Firmenrechtschutz "Den Anwalt zahlt ein anderer": Tarifvergleich der Rechtsschutzversicherungen

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Rechtliche Streitigkeiten sind längst Teil Ihres Geschäftsalltags. Sie selbst, aber auch Ihre Kunden, Behörden und Mitarbeiter versuchen zunehmend, ihre Interessen per Gericht durchzusetzen. Eine Rechtsschutzversicherung kann helfen. Was sie leistet, was nicht und was sie kostet im Tarifvergleich.

Martin Mormann, Mitinhaber der Firma o dente Borgholzhausener Zahntechnik GmbH
"Wir konnten einen guten Anwalt beauftragen, denn die Kosten für den Streit um Schadenersatz haben wir abgesichert", sagt Martin Mormann, Mitinhaber von "O dente Borgholzhausener Zahntechnik GmbH" in Borgholzhausen. - © Bettina Meckel

Stress ist für Martin Mormann kein Fremdwort. Zeit ist knapp beim Zahntechniker. Einen Ausfall von Arbeitskräften kann er sich kaum leisten. Da ist es schon ein kleiner Schock für den Mitinhaber der Firma o dente Borgholzhausener Zahntechnik GmbH, als sein Mitgeschäftsführer an einem Wintertag auf einem Gehweg auf Eis ausrutscht und sich krankmeldet. Die Folge: Mormann muss Arbeiten stornieren. Den Schaden von mehreren tausend Euro stellt er dem verantwortlichen Grundstücksbesitzer in Rechnung. Denn der hatte seine Streupflicht vernachlässigt. Als dieser dies bestreitet, schaltet Mormann die Firmenrechtsschutzversicherung der LVM aus Münsterein. „Wir konnten einen guten Anwalt beauftragen, denn die Kosten für den Streit um Schadenersatz haben wir abgesichert“, sagt Mormann. Der Jurist ist schnell erfolgreich. Noch im außergerichtlichen Verfahren gibt der Gegner klein bei und zahlt die volle Summe. Auch in einem weiteren Verfahren ist der Schutz der Versicherung Gold wert, weil auch private Streitigkeiten mitversichert sind. Mormanns Sohn muss operiert werden, bei der OP wird gepfuscht, und das Krankenhaus will Familie Mormann mit 3.000 Euro abspeisen. Mormann schlägt das Angebot aus und prozessiert. Mit Erfolg: Sein Sohn kann ein Vielfaches der angebotenen Summe erstreiten. „Ohne eine Rechtsschutzversicherung hätten wir uns das nicht getraut“, sagt Martin Mormann.

Gegen große Gegner hilft eine Rechtsschutzpolice. Sie gewährt Waffengleichheit und verleiht den Betroffenen einen langen Atem. Wer ohne diesen Schutz ist, hat oft nicht das Geld, um sein Anliegen durch alle Instanzen durchzukämpfen. Anwalts- und Gerichtskosten orientieren sich am Streitwert – sie belaufen sich schnell auf mehrere tausend Euro.

Diese Erfahrung macht auch Bauunternehmer Olaf Nolte (Name von der Red. geändert). Mit viel Herzblut baut er eine Gaststätte für ein Freilichtmuseum in Nordrhein-Westfalen. Beim Auftraggeber, einem Landschaftsverband, ist Nolte mit seinen kreativen Ideen und vielen Aktivitäten sehr angesehen. Das ändert sich, als der Unternehmer seinen Mehraufwand in Höhe von 100.000 Euro in Rechnung stellt. Die Behörde weist die Forderung zurück. Nolte schaltet einen Anwalt ein, der die Berechtigung der Forderung bestätigt. Als Reaktion zahlt der Landschaftsverband nur rund zehn Prozent der Summe. „Die Behörde stellte einfach auf stur“, sagt Nolte.

