Was Kunden wirklich zahlen wollen Preiskalkulation: So berechnen Sie den Angebotspreis richtig

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Von wegen "Geiz ist geil": Der Wohlfühlpreis vieler Kunden liegt oft über dem Angebotspreis des Handwerkers. Doch wie kalkuliert man den Preis überhaupt richtig? So berechnen Sie Ihre Angebotspreise fehlerlos und steigern dadurch dauerhaft die Margen.

Friseurmeister René Sellmer stylt seine Kunden, wie er will, dafür dürfen sie dann entscheiden, was sie zahlen wollen. »Bei mir entscheidet der Kunde, was ihm die Leistung wert ist.« - © Markus Feger

Von wegen "Geiz ist geil": Neurowissenschaftler Kai-Markus Müller hat herausgefunden, dass Kunden oft mehr als den Angebotspreis bezahlen würden. Wenn Sie Ihre Angebotspreise richtig berechnen, steigern Sie also auf Dauer die Margen. So funktioniert die Preiskalkulation richtig.

Value Based Pricing und Co.: Die wichtigsten Pricing- Modelle im Vergleich

Wer die gleichen Leistungen bietet wie die Konkurrenz, kann froh sein, wenn unterm Strich wenigstens ein kleiner Gewinn übrig bleibt. Sie träumen von besseren Preisen? Dann müssen Sie mehr leisten und diesen Mehrwert auch kommunizieren, um die Zahlungsbereitschaft der Kunden optimal zu nutzen. Dazu gehört natürlich auch, dass Sie die Preise optimal kalkulieren und Angebotspreise sorgfältig berechnen.

Hierzu können Sie verschiedene Kalkulations- Modelle und Schemas nutzen. Das sind die drei wichtigsten Pricing- Modelle, mit denen SIe Ihr Angebot berechnen können, im Überblick.:

Modell Beschreibung Vorteile Nachteile
Kostenorientiertes Pricing Der Preis errechnet sich aus den Material- und
Herstellungskosten, den umzulegenden Gemeinkosten
und dem vom Unternehmer gewünschten Gewinnaufschlag.
+Daten sind leicht aus der Kostenrechnung zu beschaffen
+Kunde empfindet die Preise meist als fair
− Preiserhöhungen lassen sich nur bei Kostensteigerungen durchsetzen, der Wunsch
nach mehr Gewinn ist schlecht zu kommunizieren
− Preise fallen oft zu niedrig aus, weil sie die wahre
Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht berücksichtigen
Konkurrenzorientiertes Pricing Der Preis orientiert sich an den Vorgaben der
Mitbewerber, die (vermeintlich) immer unterboten
werden müssen, um den Auftrag auch wirklich zu erhalten.
+ einfach zu berechnen oder zu recherchieren (Internet)
+ wenn nicht noch ein Konkurrent den Preis unterbietet, ist der Auftrag sicher
+ einfache Preisverhandlung
− Preiskrieg gefährdet langfristig die
Existenz aller ­beteiligten Betriebe
− das Qualitätsniveau leidet
− die Kunden gewöhnen sich an die
Billig-Preise, das ­Verdienstniveau der gesamten Branche leidet

Value Based Pricing Der Preis richtet sich nach der Zahlungsbereitschaft des
Kunden sowie nach dem Nutzen/Mehrwert, den ein Produkt oder eine Dienstleistung dem Kunden bietet.
Um diesen präzise und zielgruppengerecht formulieren zu können, muss sich der Anbieter auf eine Kundengruppe fokussieren. ­
+ der Unternehmer kann sich auf die Zielgruppe konzentrieren, die seine Leistung zu schätzen weiß
+ deutlich bessere Margen als bei den
anderen Pricing- Modellen
+ mehr Spaß am Unternehmer-Dasein,
da mehr „hängen bleibt“
− der Betrieb braucht beim Value Based Pricing ein klares Alleinstellungsmerkmal, das ihn von der Konkurrenz unterscheidet
− der Verkäufer muss sich intensiv mit seiner Zielgruppe und deren Bedürfnissen auseinandersetzen
− nutzenorientierte Angebote sind aufwändiger als ­klassische kostenbasierte Angebote
− größeres Einzugsgebiet (nicht jeder Kunde passt)

Quelle: Neuro-Pricing von Kai-Markus Müller, Haufe Verlag / eigene Recherchen

Das sind die 5 größten Irrtümer bei der Preiskalkulation

Der Preis ist für viele Verkäufer das heißeste Eisen schlechthin. Doch wer sich als Anbieter zu stark darauf fokussiert, darf sich nicht wundern, wenn die Kunden es auch tun. In seinem Buch "Neuro-Pricing" (Haufe-Verlag, 211 Seiten, 29,95 Euro ) räumt Preisforscher Kai-Markus Müller mit einigen gängigen Vorurteilen auf und zeigt unter anderem die 5 größten Irrtümer bei der Preiskalkulation und Angebotserstellung.

