Starttermin 2021 Grundrente: Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Selbstständige

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Die Grundrente ist beschlossene Sache! Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekommen ab dem 1. Januar 2021 rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen Renten einen Zuschlag zu ihren Bezügen. Kosten für den Steuerzahler: 1,3 Milliarden Euro. Das bedeutet der Kompromiss für Arbeitnehmer – und das kommt demnächst auch auf Selbstständige zu.

Grundrente, Respektrente
Die Grundrente, vor allem von der SPD auch Respektrente genannt, muss seitens des ZDH, des BDA und sogar der Gewerkschaften viel Kritik einstecken. - © studio v-zwoelf - stock.adobe.com

Mindestens 33 Jahre Rentenbeiträge aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeitmüssen die laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen Renten nachweisen können, um den Zuschlag der Grundrente in Anspruch zu nehmen. Den Steuerzahler kostet die Grundrente schätzungsweise 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro pro Jahr, die aus dem Bundeshaushalt kommen sollen. Eine Einkommensprüfung soll sicherstellen, dass Bedarf besteht. Das bedeutet die beschlossene Grundrente für Arbeitnehmer und Selbstständige:

Arbeitnehmer:

  1. Voraussetzungen: Um den Grundrenten­zuschlag in voller Höhe erhalten zu können, müssen mindestens 35 Jahre an sogenannten Grundrenten­zeiten vorhanden sein. Die Grundrente startet aber in einem sogenannten Übergangs­bereich bereits dann, wenn 33 Jahre Grundrenten­zeiten vorhanden sind. Grundrenten­zeiten sind zum Beispiel Zeiten mit Pflicht­beiträgen aus Berufs­tätigkeit, Kinder­erziehungs- und Pflege­zeiten sowie Zeiten, in denen man Leistungen bei Krankheit oder Reha­bilitation bekommen hat. Nicht mitgezählt werden Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld I und II, Zeiten der Schul­ausbildung, freiwillige Beiträge oder Zeiten einer gering­fügigen Beschäftigung - eines sogenannten Minijobs - ohne eigene Beitrags­zahlung.
  2. Einkommensgrenzen: Alleinstehende Rentner mit einem monatlichen Einkommen von maximal 1.250 Euro und Eheleute oder Lebenspartner mit bis zu 1.950 Euro erhalten den vollen Aufschlag. Einkommen, die über diese Freibeträge hinausgehen, werden zu 60 Prozent auf den Grundrentenzuschlag angerechnet.
    Beispiel A:
    Erhält ein Rentner 1.300 Euro, liegt seine Rente 50 Euro über dem maximalen Freibetrag. 60 Prozent dieser 50 Euro, also 30 Euro, werden von der Grundrente abgezogen. Übersteigt das Einkommen 1.600 Euro für Alleinstehende und 2.300 Euro bei Paaren wird der Betrag, der über der Freigrenze liegt, vollständig auf den Zuschlag angerechnet.
    Beispiel B:
    Hat ein alleinstehender Rentner 1.700 Euro Einkommen, vermindert sich seine Grundrente um 100 Euro.
  3. Höhe der Grundrente: Die genaue Berechnung ist höchst kompliziert und hängt von der Anzahl der individuell erworbenen Entgeltpunkte für die Rente ab. Ein Durchschnittsverdiener erhält pro Jahr einen Entgeltpunkt. Wer weniger verdient, bekommt entsprechend weniger Rentenpunkte. Bei Geringverdienern, die 35 Jahre eingezahlt haben, aber nur auf 0,4 bis 0,8 Punkte kommen, wird auf maximal 0,8 Punkte aufgestockt. Dieser Wert wird schließlich um 12,5 Prozent verringert, um sicherzustellen, dass diejenigen, die ihr Leben lang mehr eingezahlt haben, auch mehr ausgezahlt bekommen. Damit liegt der höchstmögliche Zuschlag nach Angaben des Ministeriums bei rund 404 Euro brutto. Davon werden nach Angaben von Experten der ARAG Versicherung die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen, so dass am Ende maximal etwa 360 Euro netto mehr Rente im Geldbeutel bleiben.
  4. Beantragen der Grundrente: Viele Arbeitnehmer und Rentner fragen sich, ob und wie sie die Grundrente überhaupt beantragen können. Die Antwort lautet: "gar nicht". Experten der ARAG Versicherung weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einkommensprüfung über die Rentenversicherung automatisch durchgeführt wird, um den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten. Die Daten werden von den Finanzämtern geliefert. "Obwohl wir alle Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, bleibt die Umsetzung sehr aufwendig und der Auszahlungsstart wird Mitte 2021 erfolgen. Zunächst werden aus den knapp 26 Millionen Renten diejenigen herausgefiltert, bei denen die Voraussetzungen für die neue Leistung monatsgenau erfüllt sind. Um die Einkommensprüfung inklusive der Ehepartner durchführen zu können, wird darüber hinaus ein ganz neues Datenaustauschverfahren mit den Finanzämtern entwickelt", erklärt Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund in einem Kommentar auf der Website der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). "Insgesamt werden dafür im Einführungsjahr kurzfristig rund 3.500 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt."

