Nicht-Handeln anderer. Der Meinung ist zumindest Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg, wie sie in der neuen Folge ihrer Kolumne „Neues von der Werkbank“ schreibt.

Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg
Ruth Baumann Landesvorsitzende UFH Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. - © privat

Die Herausforderungen der Corona-Pandemie trafen die Betriebe genauso überraschend, wie auch die Verwaltung und die Politik. Während aber nicht nur der Einzelhandel sich um Desinfektionsmittel, Spuckschutz oder Personenhöchstzahl in den Geschäften (am Anfang auf sich allein gestellt) kümmerte, ging die Administration erst mal in Deckung, um die aktuellen Gegebenheiten in Papierform zu fixieren und stündlich neue Verordnungen zu erlassen. In jedem Betrieb standen die Sorgen um die Gesundheit der Belegschaft und der F irmenleitung (ja, um die darf man sich auch sorgen) an oberster Stelle. Es wurde informiert, desinfiziert, organisiert und umstrukturiert. Im möglichen und nötigen Abstand miteinander arbeiten, aber dabei auch aufeinander achtgeben. Die Verantwortung obliegt, wie immer, auf Seiten der Betriebsinhaber. Und diese mussten bereits in Zeiten handeln, in denen andere noch überlegten und analysierten.

Die Sorgen der Unternehmer

Anscheinend waren zu diesem Zeitpunkt viele der Meinung, dass das Risiko sich anzustecken, auf die Arbeitszeit eingegrenzt werden kann. Abstandsregeln, die den Arbeitsalltag als ehernes Gesetz begleiteten, waren in der Freizeit ir relevant. Geselliges Miteinander und soziale Kontakte fanden zunächst weiterhin statt, während man in den Betrieben um Rücksichtnahme warb und (auch an private) Eigenverantwortung appellierte. Die Sorgen der Unternehmer um die Gesundheit aller Beteiligten erhielt spätestens mit den Zuständen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einen Dämpfer. Mindestabstände, Mund-Nasen-Bedeckung, Personenanzahl pro Quadratmeter und Desinfektionsmöglichkeiten waren nicht w irklich gegeben. Die Begründung, weshalb hier die Erfolge betrieblicher Schutzmaßnahmen gefährdet bzw. riskiert wurden, blendete man einfach aus. Ob Schüler, Berufspendler oder andere Fahrgäste, die menschliche Nähe galt als unbedenklich. Nachdem dann Beamten zugebilligt wurde, einen weiteren (unbesetzten) Platz beanspruchen zu dürfen, profitierte dann in der Folge auch die Allgemeinheit davon. Der ÖPNV sollte entzerrt werden. Viele private Busunternehmen konnten, insofern sie noch existierten, Abhilfe schaffen. Doch die Lösung kam zu spät: der Lockdown musste nun das retten, was zu vor verschlafen wurde.

Problem: Untätigkeit

Die Hotellerie, die Gastronomie, der Einzelhandel und viele mehr haben geliefert, investiert und sind erneut zur Untätigkeit gezwungen. Wie lange dies noch sein soll, vermag niemand zu sagen. Von Tag zu Tag fallen mehr Masken über die Folgen von politischer Untätigkeit. Schlechtes Internet, Zwänge der Datenschutzgrundverordnung, unreflektierter ÖPNV, Abhängigkeit von Lieferketten, mangelnde Kenntnisse im Vertragsrecht (Impfstoff) etc. … all das führt vor Augen, was schon in den Jahren zu vor versäumt wurde.

Maßnahmen, die (künftig) helfen?

Die kurzfristige Senkung der Mehrwertsteuer war ein laues Lüftchen und kein großer Wurf. Höchstens in der Ausw irkung bei den Steuereinnahmen. Dann die Forderung nach Homeoffice, sehr populistisch und unrealistisch. Als ob das Internet zu Hause schneller wäre oder das Arbeiten im familiären Umfeld ohne Probleme. Viele schätzen gerade die Trennung von Arbeit und Familie und wollen einen unbeschwerten Rückzugsraum. Doch wahrscheinlich ist man zwischenzeitlich eher damit beschäftigt, die Verteilung der Stromkosten, die steuerliche Behandlung des Arbeitszimmers oder die Einstufung des Mülls aus Homeoffice als Gewerbemüll (teuer) zu regeln.

Stand jetzt: viele offene Fragen

M ir fehlt seitens verschiedener Verantwortlicher einfach der rote Faden: warum hat man den Ablauf der Impfungen nicht bereits letztes Jahr geplant? Warum gibt es noch keine Überlegungen, wie man aus dem Lockdown kommt? Warum w irbt man mit über 20 Millionen Euro für Impfungen, die noch nicht einmal als Impfstoff sichtbar sind? Könnte man den Einzelhandel durch einen partiellen Verzicht auf Parkgebühren retten? Sind die Kommunen bereit dazu? Welche Konsequenzen zieht die Politik? Werden die Parlamente kleiner, um effizienter zu sein? Kann sich Europa auf einen Regierungsstandort einigen, um Klima zu retten und Geld zu sparen?

Alles eine Sache des Wollens

Be vor jetzt die Mandatsträger auf bestehendes Vertragsrecht pochen, nur ein kleiner Hinweis: wer rückw irkende Besteuerung von Lebensversicherungen beschließt oder die Wahl eines Ministerpräsidenten rückabwickelt, kann auch derartige Dinge bewegen. Oder aber für eine Versorgung mit Medikamenten sorgen…wenn man es denn will! Oder man bremst Ideen aus, weil man immer nur vor und nicht nach Wahlen Vorhaben umsetzen will. Aber Hauptsache unsere Betriebe handeln, denn dazu sind sie ja verpflichtet…