  1. Alle Kunden handeln rational. Ein krasses Vorurteil, von dem sich jeder Anbieter sofort verabschieden sollte. Denn den in der Volkswirtschaft skizzierten „Homo Oeconomicus“, der in jeder Situation so logisch und eindeutig nachvollziehbar wie ein Taschenrechner funktioniert, gibt es nicht. Vielmehr bestimmt das auch vom Kunden nicht steuerbare Unterbewusstsein ganz wesentlich, was gekauft wird und wo die jeweilige Schmerzgrenze liegt.
  2. Jeder will so wenig wie möglich bezahlen. Für ein Produkt oder eine Dienstleistung hat jeder Kunde einen individuellen Wohlfühlpreis. Wo der genau liegt, hängt von der wahrgenommenen Qualität ab. Diese steigt automatisch mit dem Preis, wie Hirnscans bei einer Weinverkostung belegen. Obwohl den Probanden immer der gleiche Wein eingeschenkt wurde, schmeckte ihnen der vermeintlich Teurere besser als die preiswertere Variante.
  3. Der Kunde weiß genau, was er will. Allen Preisvergleichsportalen im Netz zum Trotz suchen nicht alle Kunden mit der Intensität nach Produkten und Preisen, wie es Anbieter vermuten. Je komplexer und individueller das Produkt oder die Leistung, desto weniger lässt sie sich vergleichen – und desto größer die Chancen des Verkäufers, den Kunden von einer höherwertigeren Ausfertigung zu überzeugen, die er bislang gar nicht auf dem Radar hatte.
  4. Für die Kunden zählt nur der Preis. Da jedes Produkt oder jede Dienstleistung einen unterschiedlichen Nutzen für den Kunden hat, differiert auch die Zahlungsbereitschaft. Wie hoch diese letztendlich ist, hängt davon ab, wie gut ein Angebot nicht nur auf die ausgesprochenen und bekannten Wünsche zugeschnitten ist, sondern auch die inneren (unbekannten) Bedürfnisse des Kunden erfüllt. Um diese herauszufinden, braucht es viel Gespür im Verkaufsgespräch und eine gute Kenntnis der Zielgruppe.
  5. Alle Zahlen wirken gleich. Es gibt sie tatsächlich, die schönen Preise. Einige Zahlen sind im Kopf der Kunden emotional besetzt, schon allein deren Nennung kann ganze Geschichten abrufen. So etwa die 24, weil jeder sofort an Weihnachten denkt. Oder auch die 7, von den sieben Zwergen bis zu den sieben Geißlein, oder die 3 von „Aller guten Dinge sind drei“. Auch Schnapszahlen haben eine ähnliche Wirkung, das gilt nicht nur für die 99, sondern etwa auch für die 11 (Karnevalsbeginn ist der 11.11.).

Kann ein Betrieb ohne Preiskalkulation überhaupt überleben?

Kann ein Betrieb am Markt überleben, wenn jeder Kunde das zahlt, was er will? Er kann, wie das Beispiel von Friseurmeister René Sellmer in Krefeld zeigt. Seit knapp 15 Jahren praktiziert er in seinem Salon "Emma Hair Revolution" ein Modell, das scheinbar gegen jede betriebswirtschaftliche Logik prächtig funktioniert: Nach dem Styling steckt der Kunde den Geldbetrag in einen Umschlag, der ihr oder ihm für die Leistung angemessen erscheint. Statt zur Kasse geht der Kunde beim Rausgehen an einer Kiste vorbei, in die er den Umschlag steckt. "Mich interessiert nicht, wer wie viel zahlt, jeder soll das nach seinen Möglichkeiten entscheiden", erklärt Sellmer.

