Baustoffe, Digitalisierung und Plattform-Business
Große Industrieunternehmen arbeiten intensiv an neuen digitalen Vertriebsplattformen und Marktplätzen. Sie kommen als praktische digitale Werkzeuge daher, haben aber auch das Potenzial, die Regeln in der Zusammenarbeit von Industrie, Handel und Handwerk auf den Kopf zu stellen. Was plant die Industrie wirklich? Und wie?
Neulich stand Niklas Hostnik auf einer dieser Veranstaltungen, bei denen die Industrie esfür ihre Partner im Handwerk und im Handel so richtig krachen lässt: Ein großer Automobilhersteller stellte eine aufwendige Präsentation vor. Thema: neue digitale Plattformen für vernetzte, smarte Elektrofahrzeuge . Ein ganzes Ökosystem web- und appbasierter Dienstleistungenfür die Fahrzeugbesitzer, das rund um diese neuen Modelle entstehen soll.Digital vernetzte Autos, die Daten etwa über Nutzungsverhalten, Fahrzeugleistung und Reparaturbedarf automatisch an den Hersteller melden. Hostnik, der seit einem Jahr als Referentfür Digitalisierung beim Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe tätig ist, stand inmitten von Branchenkollegen, hörte zu, schaute sich um – und wunderte sich. „Kaum jemanden schienen diese Ankündigungen zu beunruhigen oder nachdenklich zu machen“, berichtet der 26-Jährige.
Die Rolle des Handwerkers wackelt
Die Kfz-Handwerker erleben, was derzeit Handwerker in vielen Gewerken beobachten: Ihre Lieferanten und Geschäftspartner aus der Industrie tüfteln seit einigen Jahren an Projekten, um die Digitalisierung ihrer Produkte voranzutreibe n. Auf den ersten Blick scheint alles wie immer: Die Industrie entwickelt neue Produkte, bietet Handwerkern Partnerschaften, Schulungen und Trainings an, damit diese technisch auf dem neuesten Stand bleiben. Die Handwerker sorgen im direkten Kundenkontakt dafür, dass neue Produkte einwandfrei laufen und beim Kunden optimal zum Einsatz kommen. „Ich beobachte bei vielen unserer Mitglieder, dass sie sich bei Digitalisierungs-Themen stark auf die Hersteller verlassen“, sagt Hostnik. „Ihre Grundeinstellung ist: Die Industrie hat sich immer um uns gekümmert und wird das auch in Zukunft tun – die brauchen uns als Geschäftspartner schließlich genauso wie wir sie.“
Dabei übersehen Handwerker eine wichtige Veränderung , mahnt Hostnik. „Hersteller stehen derzeit enorm unter Druck. Neue Akteure aus der Digitalwirtschaft drängen auf ihre Märkte, jagen ihnen Marktanteile ab. Kunden verlangen einen hohen Digitalisierungsgrad von Produkten und Services“, erläutert er. „Woran Hersteller derzeit mit Hochdruck arbeiten, sind daher nicht nur neue Technologien und verbesserte Produkte, sondern auch neue Geschäftsmodelle.“
Wie die Rolle der Handwerker dabei aussehen wird, ist längst nicht ausgemacht. Viele Industrieunternehmen haben eine klare Vorstellung : „In unserer Branche sagen Industrievertreter sehr deutlich, wohin die Reise gehen soll“, konstatiert Hostnik. „Sie wollen direkten Zugang zum Endkunden und zu dessen Daten. Diese Daten sind Grundlagefür neue, digitale Geschäftsmodelle“, berichtet er. „Hersteller wollen nicht nur der erste Ansprechpartner beim Kauf, sondern auch im Aftersales-Bereich sein – also bei Themen wie Wartung und Reparatur.“ Digitale Plattformen, auf denen alle relevanten Informationen zusammenlaufen, sollen diesen direkten Zugang ermöglichen.
Das Worst-Case-Szenariofür Kfz-Handwerker: Der Erstkontakt des Kunden beim Autokauf erfolgt nicht mehr über den Händler, sondern direkt über die bei Google platzierte Online-Plattform des Herstellers. Das Auto meldet nach dem Kauf Nutzungsdaten automatisiert an den Hersteller. Eine Hersteller-App erinnert den Kunden an anstehende Wartungstermine oder löst automatisch einen Auftrag an einen Service-Mitarbeiter aus, der Reifen wechselt oder den Ölstand prüft. Die App schickt Kunden bei einer anstehenden Reparatur zu einem Werkstattpartner, den die Plattform des Herstellers per Algorithmus auswählt – nach Kriterien, die der Hersteller vorgibt. „Wir wollen aber eine solche Zukunftfür unsere Branche nicht“, stellt Hostnik klar.
