Unberechtigte Zahlungsaufforderungen Inkasso-Abzocke: So können sich Handwerker wehren

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Schreiben von Inkassounternehmen sind häufig in einem sehr rauen Ton verfasst und beinhalten zum überwiegenden Teil auch die Androhung von gerichtlichen Schritten, kommt man der Forderung nicht innerhalb der zumeist äußerst kurzen Frist nach. Aber ist das überhaupt rechtens? Das können Sie gegen die oft unseriösen Machenschaften tun.

Inkasso, Abmahnung, Rechnung
Inkassoschreiben sind grundsätzlich keine gern gesehene Post. Handwerksunternehmer sollten immer erst die Forderung und deren Fälligkeit prüfen – und dann kontrollieren, ob Verzug vorliegt. - © fizkes - stock.adobe.com

Werden Rechnungen nicht bezahlt, gehen oftmals und ziemlich schnell Schreiben von Inkassounternehmen ein. Allerdings sind nicht alle Unternehmen auch seriös. Das erkennt man zumeist daran, dass in dem Schreiben neben der eigentlichen Forderung noch diverse und völlig überhöhte Nebenkosten eingefordert werden. Das wird zudem mit der Androhung von gerichtlichen Schritten getoppt, wenn man der Zahlungsaufforderung nicht innerhalb der kurzen Frist nachkommt.

Diese Fakten sollten Sie bei Schreiben von Inkassounternehmen kennen:

  • Die Grundvoraussetzung für eine Zahlungsaufforderung ist die Fälligkeit der Forderung. Nach dem Gesetz ist eine Forderung grundsätzlich sofort fällig. Allerdings können hiervon auch abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Achtung: Ist für die Leistung eine Zeit bestimmt oder ergibt sich der Zeitpunkt aus den Umständen, ist diese maßgeblich!
  • Ist der Fälligkeitszeitpunkt überschritten, kommt man dann zu der Frage: Wann liegt Zahlungsverzug vor? Verzug tritt nicht immer automatisch und unmittelbar aufgrund von Zeitablauf ein. Nach dem Gesetz sind vielmehr folgende Voraussetzungen nötig:
  1. Mahnung, inklusive Fristsetzung und
  2. Nichtzahlung innerhalb der Frist nach der Mahnung
Ausnahmsweise kann eine Mahnung aber entfallen, wenn folgenden Voraussetzungen vorliegen:
  1. Das Zahlungsziel ist nach dem Kalender bestimmt ("Zahlung bis 04.05")
  2. Die Leistung ist von einem Ereignis abhängig (Rechnungseingang) und kann von diesem Zeitpunkt an berechnet werden ("Fälligkeit innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt der Rechnung")
  3. Die Zahlung wird ernsthaft und endgültig verweigert
  4. Die Mahnung ist unter Abwägung beidseitiger Interessen entbehrlich, zum Beispiel weil man vertraglich auf eine Mahnung verzichtet hat.
Zusätzlich kann auch dann Verzug ohne eine Mahnung eintreten, wenn die Zahlung nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Erhalt der Rechnung bzw. einer vergleichbaren Zahlungsaufstellung (Übersicht aus der Auftragsbestätigung) nicht erfolgt.
  • Liegt Verzug nach den oben benannten Voraussetzungen vor, sind die Rechtsfolgen, dass (1.) die ursprüngliche Forderung nach wie vor noch zu bezahlen ist. Zudem können nunmehr aber auch (2.) weitere Ansprüche wie Schadensersatz und Verzugszinsen verlangt werden. Achtung: Kommt ein Unternehmer in Zahlungsverzug, können Verzugszinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt werden. Bei Verbrauchern sind es nur fünf Prozentpunkte. Hinzu kommt die oft übersehene gesetzliche Pauschale von 40 Euro gemäß § 288 Abs. 5 BGB. Diese Pauschale gilt bereits Kraft Gesetz und muss nicht vertraglich vereinbart werden! Hier ist auch der Nachweis eines fehlenden bzw. geringeren Schadens nicht möglich.

Inkassokosten als Schadensersatz

Geht nun ein Inkassoschreiben beim Handwerksbetrieb ein, sollte man zunächst genau prüfen, ob die Hauptforderung als solche überhaupt berechtigt und fällig ist oder ob nach den oben benannten Voraussetzungen tatsächlich Verzug vorliegt. Sollte die Forderung zwar bestehen, allerdings kein Verzug vorliegen, ist die Hauptforderung zum Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen und die Inkassokosten können zurückgewiesen werden.

Liegt demgegenüber tatsächlich Verzug vor, ist dann aber immer noch zu prüfen, ob die in dem Inkassoschreiben geforderten Nebenforderungen gerechtfertigt sind. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können Inkassokosten zwar dem Grunde nach als Verzugsschaden geltend gemacht werden. Dieser Grundsatz erfährt jedoch insbesondere im Hinblick auf die Höhe einige Einschränkungen.

  • Praxistipp: Als Faustformel kann man sich merken, dass Inkassokosten grundsätzlich nur in der Höhe zu erstatten sind, wie sie bei einer Beauftragung eines Rechtsanwaltes entstanden wären. Für Rechtsanwälte gelten grundsätzlich die gesetzlichen Vorschriften nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Im Ergebnis sind im Fall von Verzug also die Hauptforderung und die Verzugsschäden zu zahlen, wobei letztere nur in angemessener Höhe zu leisten sind.

So sollten Sie mit unseriösen Inkassoschreiben umgehen

Leider sind nicht alle Inkassounternehmen seriös. Wer als Handwerksunternehmer eine Mahnung erhält sollte aufgrund dessen zu allererst prüfen, ob die Forderung überhaupt besteht bzw. ob die Rechnung überhaupt vom eigentlichen Vertragspartner zuvor gestellt wurde. Nicht selten werden gefälschte Forderungen, wie etwa aus behaupteten Gewinnspielen angemahnt, ohne dass diese tatsächlich existieren. In diesem Fall sollte man die Sache der Polizei übergeben.

  • Praxistipp: Inkassounternehmen müssen laut Gesetz in ihrer Mahnung genau angeben, um welche Forderung es sich handelt, das heißt sie müssen die Art der Forderung angeben. Dass kann beispielsweise durch die Nennung von Namen oder Firma des Auftraggebers erfolgen. Zudem muss in der Mahnung auch der Grund der Forderung aufgeführt werden. Tauchen nach der Prüfung Zweifel auf, sollten Handwerksbetriebe ihren Vertragspartner kontaktieren.

Inkasso-Schreiben genau prüfen!

Neben der Forderung an sich, ist auch das Inkassoschreiben genauer zu prüfen. So sollten Handwerksbetriebe die Angaben im Briefkopf mit den restlichen Angaben aus dem Schreiben auf Übereinstimmung kontrollieren. Ist als Absender des Inkassoschreibens zum Beispiel eine deutsche Anschrift angeführt, taucht dann aber eine ausländische Bankverbindung auf, sollte man äußerst vorsichtig sein.

  • Praxistipp: Die ersten beiden Buchstaben der IBAN lassen das Land erkennen, in dem das Konto geführt wird. So steht „DE“ für Deutschland. Zudem müssen sich seriöse Inkassounternehmen in Deutschland im Rechtsdienstleistungsregister registrieren lassen. Handwerksbetriebe sollten von daher unter rechtsdienstleistungsregister.de nachschauen, ob das Inkassounternehmen in Deutschland tatsächlich registriert ist.  

So sollten Sie reagieren, wenn Inkassounternehmen mit gerichtlichen Schritten drohen

Eine weitere Frage ist im Zusammenhang mit Inkassoschreiben die, ob gerichtliche Schritte angedroht werden dürfen oder ob dies eine unzulässige geschäftliche Handlung darstellt. Hierzu hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung getroffen (Az.: I ZR 25/17): Nach Ansicht des Gerichts ist zunächst immer dann von einer unzulässigen Beeinflussung durch ein Inkassoschreiben auszugehen, wenn hierdurch die Machtposition durch das Unternehmen derart ausgenutzt wird, dass ein Druck auf den Empfänger ausgeübt wird und der Empfänger aufgrund der Drucksituation keine ausreichend informierte geschäftliche Entscheidung mehr treffen kann. Das sei zumindest dann der Fall, wenn die geschäftliche Handlung (= Inkassoschreiben) geeignet ist, eine rationale Entscheidung des Empfängers vollkommen in den Hintergrund treten zu lassen. Achtung: Die Maßstäbe wann eine solche Beeinflussung vorliegt, sind bei "Verbraucher-Empfänger" strenger als bei "Unternehmen-Empfänger".

Darüber hinaus führt das Gericht aus, dass sich aus den gesetzlichen Regelungen des UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) ergebe, dass Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen unzulässig sind. Im Umkehrschluss seien somit aber Drohungen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht zu beanstanden. Das gilt jedoch nur dann, wenn bei der Drohung mit einer rechtlich zulässigen Maßnahme offenkundig wird, dass der Schuldner immer auch die Möglichkeit hat, den Eintritt der angedrohten Rechtsfolgen durch rechtliche Schritte zu verhindern.

  • Beispiel: Werden in dem Inkassoschreiben zwar gerichtliche Schritte, einschließlich Vollstreckungsmaßnahmen angedroht, wird zugleich aber auch darauf hingewiesen, dass der Schuldner selbst gerichtliche Schritte ergreifen kann, um die Forderung prüfen zu lassen, ist das Inkassoschreiben aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das ist allerdings von den Fällen zu unterscheiden, bei denen mit einem SCHUFA-Eintrag gedroht wird.

Kurz zusammengefasst – Handlungsempfehlung bei Inkassoschreiben:

Inkassoschreiben sind grundsätzlich keine gern gesehene Post. Wird einem Handwerksbetrieb ein solches Schreiben zugestellt, ist immer erst die Forderung und deren Fälligkeit zu prüfen. Besteht die Forderung, ist dann im zweiten Schritt immer noch zu kontrollieren, ob Verzug vorliegt. Denn nur falls dies der Fall ist, können Verzugsschäden in Form von Inkassokosten und Verzugszinsen verlangt werden. Das wiederum aber auch nur in angemessener Höhe. Liegt hingegen keine Rechnung vor und wird versucht eine Fake-Forderung einzutreiben, sollten Betriebe zur Polizei gehen und der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen. Ansonsten empfiehlt es sich, sämtliche Zahlungsziele im Auge zu behalten und ein effektives Zahlungs- und Forderungsmanagement zu etablieren.

*Über Anna Rehfeldt – handwerk magazin-Expertin
Anna Rehfeldt
Rechtsexpertin für das handwerk magazin Anna Rehfeldt. - © Anna Rehfeldt

Die Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M. mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen in den Bereichen Zivil- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Etabliert haben sich insbesondere ihre Inhouse-Schulungen sowie der Service einer externen Rechtsabteilung. Frau Rehfeldt ist zudem seit Januar 2018 TÜV-zertifizierte Datenschutzbeauftragte.