Fahrbericht Ford Ranger Raptor: Pick-up für den Chef

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Pick-up und Ford, das ist eins. Beim neuen Ranger hält Ford wieder eine besondere Ausgabe bereit: Der edle Raptor ist wie ­gemacht für den Chefparkplatz.

Jetzt geht’s bergab: Mühelos sucht sich der Ford Ranger Raptor seinen Weg in steilen Passagen.
Jetzt geht’s bergab: Mühelos sucht sich der Ford Ranger Raptor seinen Weg in steilen Passagen. - © Ford/Thomas Starck

Über uns ein fahler Winterhimmel, unter uns reichlich Schotter, vor uns eine Abbruchkante, dahinter das Nichts. Dieses Nichts besteht aus einem extremen Gefälle mit etwa 90 Prozent. Zum Vergleich: Die steilste Straße der Welt in Neuseeland kommt gerade mal auf 37 Prozent. Fußgänger haben in der düsteren Steinbruch-Landschaft ohne Hilfsmittel keine Chance, anders der Ford Ranger Raptor. Frontkamera aktivieren, schon ist alles im Blick. Dann zum Allradantrieb mit dem Drehregler in der Mittelkonsole die Untersetzung wählen und den Bergabfahr-Assistenten auf zwei km/h ­einstellen. Das Lenkrad gerade stellen und alles Weitere dem Ford überlassen. Und bloß nicht ängstlich bremsen oder gar die Räder einschlagen, ein Purzelbaum wäre die Folge. Der Testwagen erledigt den Job gelassen, tastet sich verblüffend unspektakulär bergab, bremst radindividuell mal hier und mal dort, damit die Fuhre absolut stabil bleibt. Unten angelangt, schnauft der Fahrer einmal tief durch. Beim Ranger Raptor knistert nicht einmal das Kühlwasser.

Top-Offroad-Eigenschaften

Die Wüstenei mit dem düsteren Gestein hält weitere Aufgaben bereit. Da wäre eine üble Buckelpiste. Hier hebt der Pick-up auch mal zwei von vier Beinen, bis zu 1,2 Meter über Grund. Also zur Hinterachssperre noch die Sperre vorn zuschalten. Dann mag der Ranger Raptor zwar keine Kurven mehr, fährt aber unaufhaltsam geradeaus. Es folgt eine Schrägfahrt mit annähernd 30 Grad Seitenneigung. Wär’s kein Steinbruch, man könnte mit dem Arm aus dem Seitenfenster langen und Blumen pflücken. Straßen benötigt ein Ranger Raptor nicht, für eine Ge­wässerüberquerung angesichts einer Wattiefe von 850 Millimetern auch selten eine Brücke. Die Grenze bildet allein sein Fahrer, verbunden mit der Frage: Fahre ich das als Mensch überhaupt noch?

Seine faszinierenden Offroad-Eigenschaften erreicht der Ranger Raptor, weil er gegenüber dem handelsüblichen Ranger nochmals eine ordentliche Schaufel drauflegt. Mit seinem permanenten Allradantrieb und den Sperren vorne wie hinten. Mit einem verstärkten Rahmen sowie Aluminiumkomponenten, Fox-Stoßdämpfern und großen Federwegen für das Fahrwerk. Dessen starre Hinterachse die Entwickler mit einer Mehr­lenker-Aufhängung, Wattgestänge und Schraubenfedern veredeln. Obendrein gibt es 17-Zoll-Leichtmetallräder mit Allterrainreifen im Format 285/70. Ein stählerner Unterfahrschutz verhindert Schürfwunden an den Weichteilen.

Souveränen Vortrieb gewährleistet ebenfalls ein V6-Benziner mit drei Litern Hubraum, einer Leistung von 212 kW/288 PS und einem deftigen maximalen Drehmoment von 491 Nm. Da erscheint das Tankvolumen von 80 Litern schon etwas knapp, denn beim WLTP-Verbrauch von 13,8 Litern im Schnitt wird es in Baustelle und Gelände nicht bleiben. Keine Bange, im Zulauf ist ebenfalls ein Diesel. Egal welche Maschine, durchweg portioniert eine ebenso rasant wie weich schaltende Wandlerautomatik mit zehn Gängen die reichliche Leistung. Und falls dies tatsächlich nicht genügt, verdreifacht die zuschaltbare Untersetzung im zweistufigen Verteilergetriebe die Kraft im Gelände.

Selbstbewusster Look

Seine Verpackung hebt den Raptor deutlich von den Artgenossen ab. Da wäre der selbstbewusste Markenschriftzug im Kühlergrill, eingerahmt von LED-Matrix-Scheinwerfern. Oder die Radlaufverbreiterungen, die unkaputtbaren Trittleisten aus Gussaluminium, sie schützen gleichzeitig die Schweller. Hinten schließt der Raptor mit LED-Rückleuchten und der serienmäßigen Anhängerkupplung ab. Wer nun meint, der markige Ford gäbe im Gegenzug zu seinen vorzüglichen Offroad-Eigenschaften auf gepflegten Straßen den harten Hund, sieht sich angenehm enttäuscht. Im Vergleich zu vielen Transportern und so manchen Artgenossen bewegt er sich hier geradezu sanft. Und schnell ist er, rennt bei Bedarf Tempo 180, explodiert in knapp acht Sekunden aus dem Stand auf 100 Sachen.

Riesiges Display

Drinnen nehmen Fahrer und Beifahrer auf gut ausgeformten und vielfach elek­trisch verstellbaren Sitzen Platz. Die Bewegungsfreiheit ist üppig, Fondpassagiere müssen indes die Knie anwinkeln. Das Lederlenkrad zeigt eine markierte Mittelstellung. Die digitalen Armaturen und ihre Hintergrundfarbe wechseln je nach dem gewählten Fahrprogramm, gleich sieben sind für Straßen- und Offroadbetrieb im Angebot.

Wählbar ist ebenfalls der Auspuffsound. Beherrschendes Element der Mittelkonsole ist ein üppiges, hochkant angebrachtes Display mit einer Vielzahl von Anzeigen und Funktionen. Dazu gehören unter anderem Anzeigen für die Offroadsys­teme. Eine Etage tiefer reihen sich klassische Bedienelemente für die Klimatisierung auf – danke dafür. Die Schalterleiste unter dem Dach wiede­rum erinnert an einen Jet, hier lassen sich auf Wunsch Zusatzfunktionen wie Außenscheinwerfer aktivieren.

Ohnehin hat der Ranger Raptor bei aller Dynamik einen Sinn fürs Praktische. So nimmt die Pritsche eine Europalette sogar quer auf, sofern der Staplerfahrer sorgfältig zielt. Es gibt einen 400-Watt-Wechselrichter und in der Bordwand Steckdosen für elektrische Geräte, eine 360-Grad-Umfeldbeleuchtung und eine 360-Grad-Kamera. Das ist nicht nur im Gelände nützlich, sondern auch im Straßenverkehr, wo ein 5,36 Meter langer Pick-up mitunter wie ein Elefant im Porzellanladen wirkt. Damit alles heil bleibt, fährt ein ganzes Rudel Assistenten mit.

Indes sind auch die Fähigkeiten eines Raptor begrenzt. Angesichts des deftigen Leergewichts von fast 2,5 Tonnen verbleibt eine überschaubare Nutzlast von maximal 650 Kilogramm. Und auch die Anhängelast von 2,5 Tonnen fällt für ein Fahrzeug dieses Genres eher knapp aus. Eingeschränkt ist angesichts des Nettopreises von 66.750 Euro auch die Käuferschar für den neuen Ford Ranger Raptor – selbst angesichts der Vollausstattung reichlich „Schotter“. Ausweg: Zum ­halben Preis gibt es die Ranger-Einfach­variante. Passt. Obwohl …