Viele Handwerksverbände quer durch die verschiedensten Gewerke sind beunruhigt: „Alle Handwerker, deren Geschäft stark abhängig ist von Industrieprodukten, beobachten derzeit ähnliche Aktivitäten“, berichtet Christoph Krause, Leiter des Bereichs Prozessdigitalisierung beim Kompetenzzentrum digitales Handwerk . Im Geschäft mit Sanitär-, Heiz- und Klimainstallationen bauen nahezu alle großen Hersteller digitale Plattformen auf. Darüber können Kunden automatisiert Angebotefür neue Heizanlagen oder Bäder einholen. Ähnlich bei den Elektrogewerken: Kaum ein Hersteller von Geräten oder Bauteilen, der keine Onlineangebote mit Konfiguratoren und Online-Shops ausbaut. Sogar Baustoff-Hersteller wollen Bauherren direkt ansprechen.
„Auch wenn die einzelnen Märkte sehr unterschiedlich sind – die Strategien der Hersteller ähneln sich“, resümiert Krause. „Hersteller argumentieren, dass sie Handwerker weiterhin als wichtige Kooperationspartner sehen, die sie in ihre digitalen Plattformen einbinden wollen , und ihnen digitale Tools zur Verfügung stellen, um deren eigenen Service zu verbessern.“ Das sei richtig – beschreibe aber nur einen Teil der Wahrheit. „Die Industrie ist schon auf die Kooperation mit Handwerkern, auf deren Kenntnis der Kunden und ihr Fachwissen angewiesen. Nur wenn die Handwerker mitmachen, können digitale Plattformen als Rundum-Servicefür Kunden überhaupt funktionieren, eine relevante Größe erreichen und sich am Markt etablieren“, analysiert Krause. Doch die Industrie beginnt, ihre Denkweise zu ändern: Hersteller entwickeln ihre Geschäftsmodelle weg von reinem Produktvertrieb und hin zu möglichst umfassenden Dienstleistungsangeboten. Damit drängen sie in den Bereich der Wertschöpfungskette, in dem bislang noch Handwerker die Spielregeln bestimmen.“
Fachverbände raten zur Vorsicht
Viele Fachverbände raten zur Vorsicht, wenn Handwerker sich auf Partnerschaften mit Betreibern digitaler Plattformen einlassen. „Wir sagen immer: Achtet darauf, dass ihr bei der Zusammenarbeit nicht zu viele Aufgaben an die Plattformen abgebt“, sagt Frank Ebisch vom Zentralverband des SHK-Handwerks. Online-Start-ups wie Thermondo.de schreckten mit neuen, digitalen Geschäftsmodellen Industrie und Handwerk auf. Das neue Online-Konkurrenzmodell : Kunden stellen sich auf deren Plattform mithilfe eines Konfigurators die gewünschte Heizungsanlage zusammen. Dann erhalten sie automatisch ein kostenloses Angebotfür eine Anlage, die innerhalb weniger Wochen von Thermondos fest angestellten Handwerker-Teams installiert wird.
Große Hersteller wie Viessmann und Vaillant zogen schnell mit eigenen Online-Plattformen und Konfiguratoren nach. „Wir sehen, dass einige Hersteller mit digitalen Vertriebsmodellen und im Wartungsgeschäft immer mal wieder die Fühler ausstrecken. Ziel: Direktkontakt zum Endkunden“, sagt Ebisch. „Doch wir haben gemeinsam Lösungen gefunden, wie man auch in der digitalen Welt partnerschaftlich den Kunden gute Angebote machen kann.“ Entscheidend sei, dass die digitalen Vertriebs- und Marketingmodelle die Autonomie der Handwerker wahren. „Das heißt: Partnerschaftsmodelle statt eigener Handwerker-Mannschaften. Die Entscheidung über Kalkulation und Preise muss den Handwerksbetrieben überlassen bleiben“, sagt Ebisch.