Selbstständige:

Für Selbstständige hat der Kompromiss bei der Grundrente indirekte Auswirkungen: Bereits im Jahr 2019 wollte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige auf den Weg bringen. Durch die zähen Verhandlungen für die Grundrente verschleppte sich aber das Vorhaben. Nun soll „möglichst noch in der ersten Jahreshälfte“ ein Referentenentwurf vorgelegt werden, hieß es in einer Antwort der Bundesregierung Anfang des Jahres 2020 auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag. Ziel dieser potenziellen Rentenversicherungspflicht ist, dass alle Selbstständigen für das Alter vorsorgen. Durch die Coronavirus-Krise liegt das Vorhaben aber derzeit auf Eis. Zwei Varianten sind vorgesehen:

  1. Gesetzliche Rentenversicherung: Selbstständige müssen hier 18,6 Prozent ihres Einkommens in die Rentenkasse einzahlen.
  2. Private Altersvorsorge: Als Alternative zur gesetzlichen Rentenversicherung kann auch eine private Altersvorsorge gewählt werden, allerdings nur, wenn in ähnlichem Rahmen eingezahlt wird.
Über mögliche Ausnahmen von der Regelung wird heftig debattiert. Von der Rentenversicherungspflicht könnten laut SPD über 45-Jährige ausgenommen werden, die sich nach Inkrafttreten des Gesetzes selbstständig machen. Die Union stellt sich dagegen eine Altersgrenze von 40 Jahren vor. Zusätzlich steht eine Erleichterung für Existenzgründer im Raum, sich für maximal zwei Jahre von der Pflicht befreien zu lassen. handwerk magazin wird über das Thema natürlich ausführlich berichten.

Überwiegend Kritik – die Stimmen zur Grundrente:

Wirtschaftsverband "Die Jungen Unternehmer": Der Wirtschaftsverband der Jungen Unternehmer übt heftige Kritik: "Lieblingsprojekte auf Pump haben trotz Corona Hochkonjunktur bei der Bundesregierung. Die junge Generation wird mit der schuldenfinanzierten Grundrente jedoch noch stärker belastet und das Rentensystem dauerhaft an den Tropf der Steuerzuschüsse gehängt. Die Angst von CDU und CSU vor einem Renten-Wahlkampf wird der jungen Generation teuer zu stehen kommen. Dabei ist das deutsche Rentensystem aufgrund der demografischen Entwicklung schon jetzt nicht mehr überlebensfähig. Es ist unverantwortlich, dass immer mehr Lasten auf die Schultern der Beitrags- und Steuerzahler und vor allem auf die Schultern der jungen Generation abgeladen werden. Die Corona-Krise verschlimmert das Problem noch, weil weniger Einnahmen in die Staatskassen fließen während die Ausgaben kräftig steigen", kritisiert Sarna Röser, Bundesvorsitzende des Wirtschaftsverbands. "Sinnvoller wären zielgenaue Maßnahmen gegen Altersarmut und eine generationengerechte Reform des Rentensystems. Vorschläge dazu hat die Junge Rentenkommission unter Vorsitz der Jungen Unternehmer vorgelegt. Dazu gehört die Diskussion über längeres Arbeiten, die Stärkung der privaten Altersvorsorge, ein digitales Rentenkonto für mehr Transparenz und das Ziel der Generationengerechtigkeit im Grundgesetz zu verankern."

Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): Der Zentralverband des deutschen Handwerks lehntedie Grundrente bereits im Februar 2020 mit Nachdruck ab. "Auch der nun vom Bundeskabinett verabschiedete überarbeitete Grundrentenkompromiss ist kritisch zu sehen", sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. Um den Kreis der Anspruchsberechtigten etwas einzuschränken sei zwar noch an einigen kleinen Stellschrauben – wie etwa der Einkommensanrechnung – gedreht worden. Auf eine Bedürftigkeitsprüfung werde allerdings weiter verzichtet. Das schaffe neue Ungerechtigkeiten: So würde jeder Beitrags-Euro eines Versicherten, der keine Grundrente beanspruchen kann, künftig zu deutlich geringeren Rentenansprüchen führen als der Beitrags-Euro eines Versicherten, der die Grundrente bekommt. Weiter ungeklärt bleibe auch die Finanzierung der Grundrente. Zwar sollen die Beitragszahler nicht zusätzlich belastet, sondern der Steuerzuschuss für die Rente entsprechend erhöht werden. Ein detailliertes Finanzierungskonzept dafür liegt bisher jedoch nicht vor. Sein Fazit: "Insgesamt trägt die Grundrente in dieser Form sicher nicht zu einem nachhaltigen und gerechten Rentensystem bei."

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, sagte ebenfalls im Februar 2020, dass der Grundrenten-Beschluss für gravierende Ungerechtigkeiten sorge und keinen zielgenauen Beitrag gegen Altersarmut leiste. "Was die Große Koalition nun beschließt, verwischt die Grenze zwischen beitragsfinanzierter Rente und bedürfnisorientierter Grundsicherung", so Kramer.

Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte Anfang Juli 2020 im SWR, dass der gute Entwurf von Arbeitsminister Heil leider von der CDU/CSU sehr verändert worden sei. Mit dem ursprünglichen Gesetz des Arbeitsministers hätten deutlich mehr einkommensschwache Rentner von der Grundrente profitiert. Selbst bei 45 Jahren Arbeit für 2.000 Euro bliebe auch ohne Grundrente gerade mal eine Rente von 800 Euro. Aus Sicht des DGB könne es nicht sein, dass Busfahrer, Paketzusteller, Pflegerinnen, Beschäftigte im Einzelhandel und viele andere mehr, die jahrelang in die Rentenversicherung eingezahlt hätten im Alter nachher in Armut fielen. "Deshalb hat sich der DGB für die Grundrente eingesetzt, für diesen sozialen Ausgleich, den wir brauchen, weil es auch eine Frage des Respekts vor den Menschen ist, die ihr Leben lang gearbeitet haben, und dann auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt", so das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds.