Erbschaftsteuer für Betriebsübergaben: Die wichtigsten Fakten

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Erbschaftsteuer und Steuerstrategien

Im Herbst entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die geltenden Steuerprivilegien bei der Betriebsübergabe gekippt werden. Doch was genau steht da auf dem Spiel? Hier die wichtigsten Fakten zur Steuerfreiheit für vererbtes und verschenktes Firmenvermögen.

Die Betriebsübergabe ist aktuell noch ohne große Steuerbelastung möglich. Das könnte sich bald ändern. - © Yurilux- iStockphoto

Schätzungsweise 135.000 Unternehmen suchen in den nächsten vier Jahren einen Nachfolger, so das Institut für Mittelstandsforschung Bonn. 54 Prozent davon gehen auf den Sohn, die Tochter oder andere Familienmitglieder über, meistens als Schenkung. Noch kommen sie häufig in den Genuss der Steuerfreiheit oder weitreichender Steuerbefreiung. „Doch das Bundesverfassungsgericht könnte die jetzigen Vorteile streichen“, warnt Bernhard Leibfried, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der Kanzlei KKLB in Fellbach bei Stuttgart. Dann wären Übertragungen steuerlich nicht mehr so günstig möglich.

Wie sieht die aktuelle Regelung aus?

Seit 2009 gelten die Steuervorteile für Nachfolger, die einen Betrieb erben oder geschenkt bekommen. Sie können zwischen zwei Varianten wählen, bei denen 85 oder 100 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei übertragen werden:

Variante 85 Prozent. Bei der ersten Variante lässt das Finanzamt von vornherein 85 Prozent des Betriebs steuerfrei. Hinzu kommt ein Abzugsbetrag von 150.000 Euro, der sich ab einem Betriebsvermögen von über einer Million Euro anteilig verringert. Diese Vorteile sind an vier Bedingungen geknüpft:

1. Das Betriebsvermögen darf nur bis zur Hälfte aus Verwaltungsvermögen bestehen. Hierzu gehören vor allem Forderungen, Wertpapiere, Bankguthaben, Beteiligungen und Immobilien, die das Unternehmen an andere vermietet hat. Das Finanzamt bewertet dieses Vermögen mit dem Stichtag des Erbes oder der Schenkung, zieht die Schulden und 20 Prozent des Betriebsvermögens ab.

2. Der Nachfolger muss den Betrieb mindestens fünf Jahre lang fortführen. In dieser Zeit darf er den Betrieb nicht verkaufen, auch nicht Teile davon. Eine Ausnahme gilt dann, wenn er einen Teil verkauft, aber im gleichen Umfang wieder investiert.

3. Im Fünfjahreszeitraum darf der Nachfolger außer seinen Einnahmen und dem laufenden Gewinn höchstens 150.000 Euro privat entnehmen oder sich bei einer GmbH ausschütten lassen. Hält er sich innerhalb des Fünfjahreszeitraums nicht an diese beiden Regeln, widerruft das Finanzamt die Steuervorteile.

4. Schließlich muss der Nachfolger die Arbeitsplätze wie bei der Übergabe erhalten, wenn der Betrieb mehr als 20 Mitarbeiter hat. Der Fiskus misst dies daran, ob die Lohnsumme des Fünfjahreszeitraums mindestens 400 Prozent der Summe am Anfang beträgt. Ist dies nicht der Fall, kürzen die Beamten die Steuervorteile anteilig.

Variante 100 Prozent. Bei der zweiten Variante muss der Nachfolger schärfere Bedingungen erfüllen, kommt dafür aber von vornherein in den Genuss der vollen Steuerfreiheit. Hier darf das Verwaltungsvermögen höchstens zehn Prozent betragen und der Nachfolger muss die Firma mindestens sieben Jahre lang fortführen. In dieser Zeit darf er dem Betrieb ebenfalls maximal 150.000 Euro privat entnehmen. Den Arbeitsplatzerhalt misst das Finanzamt daran, dass die Lohnsumme des Siebenjahreszeitraums mindestens 700 Prozent der Lohnsumme am Anfang beträgt.

Wie berechnet das Finanzamt das Betriebsvermögen?

Seit 2009 mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren: Mit einem Kapitalisierungsfaktor, den das Bundesfinanzministerium jährlich festlegt und dem letzten Jahresgewinn der Firma ergibt sich das Betriebsvermögen. 2014 gilt der Faktor 14. Ein Betrieb mit 200.000 Euro Jahresgewinn hat demnach ein Betriebsvermögen von 2,8 Millionen Euro, ein Unternehmen mit 500.000 Euro Gewinn verfügt steuerlich über 7 Millionen Euro Vermögen.

Wie viel Betriebsvermögen bleibt konkret steuerfrei?

Die meisten Nachfolger wählen die Variante 1 mit 85 Prozent Steuerbefreiung. Hier kann eine Firma mit 2,7 Millionen Euro steuerfrei etwa auf den Sohn oder die Tochter übergehen: Vom Betriebsvermögen zieht das Finanzamt zunächst 85 Prozent und damit 2.337.500 Euro ab, es bleiben also noch 412.500 Euro. Hiervon geht der anteilige Abzugsbetrag von 18.750 Euro weg. Versteuern muss der Sohn oder die Tochter damit 393.750 Euro – doch da er oder sie einen persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro haben, bleibt der Betriebsübergang komplett steuerfrei.

Warum sind die Vorteile auf dem Prüfstand in Karlsruhe?

Weil der Bundesfinanzhof der Meinung ist, dass im Vergleich zu anderen Erben und Beschenkten Betriebsinhaber  priviligiert sind. Die höchsten Steuerrichter sehen einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Vor allem stört sie der hohe Bewertungsabschlag von bis zu 100 Prozent. Zudem könne privates Vermögen vor der Übergabe in die Firma gepumpt werden, um so Vermögen am Finanzamt vorbeizuschleusen. Auch dass Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern keinen Arbeitsplatzerhalt nachweisen müssen, halten die Richter in München für verfassungswidrig. Da ein Bundesgericht nicht selbst entscheiden darf, ob eine Regelung verfassungswidrig ist, hat der Bundesfinanzhof die Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht überlassen.

Wie könnten die Verfassungsrichter entscheiden?

Die meisten Steuerexperten gehen davon aus, dass der Steuervorteil nicht zu halten sein wird, zumindest nicht die Variante mit 100 Prozent. In der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2014 sprach der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof von Regelungen, „die einen breiten Raum für eine Steuervermeidung bis hin zur völligen Steuerbefreiung öffnen“ – ein Indiz für die kritische Haltung der Verfassungsrichter. Das Gericht könnte die Regelungen ganz oder teilweise für verfassungswidrig erklären, außer Kraft setzen oder (wie früher geschehen) den Bundestag beauftragen, die Regeln im Gesetz entsprechend zu ändern. Mit einem Urteil ist im Herbst 2014 zu rechnen.

Weshalb können Betriebsnachfolger die Vorteile jetzt noch retten?

Weil die Finanzämter Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide noch mit den jetzigen Steuervorteilen verschicken. Diese ergehen wegen der Prüfung des Bundesverfassungsgerichts zwar nur vorläufig. Doch nach Paragraf 176 der Abgabenordnung darf ein Steuerbescheid wegen eines Urteils der Verfassungsrichter nicht zu Ungunsten der Steuerzahler und damit der Nachfolger geändert werden.