Daten gehören den Handwerkern
Darauf setzt auch Heizungs-Hersteller Vaillant. „Unsere Plattform heizungonline.de ist eine Lead-Plattform“, erklärt Nicole Dunker, bei Vaillant zuständigfür Marketing und Digitale Services. „Das bedeutet: Wir holen den Kunden im Netz ab, bieten ihm mit dem Online-Konfigurator die Möglichkeit, herauszufinden, welche Technik er benötigt.“ Besucher der Seite geben Eckdaten zu ihrer Heizanlage ein und erhalten einen Systemvorschlag mit einem Preis, der auf der Preiskalkulation eines Fachpartners beruht. „Wir vermitteln den Kunden dann weiter zu einem Handwerker in seiner Region, der ihm einen Terminvorschlag und ein verbindliches Angebot unterbreitet.“
Die Plattform sei nicht mehr als ein digitales Tool zur Kundengewinnung und -betreuung , versichert Dunker. Wer Fachpartner der digitalen Plattform werden will, schließt einen Vertrag mit Vaillant, in dem er sich verpflichtet: einen monatlichen Mitgliedsbeitrag zu zahlen, an Fachschulungen teilzunehmen, eine eigene, zeitgemäße Website zu betreiben und eine App von Vaillant für die Angebotserstellung und die Abwicklung des Auftrags zu nutzen. „Das stellt aus unserer Sicht sicher, dass der Kunde während des gesamten Prozesses einen reibungslos funktionierenden, digitalen Service erlebt“, sagt Dunker.
Welche Konditionen der Handwerker mit dem Kunden vereinbare, liegt bei ihm. „Wir haben darauf keinen Einfluss und können diese Informationen nicht einsehen“, betont Dunker. Die Kundendaten, die Vaillant auf der Plattform sammelt, nutze das Unternehmen anschließend nicht weiter. „Diese Daten gehören dem Fachpartner“, betont Dunker. Aus wettbewerbs- und datenschutzrechtlichen Gründen darf Vaillant preisrelevante Daten bei seinen Partnern auch gar nicht erheben.
Online-Plattformen wie Thermondo, die ihre eigenen Handwerkerteams zum Kunden schicken, sind bei der Datenerhebung und -auswertung weniger eingeschränkt. Dunker sieht das nicht als Nachteilfür das eigene Plattform-Modell. „Wir haben uns entschieden, das digitale Vertriebssystem gemeinsam mit Handwerksbetrieben umzusetzen, weil wir überzeugt sind, dass die Kunden das auch wollen“, sagt Dunker. Eine Umfrage des Industrieunternehmens hatte ergeben: Für rund 50 Prozent der Befragten ist der persönliche Kontakt zu einem lokalen Fachhandwerker wichtig, auch wenn sie dessen Leistung gerne online bestellen würden. „Wir wollen diese Zielgruppe ansprechen, gemeinsam mit unseren Partnern im Handwerk passende Marketing- und Vertriebsmodelle entwickeln und in der Praxis testen.“ 250 SHK- Betriebe haben sich bislang auf das Experiment eingelassen und sich als Digitalpartner der Vaillant-Plattform registriert.
Plattformen werben Kunden ab
Auch wenn es oft noch Pilotprojekte sind, sollten Handwerksbetriebe die Digitalprojekte der Industrie ernst nehmen, rät Lennart A. Paul, der lange selbst am Aufbau von Digitalprojekten bei Würth mitgearbeitet hat. Heute berät er als E-Commerce-Experte Industrieunternehmen und Handel bei der Digitalisierung ihres Geschäfts und betreibt den Blog warenausgang.com. „Viele Handwerks-Branchen sind mehr als ausgelastet, Kunden müssen lange warten, um einen Termin beim Handwerker zu bekommen“, sagt Paul. „Also sind Kunden geradezu gezwungen, andere Wege zu suchen. Dadurch kommen sie mit den Online-Dienstleistern in Kontakt und sehen deren digitale Services über kurz oder lang als neuen Standard an.“
Wer also hofft, die Industrie werde ihre Digitalprojekte wieder einstampfen, dürfte enttäuscht werden. Alles deutet auf eine gegenteilige Entwicklung hin: Industrieunternehmen werden in die Entwicklung und den Ausbau neuer digitaler Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen weiter massiv investieren . „Wenn die Industrie diese digitalen Geschäftsmodelle nicht selbst entwickelt und wenn die Plattformen nicht relativ schnell Größe und Reichweite entwickeln, bliebe das Feld den Start-ups und Digitalkonzernen wie Amazon Business überlassen“, sagt Paul. Dann bleibe den Herstellern irgendwann nur noch, sich den Bedingungen der Online-Konzerne zu unterwerfen. Will ein Hersteller beim Endkunden präsent sein und bleiben, kann er dieses Risiko nicht eingehen. „Die Chancefür das Handwerk ist: gemeinsam mit der Industrie Modelle entwickeln, um den Digitalkonzernen etwas entgegenzusetzen.“
So argumentiert auch Felix Ludes, Geschäftsführer der Online-Plattform meindach.de vom Dachsystemhersteller Braas . „Die Bedachungsbranche ist ein Markt mit hohen Umsätzen, der auchfür Branchenfremde attraktiv sein könnte“, sagt Ludes. „Wir beobachten den unaufhaltsamen Digitalisierungsprozess nicht nur, sondern übernehmen auch Verantwortung.“ Ziel: das erfolgreiche dreistufige Vertriebsmodell von Industrie, Handel und Handwerk erhalten und an die Erfordernisse der Digitalisierung anpassen. „Mit Meindach.de leisten wir unseren Beitrag, disruptive Quereinsteiger in die Branche zu verhindern . Das Modell bietet daher einen Mehrwertfür alle Beteiligten“, betont Ludes.