Notnagel Prozessfinanzierung

Einen Anwalt will der Architekt nicht einschalten, das ist ihm zu teuer – er wendet sich an die Roland Prozessfinanz, die den Fall übernimmt. Prozessfinanzierer vertreten die Ansprüche ihrer Auftraggeber vor Gericht und erhalten als Lohn bis zu 35 Prozent des erstrittenen Betrags. Gelingt ihnen die Durchsetzung der Ansprüche nicht, gehen sie leer aus. Nolte erzählt: „Der Landschaftsverband hat direkt gemerkt, dass nun richtig Druck im Kessel ist.“ Schon nach einem halben Jahr kommt es zu einem Gerichtstermin. In der ersten mündlichen Verhandlung bestätigt der Richter die Ansprüche dem Grunde nach. Gleichzeitig schlägt er einen Vergleich von 30.000 Euro vor. „Wir haben über diesen Kompromiss geschlafen und ihn dann angenommen“, sagt Rechtsanwältin Nicole Huber, die für den Kölner Finanzierer arbeitet. Nach Abzug der eigenen Kosten von rund 10.000 Euro und der 35-prozentigen Erfolgsbeteiligung der Roland Prozessfinanz, erhält Nolte noch etwas mehr als 13.000 Euro ausgezahlt.

Das zeigt: Prozessfinanzierung ist ein Notnagel. Besser ist es, seine Interessen unter dem vollen Schutz der Rechtsschutzversicherung durchzusetzen. Sie kommt für Anwalts- und Gerichtskosten auf, eine Beteiligung am erstrittenen Betrag gibt es nicht. Rechtsschutz wirkt auch als Druckmittel, wie das Beispiel eines Metallbauers aus Bayern zeigt. „Wir konnten mit der Kostenzusage der D.A.S.-Rechtsschutzversicherung für einen gerichtlichen Streit unseren Auftraggeber sofort wieder an den Verhandlungstisch bekommen“, sagt Geschäftsführer Manuel Kiefler (Name von der Red. geändert). Das mittelständische Unternehmen hatte im Auftrag einer Gemeinde die Fassade einer Schule saniert. Nach Beendigung der Arbeiten gibt es Streit wegen angeblich unzureichender Ausführung. Die städtische Behörde kürzt die Rechnung um 380.000 Euro. Als der Unternehmer einen Prozess androht und gleichzeitig deutlich macht, dass seine Rechtsschutzversicherung auch einen langen Prozessverlauf zahlt, knickt die Baubehörde ein. „Wir haben uns, um eine erste schnelle Einigung zu erzielen, auf eine weitere Zahlung von 235.000 Euro geeinigt“, ist Geschäftsführer Kiefler zufrieden.

Nicht jeder bekommt jeden Schutz

Rechtsschutzversicherer werben mit bunten Broschüren für eine Voll-Absicherung per Firmenpolice. Doch maximalen Schutz zu bezahlbaren Konditionen gibt es nur für risikoarme Unternehmen – das Handwerk gehört meist nicht dazu. „Topschutz erhalten nur sehr gute Kunden oder bestimmte Berufsgruppen, wie Ärzte“, bestätigt Thomas Stoiber vom Versicherungsvergleichsportal Innosystems.

Für viele Handwerker sinnvoll ist die Abdeckung aller Streitigkeiten aus gewerblichen Verträgen wie Leasing-, Werklieferungs-, Reparatur- oder Kaufverträgen und die Anwaltskostenübernahme bei Klagen wegen „Schlechterfüllung“ oder „mangelhafter Ausführung“. Diese Risiken prüfen die Versicherungen jedoch individuell und sagen einen umfangreichen Schutz nur gegen eine sehr hohe Prämie zu. Pauschale Angaben zum Preis sind nicht möglich. Standardrechtsschutz gibt es ab rund 300 Euro, umfangreicherer Schutz beginnt bei 900 Euro. Das tatsächliche Risiko wird individuell in der Agentur des Versicherers bepreist. Rechtsanwältin Petra Hildebrand-Blume aus Ladenburg meint: „Rechtsschutzversicherungen für Selbstständige oder Gewerbetreibende sind aus der Sicht der Inhaber zu teuer und werden deshalb meistens nicht abgeschlossen.“

