Interview mit Franz Falk, ehemaliger Geschäftsführer der HWK Stuttgart "Wer spezialisiert ist, schneidet meist besser ab"

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Ausbildung, Plattform-Business und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Online-Portale revolutionieren das Handwerk und sorgen auch in den ländlichen Regionen mehr Wettbewerb, sagt Franz Falk. Ganz besonders ist der Generalist von dieser Entwicklung betroffen. Der ehemalige Geschäftsführer der HWK Stuttgart fürchtet, dass viele Handwerksunternehmer das noch nicht verstanden haben.

Frank Falk
Frank Falk - © Björn Hänssler
Frage: Herr Falk, wir sehen bereits heute, dass alles digitalisiert wird, was digitalisiert werden kann. Kann man das auch auf die Bereiche des handwerklichen Kerngeschäfts und der handwerklichen Produktion übertragen. Anders formuliert: Wird auch hier alles automatisiert, was automatisiert werden kann?

Franz Falk: Mit Sicherheit, denken wir nur an die Brezelback- und -schlingmaschinen bei den Bäckereien, an die Lackierroboter oder an die Abbundzentren der Zimmerer, wo auf Basis von CAD-Daten das Holz für einen Dachstuhl zugeschnitten wird. Künftig werden immer mehr Auftragsdaten direkt aus den digitalen Planungs- und Entwurfsprogrammen an entsprechende Maschinen weitergegeben. Etwa die Planungsdaten eines Gebäudes, die auf Basis von Standards wie BIM Building Information Modeling entwickelt wurden. Diese Daten werden künftig direkt in einen Maurerroboter digital übermittelt, der das dann automatisch umsetzt.

Große Internet-Plattformen bündeln immer mehr die Nachfrage nach bestimmten Produkten oder Dienstleistungen. Die daraus entstehenden Aufträge werden dann selbst abgearbeitet oder wiederum an Dienstleister oder Handwerksbetriebe weitergegeben. wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Das sollte man sehr ernst nehmen. Denn Konzepte wie etwa das des Badrenovierers Banovo oder das von Thermondo sind sehr vielversprechend und revolutionieren ihre Branche. Solche Ansätze existieren mittlerweile in vielen Handwerksbranchen.

Entsteht hier ein Problem für die Betriebe?

Ja, denn viele Betriebe befürchten zu Recht, dass sie durch eine Zusammenarbeit mit diesen Plattformen von ihnen abhängig werden könnten. Etwa dadurch, dass die Betriebe gar keinen eigenen Vertrieb mehr haben. Wir müssen allerdings demgegenüber feststellen, dass der Vertrieb bei vielen Handwerkern eine echte Schwachstelle ist und außerdem ziemlich viele Kosten verursacht. Nämlich die Zeit, die ein Handwerksunternehmer braucht, um zu beraten, kalkulieren und nachzufassen bis er den Auftrag dann endlich hat.

Sehen Sie vor diesem Hintergrund auch Vorteile?

Es könnte durchaus Sinn machen, wenn Handwerksunternehmer durch eine Kooperation mit einer Online-Plattform ihren Vertrieb sozusagen auslagern. Vor allem dann, wenn sie über diese Plattform eventuell auch herausfiltern können, welche Aufträge für sie besonders interessant sind - etwa aufgrund von Fertigungszeiten oder der regionalen Lage.

Wie geht es mit der Ausbildung weiter? Wir hören immer wieder, dass die Berufsschulklassen polarisieren: die Einen fühlen sich unterfordert, die Anderen haben Mühe mitzukommen.

Ganz klar, das Handwerk muss attraktiv sein, qualifizierte Jugendliche müssen ins Handwerk kommen und kommen wollen. Und die Eltern müssen umdenken und erkennen, dass ein Studium nicht immer anstrebenswert ist. Viele Handwerksunternehmer sehen eine immer größere Diskrepanz zwischen den steigenden Anforderungen der Kunden und den Nachwuchskräften, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben. Die Schere geht immer weiter auseinander: Die Ansprüche steigern, die Qualifikation lässt nach. Viele Handwerker wollen sich dieser Herausforderung künftig gar nicht mehr stellen. Doch das wäre fatal.

Trifft mein Eindruck zu, dass künftig die Zusatzqualifikationen und die Spezialisierungen die eigentlichen Karrieretreiber und Erfolgsfaktoren und damit die Kernqualifikationen sind und die klassische Ausbildung etwas ist, was einfach vorausgesetzt wird?

Das sieht man ganz deutlich auch bei den Betrieben: Wer spezialisiert ist, schneidet meist eher besser ab. Die erfolgreichsten Betriebe verfügen über eine Spezialisieung - vorausgesetzt, sie haben die richtige Sparte herausgesucht.

Der Standardbetrieb, der keine ausgeprägte Spezialisierung hat, gerät künftig stärker unter Druck, ist eventuell auch konjunkturanfälliger?

Das trifft zu, ist aber regional unterschiedlich: im ländlichen Raum kann sich der Generalist noch stärker durchsetzen, im großstädtischen Raum weniger. Allerdings bekommt der Generalist durch das Internet und durch die Online-Portale auch in den ländlichen Regionen mehr Wettbewerb .

Wir hören immer wieder die Klage von Betrieben, dass sie trotz voller Auftragsbücher nicht mehr Gewinn machen. Wo sehen Sie dafür die Gründe?

Viele Betriebe sind einfach zu schlecht organisiert, es sind zu viele Redundanzen in den Abläufen. Wenn das Auftragsvolumen steigt, fehlt dann oft die Zeit den Betrieb neu zu strukturieren. Und bei vollen Auftragsbüchern geht da keiner ran. Das ist das Problem mit Wachstum: Nur wenige überlegt, welche Strukturen brauchen wir, damit wir mit mehr Mitarbeitern mehr Aufträge abwickeln können, wo sind zentrale Stellen, die wir besetzen müssen und wie müssen wir die Abläufe neu gestalten. Deshalb entwickeln sich leider viele Betriebe in Wachstumsphasen sehr unsystematisch. Darunter leiden dann die Kalkulationen, die Abrechnungen, der Einkauf, die Bestellungen, die Abläufe ... permantes Krisenmanagement.

Steuerberater behaupten gerne hinter vorgehaltener Hand, dass Handwerksunternemher nicht richtig kalkulieren. Stimmt das?

Es trifft leider schon für viele Betriebe zu. Viele kennen sich mit ihren Zahlen nicht richtig aus. Viele lassen sich von ihren Kunden beim Preis unter Druck setzen und gehen auf zu niedrige Preise ein. Häufig wird auch die Ausschreibung nicht genau gelesen. Oft sind die Stundenverrechnungssätze nicht auf dem neuesten Stand. Viele überprüfen ihre Kalkulationen nicht regelmäßig. Da geht zu viel immer noch über den Daumen.

Viele Handwerker müssen also ihre unternehmerischen Fähigkeiten weiter entwickeln?

Ganz eindeutig.

Herr Falk, vielen Dank für das Gespräch.

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Vita Franz Falk

Seit 1997 arbeitet der Diplom-Volkswirt als betriebswirtschaftlicher Berater der Handwerkskammer Region Stuttgart mit den Schwerpunkten Betriebsübergabe und –übernahme, Existenzgründung, Investition, Finanzierung und Unternehmensführung, ab 1991 als Geschäftfsführer Management und Technik und ab 2016 als Geschäftsführer Unternehmensservice. Von 1978 bis 1997 war er außerdem Geschäftsführer des Bundesverbandes der Handwerksjunioren, zudem als Dozent und in zahlreichen Gremien tätig.

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