Klingt gut? Aber darauf verlassen, dass die Industrie bei ihren Digitalisierungsprojekten stets auch das Wohl des Handwerks im Sinne hat, wollen sich die meisten Fachverbände nicht. „Wir wollen die Herausforderungen der Digitalisierung in der Branche gemeinsam mit den Akteuren des dreistufigen Vertriebswegs, mit anderen Handwerksorganisationen und mit Vertretern der Forschung an den Hochschulen meistern“, sagt zwar auch Michael Zimmermann, Vizepräsident des Zentralverbands des Dachdeckerhandwerks. „Wir nehmen immer wieder Tendenzen wahr, die uns nicht gefallen. Der Endkunde wird vermehrt unter Umgehung des Handwerks direkt angesprochen.“ Das sei nicht im Sinne des Handwerks. „Wir wollen die Digitalisierung als Werkzeug nutzen , nicht aber selbst zum Werkzeug der Digitalisierung werden“, sagt Zimmermann. Sein Argument: Es habe auch Nachteilefür den Kunden selbst, wenn Hersteller den Fokus einseitig auf ihre Produkte lenken. „Die Beratung der Kunden sollte möglichst umfassend und dabei auch produktunabhängig sein – und das funktioniert nur, wenn es herstellerunabhängige Fachbetriebe gibt, die diese Beratung übernehmen.“
Das Handwerk sollte sich daher den Entwicklungen stellen und klar machen, dass es unverzichtbarer Partnerfür Industrie, Handel und auch Verbraucher bleiben muss, sagt Zimmermann. Der Dachdecker-Verband hat bereits mit anderen Branchenvertretern eine „Gemeinsame Erklärung der Partner aus Industrie, Handel und Handwerk in der Bedachungsbranche zur Digitalisierung“ verabschiedet, die Rahmenbedingungen und Ziele einer solchen Zusammenarbeit festlegt. Ob solche Vereinbarungen mehr sein können als reine Absichtserklärungen, bleibt abzuwarten – denn Veränderungsdruck und Dynamik an den Märkten sind groß. Und derzeit sind es Konzerne aus der Industrie, die das Tempo und die Richtung des Wandels vorgeben, nicht das Handwerk. „Die momentan sehr gute Auftragslage im Handwerk ist in diesem Sinne Segen und Fluch zugleich“ , sagt Digitalisierungs-Experte Christoph Krause. „Viele Betriebe haben zu viel zu tun, und es geht ihnen aktuell zu gut, als dass sie sich um solche Zukunftsfragen kümmern, die noch recht abstrakt wirken.“
Wer mit Industriekonzernen über künftige Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit entscheiden will, sollte dies aber bald tun. Noch sind es Handwerker, die ihre Kunden am besten kennen und beurteilen können, nach welchen Informationen diese suchen – online und offline. Sie haben oft ein persönliches Vertrauensverhältnis aufgebaut, das auch auf einer herstellerunabhängigen Beratung beruht. „Auf dieser Grundlage kann das Handwerk diskutieren, wie eine sinnvolle Partnerschaft in Zeiten der Digitalisierung aussieht“, ist sich Krause sicher. „Oder Handwerker können sich überlegen, was sie sich von den Digitalisierungsprojekten der Industrie abschauen können – um vielleicht eigene Plattformen, digitale Dienstleistungen und Netzwerke aufzubauen und ihre eigenen Vorstellungen von einer digitalisierten Wertschöpfungskette umzusetzen.“
Vorgehensweise: So planen die Hersteller
Ein Blick auf die Digitalprojekte großer Handwerks-Zulieferer aus der Industrie zeigt: Die Projekte und Geschäftsmodelle ähneln sich.Nach diesem Muster arbeiten die meisten Hersteller.