Das leistet einfacher Rechtsschutz

Standardpolicen sind eine sinnvolle Alternative für das Handwerk. Sie decken meist Streit mit Mitarbeitern (Arbeits-RS), dem Finanzamt (Steuer-RS), der Berufsgenossenschaft (Sozial-RS), dem Gewerbeamt (Verwaltungs-RS) und fahrlässige Körperverletzung (Straf-RS) ab. Wer zusätzlich Firmenimmobilienschutz und Firmenverkehrsschutz möchte, zahlt dafür je nach Selbstbeteiligung bis zu 2.000 Euro Prämie pro Jahr. Unternehmer mit Sonderrisiken, wie etwa einer kopierfreudigen Konkurrenz, sollten genau hinsehen – das Wettbewerbsrecht ist meist nicht abgedeckt, wie die Analyse von Premium Firmenrechtsschutzpolicen zeigt.

Risikoausschluss ist Risikofaktor

Rechtsschutz ist eine Frage von Details – und die sind oft strittig. Die zunehmende Zahl von Beschwerden, die bei den Schlichtungsstellen der Versicherungswirtschaft landen, ist ein klarer Hinweis darauf. Noch vor den Lebensversicherungen landet der Rechtsschutz mit 27,2 Prozent aller Beschwerdefälle neuerdings auf Platz 1. 2017 waren es insgesamt 4.015 Fälle. Das ist ein Plus von 5,5 Prozent, wie aus dem aktuellen Bericht des Berliner Schlichters Prof. Dr. Günter Hirsch hervorgeht. „Ein enormes Streitpotenzial gibt es durch Risikoausschlüsse“, warnt der Ombudsmann. Bestimmte Teilbereiche einer eigentlich versicherten Leistung, würden so wieder vom Versicherungsschutz ausgenommen. Die Kunden kennen aber den Ausschluss meist gar nicht. Zudem handeln viele Versicherer trickreich, wenn es an die Verweigerung der versicherten Leistung geht.

Noch härter formuliert es der Berliner Rechtsanwalt Joachim Cornelius-Winkler. Nach seiner Einschätzung werden Leistungen „in 90 Prozent aller Fälle zu Unrecht abgelehnt“. Nach Erkenntnis des Fachanwaltes für Versicherungsrecht gibt es bei der Regulierung von Schadenfällen je nach Unternehmen sehr große Unterschiede. Mit diesen Äußerungen hat der Anwalt in der Branche einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. So stellt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fest: „Es handelt sich um keine empirische Erhebung und auch nicht um eine Bewertung von Kunden.“ Tatsache sei, dass sich die Zahl der Konflikte zwischen Kunden und Versicherern seit Jahren auf sehr geringem Niveau bewegt. Konkrete Angaben zu ihren Ablehnungsquoten bleiben aber alle Versicherer schuldig. Allein die ARAG gibt an, dass sich die Ablehnungen bezogen auf die Gesamtzahl der Schäden „unterhalb des einstelligen Prozentbereichs“ bewegen würden. Doch hier hat der Versicherer einen Großteil der Leistungsabsagen herausgerechnet. Dabei geht es um formale Ablehnungen, die beispielsweise dann möglich werden, wenn das Risiko, etwa Auto oder Wohnung, nicht mitversichert ist. Cornelius-Winkler: „Auffällig ist, dass ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Kosten und der Ablehnungsquote besteht.“ Daher ist sich der Jurist sicher, einen „Trend“ erfasst zu haben.

Fazit

Rechtsschutz ist wichtig, er kann das Überleben eines Betriebes sichern. Denn Gerichts- und Anwaltskosten werden schnell fünfstellig. Hochwertiger Rechtsschutz wird den meisten Handwerkern jedoch oft verweigert. Und die einfache Firmenabsicherung deckt den Bedarf nicht vollständig ab. Handwerker sollten deshalb genau abwägen: Welche Rechtsfälle könnten mich im schlimmsten Fall treffen – und welchen Schaden würden sie anrichten? Fragen Sie Ihren Versicherungsagenten, welche Police Ihr Risiko abdeckt, was sie kostet und wie hoch Anwalts- und Gerichtskosten für die Anspruchsabwehr oder Durchsetzung eigener Ansprüche in Ihrem Fall wären. Hält sich das Kostenrisiko in sehr engen Grenzen, kann es sinnvoll sein, keine Versicherung abzuschließen, die Prämie zu sparen und den Rechtsstreit im Notfall mithilfe eines Prozessfinanzierers zu führen oder eben doch aus der eigenen Tasche zu bezahlen.