So ist es für ihn völlig ok, wenn das junge Mädchen für Farbe und Styling "nur" 40 Euro hinterlässt, dafür zahle dann eben die Geschäftsfrau 130 Euro. In der Summe, so der eigenwillige Friseurmeister, "passt es dann gut": Mit einem Durchschnittsumsatz von 38 Euro pro Kunde liegt Emma Hair Revolution sogar über dem Branchendurchschnitt. Und das, obwohl die Kunden bei Sellmer keineswegs das bekommen, was sie wünschen. Sondern sie müssen akzeptieren, dass der jeweilige Stylist die Frisur nach seinen Vorstellungen gestaltet. Wer das nicht akzeptiert, muss den Salon unverrichteter Dinge wieder verlassen, das passiert laut Sellmer etwa drei- bis viermal im Monat. Natürlich sei das auch für ihn eine peinliche Situation, doch die Nicht-Berücksichtigung der Kundenwünsche gehöre schließlich zu seinem Geschäftsmodell, bei dem er keine Kompromisse eingeht: "Um sich von der Konkurrenz abzuheben, muss man anders sein als die anderen, sonst erreicht man nur Mittelmaß."

Wie Kunden entscheiden - das Gehirn ist kein Taschenrechner

Kai-Markus Müller ist vom Erfolg des ungewöhnlichen Konzepts keineswegs überrascht. Denn der promovierte Neurowissenschaftler kann das, was viele Firmenchefs brennend interessiert: in das Gehirn der Kunden blicken. "Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was Kunden sagen – und was sie wirklich wollen", erklärt der Geschäftsführer der Neuromarketing Labs im schwäbischen Aspach. Mit seinem Team aus Hirnforschern und Psychologen hat sich Müller auf eine weltweit bisher einzigartige Dienstleistung spezialisiert: das Ermitteln der Zahlungsbereitschaft der Kunden. Denn was diese wirklich kaufen wollen und zu welchem Preis, lässt sich über die Hirnströme messen.

Sogenannte Ankerpreise beeinflussen die Wahrnehmung der Kunden

"Der Wohlfühlpreis des Kunden liegt sehr häufig höher als vom Verkäufer angenommen", fasst Müller die Erfahrungen aus seiner Arbeit für nationale und internationale Firmen und Konzerne zusammen. Doch warum sagen die Kunden nicht einfach gleich, was sie zahlen wollen? Weil sie, so Müller, es selbst auch nicht wissen. Schließlich sei das Gehirn nicht zum Vergleichen von Preisen und Werten gemacht, sodass sich Kaufentscheidungen schon mit einfachsten Tricks manipulieren ließen. Als Beispiel nennt der Neuro-Pricing-Experte die Strategie der Ankerpreise: Ein teures Steak auf der Karte reicht im Restaurant, um das Wahrnehmungsniveau der Gäste nach oben zu ziehen. So erscheint die mit 9,50 Euro keineswegs preiswerte Suppe plötzlich günstig, wenn das Steak knapp 40 Euro kostet.

Angebote richtig erstellen: Endlich Schluß mit der Vergleichbarkeit

Lassen sich diese Erkenntnisse auch bei Handwerksleistungen einsetzen? "Natürlich", sagt Müller und empfiehlt statt des klassischen Einzelangebots ein Portfolio aus zwei oder besser drei Ausführungsvarianten zu unterschiedlichen Preisen. Damit das Konzept funktioniert, müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens: Der Unternehmer muss Gestaltungsspielraum beim Zusammenstellen seines Leistungspakets haben und nicht nur – wie etwa im klassischen Ausschreibungsgeschäft am Bau – Preise in Listen eintragen. Zweitens: Er muss seinen potenziellen Kunden ein unvergleichbares Angebot unterbreiten, bei dem der Nutzen und der Mehrwert für den Kunden im Vordergrund stehen.

Wie gut das im Handwerk funktionieren kann, weiß Kevin Gertz, Juniorchef der Franz Gertz GmbH in Gladbeck. Um dem Preiskrieg im Neubau zu entkommen, hat sich der von Vater Franz und Sohn Kevin gemeinsam geführte Stuckateurbetrieb vor fünf Jahren dem Franchise-System Einer.Alles.Sauber. angeschlossen. Die Partner bieten privaten Kunden die Modernisierung von bewohnten Eigenheimen zum Festpreis und aus einer Hand, die Systemzentrale unterstützt die Partnerbetriebe bei Kundengewinnung, Kalkulation und Verkauf. Wie empfohlen, erstellt Kevin Gertz für jeden ernsthaften Interessenten e in Angebot in drei Varianten (Günstig, Standard und Luxus), das die Vorteile und den Nutzen für die Kunden zum jeweils pro Variante angegebenen Festpreis erklärt.

"Viele Kunden entscheiden sich für die Mitte, einige wollen zusätzlich auch Elemente aus dem Luxusangebot", fasst Kevin Gertz seine Erfahrungen zusammen. Was ihn besonders fasziniert, ist die Tatsache, dass viele Kunden anfangs tatsächlich nicht genau wissen, was sie wollen. So kommt es häufiger vor, das diese zunächst gezielt nach einer preiswerten Lösung fragen, das Budget dann aber während des Entscheidungsprozesses immer weiter wächst. Denn durch die Präsentation der Angebotsvarianten sehen die Kunden nach Einschätzung des Juniorchefs, was auch noch möglich wäre, und entscheiden sich häufig für ein "Upgrade".