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- Schritt 1: Erste Anlaufstellefür potenzielle Kunden werden
Die Hersteller bauen auf ihren eigenen Webseiten oder zusammen mit anderen Herstellern und Akteuren auf externen Online-Portalen digitale Plattformen auf, die Kunden auf der Suche nach Handwerker-Dienstleistungen anziehen sollen. Kunden sollen nicht zuerst zum Fachhandwerker gehen, um sich beraten zu lassen, und auch nicht auf den Online-Portalen branchenfremder Akteure wie Amazon business oder eines Start-ups landen. - Schritt 2: Mehrwertfür den Kunden generieren
Online-Konfiguratoren und Budgetplaner lassen auch komplexe Produktentscheidungen und Planungen einfach und unkompliziert erscheinen. Die Portale machen Kunden die Produktauswahl und Projektplanung leicht – auch wenn das oft nur dadurch gelingt, dass Standardlösungen statt individueller Lösungen angeboten werden. Einige Portale machen es den Kunden noch einfacher und versprechen gleich auch noch Festpreise und kurzfristige Terminefür die Lieferung/Umsetzung. - Schritt 3: Leads generieren
Nun vermitteln die Plattformen Leads, also Kontakte zu Kunden mit Kaufabsichten, zu Fachhändlern und Fachhandwerkern, die sich zu diesem Zweck als Partnerbetriebe registrieren müssen. Sie binden sich in der Regel vertraglich an den Hersteller und seine Plattform und verpflichten sich oft auch, bestimmte digitale Toolsfür die Abwicklung der Aufträge zu nutzen und beim Kunden zu installieren. - Schritt 4: Ins Aftersales-Geschäft eintreten
Über app- und webbasierte Steuerungsinstrumente und Zusatzdienstleistungen, die sich direkt an die Endnutzer wenden und die an das Produkt des Herstellers gebunden sind, binden die Industrieunternehmen den Endkunden in der Folge direkt an sich – und gewinnen so an Einfluss auf das Aftersales-Geschäft rund um Wartung, Reparatur und Zusatzdienstleistungen.
Digitale Projekte Ihrer Zulieferer aus der Industrie, die Sie kennen sollten:
#1 Bau- und Ausbaugewerke
(inkl. Maurer und Betonbauer, Fliesenleger, Maler, Dachdecker und Zimmerer)
- Betriebe: 74.000
- Umsatz 2016: 109 Mrd. Euro
Michael Zimmermann, Vizepräsident im Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks :
„Die Industrie will mit digitalen Plattformen neue Märkte erschließen oder bestehende ausbauen. Das ist legitim, vor allem, wenn das Dachdeckerhandwerk eingebunden ist und eigenständig agieren kann. Trotzdem schauen wir sehr genau hin, um zu verhindern, dass die Abhängigkeit der Betriebe zu groß wird, aber auch, um sicherzustellen, dass der dreistufige Vertriebsweg – also die Kette „Hersteller-Handel-Dachdecker“– eingehalten wird. Bereits vor Jahren haben wir unsere Plattform www.dachdecker.com entwickelt.“
Hersteller aus der Bauindustrie arbeiten an digitalen Plattformen, die Bauherren als Endkunden ansprechen, an Herstellermarken binden und Kontakte zu Fachhandwerkern vermitteln. Bei den Dachdeckern ist dadurch eine gemeinsame Digitalisierungs-Initiative angestoßen worden, in der Hersteller, Händler, Handwerker, aber auch Handwerkskammern und Forschungsinstitute vertreten sind. Man versucht, sich auf gemeinsame Regeln und Rahmenbedingungenfür die Digitalisierung der Geschäftsmodelle zu einigen.- Braas/BMI Group: meinDach.de Die Plattform spricht Bauherren direkt an, bietet einen Konfiguratorfür Dachsysteme, informiert über Dachbauprojekte und vermittelt Leads zu registrierten Fachhandwerkern.
- Brillux: farbdesigner.de Hier können Endverbraucher ansehen, wie Farben auf verschiedenen Oberflächen wie Wänden, Böden und Dächern wirken. Dazu gibt es Beispielhäuser und -räume. Das Projekt lässt sich dann online speichern und nach Anmeldung beim Hersteller auch als PDF herunterladen.
- Bosch: effizienzhaus-online.de Spricht Bauherren an, die eine Sanierung ihrer Immobilie planen. Ein Konfigurator berechnet ihr Sanierungsbudget. Die Plattform vermittelt Leads zu registrierten Fachhandwerkern, Energieberatern, Architekten usw.
