Gläserne Handwerkskunst Glasmacher: Verdrängung durch Industrie

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Immaterielles Kulturerbe Handwerk

Das Handwerk der Glasmacher wurde 2015 als immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Mit ihrer Technik zur Erzeugung von mundgeblasenem Hohl- und Flachglas sind Glasmacher ein Handwerkszweig, der seit 1960 immer mehr durch die Industrie verdrängt wurde.

Glashütte Baruth
In der Glashütte Baruth in Brandenburg werden noch Hohl- und Flachgläser manuell gefertigt. Die Hütte wurde 1716 gegründet, heute ist sie Teil eines Museums. - © Fiona Kellner

Lodernde Flammen züngeln im Ofen. Die Glut ist bis zu 1.200 Grad heiß. Glasmacher üben ein schweißtreibendes Handwerk aus. Heute gibt es nur noch wenige, wie beispielsweise die im Museumsdorf Baruther Glashütte .

Georg Goes, Historiker und Leiter der Glashütte im brandenburgischen Baruth, will das Handwerk erhalten. Zusammen mit Glasmachern, unter anderem aus Bayern, die Tafelglas oder Flachglas noch traditionell herstellen, stellte er den Antrag, das Handwerk als immaterielles Kulturerbe von der UNESCO anerkennen zu lassen. Seit 2016 steht es auf der deutschen Liste. Sein Ziel: eine weltweite Anerkennung.

Glasmacher gibt es seit knapp 4.000 Jahren. Entstanden ist die Technik aus einer zufälligen Erfindung, bei der zuerst Perlen und Glasuren, später auch Hohlgläser hergestellt wurden. Der Unterschied zwischen Glasmachern und Glasbläsern liegt darin, dass Glasbläser ihr Glas formen, indem sie statt am Ofen mit einem offenen Brenner arbeiten .


In unserem Raum wird das Handwerk seit der Römerzeit betrieben. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die handwerkliche Herstellung von Glas zunehmend durch Blasmaschinen mechanisiert und ab 1960 fast vollkommen verdrängt.

„Es ist wichtig dass der Handwerkernachwuchs weiß, dass es auch heute noch ausgebildete Glasmacher gibt“, sagt Georg Goes. Zusammen mit Kollegen aus Gerresheim in Westfalen und Waldsassen in der Oberpfalz rief er deswegen ein Projekt ins Leben.

Bewusstsein der Bevölkerung

Das Ziel: das Glasmacher-Handwerk mithilfe des immateriellen Kulturerbes wieder stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. „Denn diese Handwerkstradition darf nicht verloren gehen. Sonst gibt es einen Kulturbruch“, erklärt Historiker Goes.

2.000-jährige asiatische Geschichte

Glasmacher gibt es seit knapp 4.000 Jahren. Entstanden aus einer zufälligen Erfindung, bei der zuerst Perlen und Glasuren, später auch Hohlgläser hergestellt wurden. In Deutschland wird das Handwerk seit der Römerzeit betrieben, das belegen Funde in Köln und Trier. Einzige Unterbrechung: Im Mittelalter wurde es nur vereinzelt ausgeführt.

Ab dem 13. Jahrhundert wird es in Europa, von Venedig ausgehend, wieder populär. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die handwerkliche Herstellung von Glaszunehmend durch Blasmaschinen mechanisiert und ab 1960 fast vollkommen verdrängt. „Es ist wichtig, dass der Handwerkernachwuchs weiß, dass es auch heute noch ausgebildete Glasmacher gibt“, sagt Georg Goes. Zusammen mit Kollegen aus Gerresheim in Westfalen und Waldsassen in der Oberpfalz rief er deswegen ein Projekt ins Leben. Ziel: das Glasmacher-Handwerk mithilfe des immateriellen Kulturerbes wieder stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. „Diese Handwerkstradition darf nicht verloren gehen. Sonst gibt es einen Kulturbruch“, erläutert er.

Erhitzen, blasen und bearbeiten

Die Glasherstellung ist nicht einfach. Der erste Schritt: das Glas erhitzen. Danach wird das Glas mit der Glasmacherpfeife aufgenommen und geformt. Die Glasmacherpfeife, entwickelt etwa 100 vor Christus, ist ein Metallrohr, in das hineingeblasen wird. Dadurch wird das Glas geformt. Wird das Glas zu kalt, kommt es wieder in den Ofen. Zusatzwerkzeuge wie die Zange werden verwendet, um das Glas in die richtige Form zu bringen. Das Handwerk braucht viel Erfahrung. Die Glasmacher müssen einschätzen können, wann das Glas heiß genug ist für die Verarbeitung. Grundsätzlich ist Glas einfarbig oder durchsichtig. Es können jedoch auch Glasfragmente in anderen Farben eingefügt werden. So entstehen individuelle Einzelstücke, Figuren oder Kunstwerke.

Selbst geblasene Glasunikate

Heute gibt es noch rund 150 Glasmacher für mundgeblasenes Hohl- und Flachglas in Deutschland. Davon etwa zwei bis drei Auszubildende pro Jahr. Im Baruther Museumsdorf können Besucher den Handwerkern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Außerdem zeigt das Glasstudio die 300-jährige Tradition der Baruther Glashütte . Vor Ort werden kleine Serien wie etwa Weingläser, Vasen oder Sonderanfertigungen wie Beleuchtungsglas mit der Glasmacherpfeife hergestellt. „Ich finde es toll, dass auch heute noch ein so altes Werkzeug wie die Glasmacherpfeife funktioniert“, sagt Goes.

Glasmacher

  • Handwerk: Erzeugung von mundgeblasenem Hohl- und Flachglas
  • Entstehung in Deutschland: vor circa 2.000 Jahren eingeführt durch die Römer
  • Beitritt: 2015
  • Ursprung: 4.000-jährige Tradition
  • Ausübung: 150 Glasmacher in Deutschland

Immaterielles Kulturerbe: Manuelle Fertigung von mundgeblasenem Hohl- und Flachglas

Kurz-Info: Immaterielles Kulturerbe der UNESCO in Deutschland

Definition: Durch das immaterielle Kulturerbe soll die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in und aus Deutschland sichtbar gemacht werden. Zu diesen Ausdrucksformen zählen neben Tanz, Theater, Musik und mündlich überlieferten Bräuchen auch verschiedene Handwerkskünste.

Voraussetzungen: Das Kulturgut muss eine besondere Technik oder auch Handwerkstechnik sein, die seit vielen Jahren generationsübergreifend betrieben wird und identitätsstiftend für eine spezielle Region ist.

Deutscher Beitritt am 10. Juli 2013

Verzeichnis: Auf Bundes- und Landesebene. Bundesländer wie Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben zusätzlich eigene landesweite Verzeichnisse. Aktuell sind 72 Kulturformen in der Liste aufgeführt.