Aufträge zum Wunschpreis: für den Kunden zählt nur der Nutzen

Eine komfortable Situation für die Familienunternehmer, da sie bei solchen Aufträgen oft sogar über dem jährlich mit der Franchise-Zentrale definierten Wunschpreis pro Stunde liegen. Diesen einzuhalten ist das Ziel bei jedem Kunden. Das gelingt nicht immer, weil eben ab und an mal etwas schief geht, doch inzwischen klappt das laut Gertz bei sechs von zehn Aufträgen. Eine gute Quote, mit der sich der Unternehmer jedoch nicht zufriedengeben will: "Beim Komplettumbau von Bädern sind durchaus noch höhere Margen drin, man muss sich nur trauen, die Preise zu verlangen.“

Eine Erkenntnis, mit der er bei seinem Kollegen Alexander Baumer offene Türen einrennt. In seinem Blog "Das Handwerk schafft sich ab" klagt der Malermeister aus Regensburg offen über Kollegen, die mit weit unter der Kostengrenze liegenden Angeboten das Preisniveau nach unten treiben. Manche tun dies bewusst, doch viele sind mit der Kalkulation und vor allem dem Verkauf ihrer Leistungen überfordert, wie Sylvia Weinhold von der Handwerkskammer Reutlingen aus ihrer Beratungspraxis weiß: "Wenn der Kunde den Nutzen erkennt, zahlt er gerne mehr, doch das im Verkaufsgespräch zu transportieren, daran hapert es bei vielen Unternehmen."

Dass dieses Phänomen nicht nur im Handwerk gilt, zeigt die globale Pricing-Studie des internationalen Beratungsunternehmens Pricewaterhouse Coopers (PwC). Danach sind sich nur 26 Prozent der befragten deutschen Unternehmen sicher, den optimalen Preis für ein Maximum an Profitabilität gewählt zu haben. 80 Prozent setzen ihre Preise dagegen so hoch an, wie es die Konkurrenzsituation erlaubt. Fazit der PwC-Experten: Deutsche Unternehmen verschenken viel Potenzial, weil sie ihre Preise nicht konsequent am Kundennutzen ausrichten.

Expertentipp: Kleinere Einheiten statt Stundensätze bei der Abrechnung wählen

Pricing-Experte Müller rät Handwerksunternehmen zudem dazu, ihr meist auf Stundensätzen basierendes Kalkulationsmodell auf kleinere Abrechnungseinheiten umzustellen. Als Vorbild dient die IT-Branche, wo Berater ihre Leistungen nach Arbeitseinheiten abrechnen. So besteht etwa eine Stunde aus zehn Arbeitseinheiten à sechs Euro. Das kommt im Gehirn potenzieller Kunden nicht nur besser an als ein Stundensatz von 60 Euro, sondern der Betrieb kann auch exakter abrechnen. Bei einem Aufwand von 1.10 Stunden haben viele Unternehmer Skrupel, dafür volle zwei Stundensätze zu berechnen. Bei den Arbeitseinheiten kann jeder ohne schlechtes Gewissen elf Einheiten verbuchen, die zudem noch den Charme haben, nicht mit den auf Stundenbasis kalkulierten Konkurrenzangeboten vergleichbar zu sein.

Für Friseurmeister René Sellmer ist das Abheben aus der Masse jedenfalls eine der wichtigsten Voraussetzungen, um gegen die zahlreichen Mitbewerber in der Region bestehen zu können. Natürlich gab es gerade in den ersten Jahren viele Nachahmer, die das "Pay what you want“-Prinzip zumindest teilweise umsetzen wollten. Dass keiner durchgehalten hat, wundert Sellmer nicht: "Ein solches Konzept musst du auch leben. Am Ende des Tages muss es wirklich egal sein, was jeder gezahlt hat." Belohnt wird sein Vertrauen in die Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht nur durch einen überdurchschnittlichen Umsatz pro Kunde, sondern auch durch eine geringe Ausfallquote: "Es kommt wirklich sehr selten vor, das ein leerer Umschlag in der Bezahlkiste liegt.“

Trotz des positiven Beispiels von Friseurmeister Sellmer, sollte eine richtige Kalkulation der Preise dennoch für jeden Betrieb essentiell sein.