- Caparol: caparol.de Die Plattform vermittelt Leads zu Fachhandwerkern, die Mitglieder im „Caparol-Club“ sind.
- Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer: fliesenkonfigurator.com Über die Plattform können Endkunden sich in einem digitalen Showroom selbst die passenden Fliesenfür ihre Bauprojekte zusammenstellen. Der Hersteller bietet Fachhandwerkern an, die digitale Plattform bei der Kundenberatung zu benutzen.
- Haro: studio.haro.com Mit dem Konfigurator des Bodenbelag-Herstellers auf dessen Website oder App können Endkunden virtuell selbst Böden verlegen, den Produktbedarf planen und sich zum registrierten Fachhandwerker vermitteln lassen.
- Norddeutsche-Steingut AG : fliesen.esignserver2.com/grohn/gallery.do Auf den Seiten der Marken Nord Ceram und Grohn können Kunden Fliesen in einem digitalen Raumstudio auswählen und online ansehen. Nach Anmeldung auf der Plattform können Fotos der eigenen Privaträume als Vorlage verwendet werden.
- Villeroy & Boch : villeroy-boch.esignserver2.com Mit dem Flieseninspirator von Villeroy & Boch können Endkunden verschiedene Fliesenkombinationen der Firma online ausprobieren. Auch hier ist nach Anmeldung das Hochladen eigener Fotos als Vorlagen möglich.
#2 Elektro-Handwerk
- Betriebe: 53.755
- Umsatz 2017: 57,6 Mrd. Euro
Alexander Neuhäuser, Geschäftsführer Recht und Wirtschaft im Zentralverband Elektro- und Informationstechnische Handwerke:
„Man muss akzeptieren, dass sich die Digitalisierung nicht aufhalten lässt. Dazu gehört auch, dass die internetgestützte Plattformökonomie Geschäftsmodelle und Vertrieb verändern werden. Handwerksunternehmen müssen sich die Frage stellen, ob sie Plattformangeboten durch ihre Unterstützung in den Markt helfen wollen. Denn diese Plattformen sind darauf ausgelegt, möglichst große Marktmacht auszuüben und zwar sowohl im Vertrieb ihrer Produkte, als auch auf die Zulieferkette, also die Installationspartner.“
Viele Hersteller der Elektro-Industrie bauen Online-Shops auf, auf denen sich nicht nur Fachhandwerker, sondern auch Endkunden über Preise und Modelle informieren und Produkte bestellen. Elektroinstallationstechnik-Hersteller bieten auf ihren Webseiten Konfiguratorenfür Systemtechnik. Auch Energieversorger bauen Plattformen auf, über die Konkurrenzangebote zu den Leistungen des Elektrohandwerks angeboten werden. Sie wollen Handwerker als Partnerbetriebe der Plattformen gewinnen, um zum Beispiel Solaranlagen zu installieren.
- Busch-Jaeger: yoursmarterhome.de Busch-Jaeger hat einen Smart-Home-Konfigurator und verschiedene Apps zur Steuerung smarter Haushaltsgeräte und –technik entwickelt, die sich an Endkunden richten. „Profi inklusive“, wirbt Busch-Jäger auf der Plattform: Über eine Fachpartner-Suche generiert die Plattform Leads zu Fachhändlern und Elektro-Installateuren, die sich kostenlos registrieren können. Nach der Installation soll der Kunde aber ohne Handwerker auskommen: „Einmal installiert, können Sie selbst Einstellungen nachträglich ändern – ganz ohne fremde Hilfe.“
- Bosch: bosch-smarthome.com/de Auf der Seite von Bosch können sich Endkunden über Raumklima, Sicherheit, Licht und Rolladensteuerung informieren. Die angebotenen Produkte, beispielsweise das Beleuchtungssystem Hue von Philips, lassen sich ganz leicht selbst installieren, so wirbt die Seite. Sollten Endkunden dennoch Hilfe benötigen, finden sie diese direkt bei Bosch. Der dort angebotene Installationsservice ist „powered by Mila“ und besteht aus registrierten Fachpartnern, aber auch geprüften Privatpersonen.
- Hager, Berker, Elcom : dasintelligentezuhause.de Die Elektrotechnikhersteller Hager, Berker und Elcom sprechen mit der Plattform dasintelligentezuhause.de ebenfalls Endkunden an, die sichfür vernetzte Haushaltsgeräte und -Elektronik interessieren. Preisbeispiele und Konfiguratoren sollen es den Kunden leicht machen, sich ein System zusammenzustellen. Elektro-Fachbetriebe können sich auch hier als Partner registrieren und erhalten dann Leads von Kunden aus ihrer Region.
