UNESCO Kulturerbe Hessischer Kratzputz im immateriellen Kulturerbe

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2013 trat Deutschland dem immateriellen Kulturerbe bei. Ziel: die Erhaltung verschiedener kultureller Ausdrucksformen wie etwa traditioneller Handwerkstechniken. Mit dem „Hessischen Kratzputz“ startet unsere Serie zum immateriellen Kulturerbe.

© Gerwin Stein

Künstlerische Figuren, Blumen, Symbole, Menschen oder Tiere verzieren in Hessen, Unterfranken, Thüringen und im Gebiet Vierlande bei Hamburg die Gefacheflächen vieler alter Fachwerkshäuser. Die Handwerkstechnik, die diese Ornamente entstehen lässt, ist in Deutschland einzigartig. Sie nennt sich Hessischer Kratzputz. Dafür wird der Putz mit unterschiedlichen Werkzeugen aufgekratzt und dabei Motive eingearbeitet.

Ältest datierte Gefacheputz aus dem Jahr 1782

Gerwin Stein, Leiter der Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege der Propstei Johannesberg in Fulda, setzte sich ein, den Hessischen Kratzputz als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkennen zu lassen. Das ist ein Handwerk, das heute nicht mehr oft ausgeübt wird. Trotzdem soll es nicht vergessen werden. Seit dem 18. Jahrhundert existiert der Hessische Kratzputz. „Vielleicht gibt es auch noch Putze aus dem 17. Jahrhundert“, sagt Stein. Der älteste datierte Gefacheputz ist heute jedenfalls in einem Freilichtmuseum zu finden: Er stammt aus dem Jahr 1782 von der Werkstatt Donges “, berichtet Stein.

Der Hessische Kratzputz ist heute selten

Zu Beginn wurden viele Schutzsymbole für die Hausbewohner angebracht, später rückte die künstlerische Gestaltung in den Vordergrund. „Es finden sich überwiegend florale Muster auf den Gefacheflächen.“ Heute kommt der Hessische Kratzputz nur noch selten zum Einsatz. „Diese Handwerkstechnik ist in den letzten 100 Jahren in Vergessenheit geraten. Hin und wieder gibt es noch ein paar Aufträge. Manchmal sind das Ausbesserungen, manchmal auch Neuaufträge , aber das ist eher selten“, sagt Stein. Damit der Hessische Kratzputz jedoch nicht ganz vergessen wird, stellte Gerwin Stein von der Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege in Fulda 2015 den Antrag, die Technik als immaterielles Kulturerbe anerkennen zu lassen. „Seit 2013 verfolge ich das Projekt der UNESCO. Ich fand das immaterielle Kulturerbe schon seit der Einführung interessant“, erläutert er sein Vorgehen.

Selbstgefertigtes Werkzeug von Meister Christian Ludwig zur Ausarbeitung der Ornamentik, im Jahr 1936. - © Gerwin Stein

Hessischer Kratzputz

Handwerk: künstlerische Gestaltung von Gefacheflächen
Entstehung: 18. Jahrhundert
Beitritt: 2016
Ursprung: Hessen, Unterfranken, Thüringen und Gebiet Vierlande bei Hamburg
Ausübung: vereinzelte Handwerksbetriebe in Hessen

Im Jahr 2016 folgte die Anerkennung seitens der UNESCO . „Das ist gut so, denn das Handwerk verschwindet immer mehr aus der Region. Momentan wenden nur noch vereinzelte Betriebe diese Technik an“, sagt er. Bedingt wird das Ganze durch das Herunterfallen der Putze oder als Folge von Energiesparmaßnahmen. Sein Ziel: mithilfe des immateriellen Kulturerbes das Kulturgut wieder in das Gedächtnis der Bevölkerung und Hausbesitzer zu rufen. „Das immaterielle Kulturerbe ist etwas ganz Besonderes! Dadurch konnten wir viel Aufmerksamkeit auf unser Handwerk lenken“. Und nicht nur das: Seit der Anerkennung als Kulturerbe gäbe es wieder mehr Aufträge für Maler oder Stuckateur-Betriebe: „ Den Hauseigentümern fällt nun auf, dass sie etwas Besonderes an ihrer Hauswand haben“, erklärt Stein.

Praxisseminare durch die Propstei Johannesberg

Unterstützt wird das Ganze durch Praxisseminare der Propstei Johannesberg . Dort wird die Konservierung, Rekonstruktion und Restaurierung des Putzes gelehrt. Stein räumt ein, dass es nicht einfach sei die Leute zu erreichen. „Es zeigt sich aber schon ein Erfolg“, erläutert er. Damit der Hessische Kratzputz auch zwei Jahre nach seiner Anerkennung nicht wieder in Vergessenheit gerät, seien aber weitere Maßnahmen erforderlich. „Wir wollen am Tag des offenen Denkmals Führungen anbieten. Außerdem hatten wir uns überlegt, eine Kratzputz-Route zu etablieren und Broschüren mit Hintergrundinformationen zu entwerfen.“

https://www.youtube.com/watch?v=u59Zbxo_FxE&feature=youtu.be