- Jung Elektro, Gira : enet-smarthome.com , tado.com Jung will auf dem Smart-Home-Markt mitmischen und spricht mit tado.com Endverbraucher direkt an. Die Plattform wirbt auchfür die mit Installationstechnik-Hersteller Gira gemeinsam entwickelte Automationslösung enet.de. Fachhandwerker wie Elektrotechniker, Heizungs- und Solaranlagenbauer sollen Mitglied im „tado installers club“ werden, um Tado-Lösungen anbieten und Fernwartungs-Apps des Herstellers nutzen zu können. 3.000 Betriebe sind bereits (kostenlos) registriert. Enet-Partner sind auch die Hersteller Brumberg, Häfele, Siedle und Steinel.
- Miele, Logitech, Centralite, Bosch, Osram, Schellenberg : qivicon.com Unter Führung der Deutschen Telekom haben sich Unternehmen verschiedener Branchen zusammengetan, um Endkunden über Qivicon.com eine Hausautomatisierungslösung aus einer Hand anzubieten. Diese Firmen haben bislang keine Bindung zu klassischen Handwerksbetrieben, Lead-Generierung ist nicht vorgesehen. Künftig werde ein eigener, bundesweiter Service- und Wartungsdienstfür Hersteller und Händler immer wichtiger, so der Konzern. Die Telekom entwickelt deshalb eigene Serviceangebote rund um das Smart-Home-Angebot wie etwa 24-Stunden-Notfall-Services.
- Somfy, Schneider Electric, Danfoss Heating: somfy.de/TaHoma ; Connectivity Ecosystem Mit der Smart-Home-Plattform TaHoma mit Smart-HomeKonfigurator und Online-Shop spricht Steuerungs-Hersteller Somfy Endkunden an. Gemeinsam mit den Firmen Schneider Electric, Danfoss, Velux, Philips und Panasonic ist außerdem eine gemeinsame Systemlösung namens „Connectivity Ecosystem“ geplant. Somfy will dafür das Installateur-Netzwerk und die Fachpartner von Schneider Electric EcoXperts, Somfy Experts und Danfoss Installers einbinden.
#3 Kfz-Gewerbe
- Betriebe: 37.000
- Umsatz 2017: 174 Mrd. Euro
Niklas Hostnik, Referent beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe: „Für mich ist die Kernfrage: Wer hat Zugang zu den Daten, die durch digitalisierte Produkte und Dienstleistungen entstehen? Nur wenn wir einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen relevanten, erzeugten Daten haben, bei dem der Kunde selbst bestimmt, wem er seine Daten zu welchem Zweck anvertrauen will, können wir eine Abhängigkeit aller Beteiligten von der Industrie vermeiden.“
Alle großen Automobilkonzerne und ihre Zulieferer arbeiten an digitalisierten, vernetzten Produkten. Fahrzeuge und einzelne Bauteile wie Reifen oder Entertainment-Systeme werden intelligent. Sie sammeln Daten über Nutzungsverhalten , melden Störungen und Reparatur- oder Wartungsbedarf, Wetterdaten und Verkehrsinfos. Diese Daten fließen direkt in eigene Datenbanken. Wer zu welchen Bedingungen darauf zugreifen und die Daten gewinnbringend verwerten kann, entscheidet dann die Industrie .
- BMW: BMW Cardata/Connected Drive BMW Cardata ist die Aftersales- Online-Plattform des Autoherstellers. Die Daten der Kunden, die digitale Dienstleistungen der „Connected-Drive”-Plattform des Herstellers in Anspruch nehmen, fließen auf die BMW-Server. Von dort aus können registrierte Dienstleister wie Versicherer und Werkstätten gegen Zahlung einer Gebühr auf die Daten zugreifen, wenn der Kunde die Datennutzung erlaubt.
- Continental: Conticonnect Der Automobilzulieferer Continental bietet über Conticonnect Flottenmanagern an, Daten wie Reifendruck usw. automatisiert zu managen. Ist eine Reparatur, ein Wartungs- oder Kontrolltermin oder Reifenwechsel nötig, benachrichtigt die Plattform automatisch einen Conti-Servicepartner.
- VW: Volkswagen-we Volkswagen will auf der zentralen digitalen Plattform Volkswagen We alle digitalen Dienste und die Fahrzeugdaten-App We Connect zu einem Gesamt-Ökosystem vereinen. Upgrades und Updates der bis zu 70 digitalen Steuergeräte im Fahrzeug sollen auch ohne Werkstatt- oder Händlerbesuch über einen eigenen VW-App-Store möglich sein. WeConnect meldet dem Fahrer automatisch, wenn Wartungstermine oder Reparaturen anstehen.
- Daimler: Mercedes Me Bei Daimler heißt die zentrale digitale Plattform Mercedes Me bzw. Mercedes Me Connect/Mercedes Me Assist. Auch hier können Fahrzeugbesitzer direkt über die Plattform Werkstatttermine buchen oder den Pannendienst rufen. Alle Werkstattdaten werden über die Plattform gespeichert.
- Bosch: MySchleppApp Automobilzulieferer Bosch versucht sich mit digitalen Plattformen wie der MySchleppApp auch am direkten Endkundenzugang.
Nutzer der App können per Anruf oder Klick in der App automatisiert einen Pannen- oder Abschleppdienst rufen.
#4 Sanitär, Heizung und Klimatechnik
- Betriebe: 74.000
- Umsatz 2016: 41,6 Mrd. Euro
Frank Ebisch, Pressesprecher beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima : „Nach Vorstößen in Richtung Direktkontakt zum Endkunden setzen die digitalen Plattformen der großen Heizungsbauer allesamt auf ein Partnerschaftsmodell mit Fachhandwerkern. Denn als Fachverbände haben wir klar gemacht, dass die Autonomie unserer Betriebe gewahrt bleiben muss. Auch die Kunden wollen einen Ansprechpartner in einem lokalen Handwerksbetrieb. Dennoch raten wir unseren Betrieben, sich die Bedingungen der Online-Partnerschaften mit Herstellern sehr genau anzuschauen und nicht zu viele Arbeitsschritte abzugeben.
Große Hersteller bauen digitale Marketing- und Vertriebsplattformen auf. Kunden können Online-Konfiguratoren der Hersteller nutzen, um ihr Wunschprodukt zusammenzustellen. Fachhandwerker können sich als Partnerbetriebe registrieren und erhalten dann Anfragen von Kunden über die Plattform. Hersteller stellen ihren Partnern digitale Tools zur Verfügung, um Aufträge zu verwalten und abzuwickeln. Fachhandwerker, die Produkte mehrerer Hersteller anbieten, müssen mehrere verschiedene Tools und Plattformen parallel einsetzen.
- Bosch Thermotechnik: junkers.com/endkunde/endkunde ; buderus.de/Heizungstausch Junkers- und Buderus-Online bieten Endkunden Heizungskonfiguratoren; vermitteln automatisiert Angebote von registrierten Fachpartnern.
- Duravit: duravit.de/planen/badplaner.de-de.html Endkunden können hier mit Planungsvorlagen und Produktauswahl von Duravit ihr Bad online gestalten. Das Speichern des Plans ist erst nach einer Online-Registrierung beim Hersteller möglich.
- Grohe : find-installer.grohe.com Das „ Grohe-Sense-System“ spricht Endkunden direkt an, die sich vor Wasserschäden schützen wollen. Kontakte zu Fachhandwerkern, die sich als Partner registrieren, ein Starter-Set des Sense-Systems vorhalten und einen Online-Kurs des Herstellers absolvieren, vermittelt Grohe über die Plattform: find-installer.grohe.com. Endkunden richten Handwerker als Notfallkontakt ein.
- Keuco: ixmo.de Der IXMO-Armaturenplaner ermöglicht Endkunden, ihre Badewanne oder Dusche online zu planen. Wie die ausgewählten Elemente angeschlossen werden müssen, zeigt dem Endkunden ein Online-Installationsschema.
- Vaillant: heizungonline.de Das Portal des Heiztechnik-Herstellers spricht Bauherren und Immobilienbesitzer an, die eine neue Heizanlage einbauen lassen wollen. Mit einem Konfigurator können sie sich eine passende Anlage zusammenstellen und erhalten ein Angebot von einem registrierten Partner- Fachhandwerker.
- Viessmann: heizung.de Konfiguratorfür Endverbraucher, der Leads zu Partnerbetrieben aus dem Handwerk herstellt. Je mehr Umsatz ein Betrieb mit Viessmann-Produkten macht, desto mehr der digitalen Tools des Herstellers kann er nutzen.
- Villeroy Boch : villeroy-boch.de/badplaner Der Hersteller bietet einen Badkonfiguratorfür Endkunden. Das fertige Baddesign können Kunden als PDF mit zum Händler nehmen.