Wann die Versicherung nicht zahlen muss

Ob man gut versichert ist, zeigt oft erst ein Schadenfall. Im Kleingedruckten sind Leistungen eingeschränkt, die eigentlich versichert sein sollten. Drei Fälle und ihre Klauseln, in denen es Versicherten nicht gelang, einen Anspruch durchzusetzen.

  1. Wartezeit: Beim Vertragsrechtsschutz gilt eine Wartezeit von meist drei Monaten. Der Fall: Ein Berliner Gewerbetreibender kauft sich einen zusätzlichen Jahreswagen. Später stellt sich heraus, dass das Fahrzeug schon beim Kauf mängelbehaftet war. Der Berliner verlangt Rückabwicklung des Kaufvertrages oder Schadenersatz. Der Versicherer lehnt trotz des abgeschlossenen Bausteins „Verkehrsrechtsschutz“ die Deckung ab. „Zum Zeitpunkt des Kaufs war die Wartezeit noch nicht erfüllt“, stellt Versicherungsmakler Michael Salzburg aus Berlin (fairsicher.de) fest.
  2. Vorsatz: Schadenablehnung wegen vorsätzlicher Verursachung. Der Fall: Ein Unternehmer fühlt sich durch einen langfristigen Mietvertrag geknebelt. Als er ein deutlich günstigeres Objekt findet, zieht er aus und will sich später wegen etwaigen Schadenersatzes mit dem Vermieter einigen. Doch Kostenschutz über die Rechtsschutzversicherung gibt es nicht. „Der Versicherer lehnte ab, da der Versicherungsnehmer den Schaden angeblich vorsätzlich und rechtswidrig verursacht hat“, so Experte Salzburg und ergänzt: „Es gibt Verträge, die eine Schadenablehnung wegen vorsätzlicher Verursachung nur vorsehen, wenn dies im Zusammenhang mit einer Straftat geschieht.“
  3. Privatsphäre: Aus einer privaten Rechtsschutzpolice gibt es keinen Anspruch auf Kostenschutz für den Streit um Schadenersatz aus gewerblichen Schäden, wenn privat und gewerblich nicht eindeutig getrennt sind.
    Fall 1: Nach einem Einbruchdiebstahl wollte der Wohngebäudeversicherer einer privat rechtsschutzversicherten Frau nicht ausreichend zahlen. Sie wollte mit dem Versicherer streiten, allerdings übernahm ihre RS-Versicherung dafür nicht die Kosten. Der Grund: Sie hatte bei Antragstellung nicht angegeben, dass sie Bereiche ihres Eigenheimes für eine selbstständige Tätigkeit nutzt.
    Fall 2: Ein privat rechtsschutzversicherter Bestatter verletzt sich auf einer Fachmesse an einem Scharnier eines Sarges schwer am Zeigefinger. Einen Anspruch auf Kostenschutz für den Streit um Schadenersatz hat er nicht, da er sich aus beruflichen Gründen auf der Messe aufgehalten hat.
    Fall 3: Ein Almwirt ohne gewerblichen Rechts-schutz wird in seiner Gaststätte von einem fremden Hund gebissen, der versehentlich ins Gebäude gelassen wurde. Da die Tiergefahr der privaten Sphäre zuzurechnen ist, zahlte die RS-Versicherung den Streit um Schadenersatz.
Tipp: Privater und gewerblicher Schutz sollten immer zusammen versichert werden.

Nebenleistungen: Diese fünf Klauseln sind wichtig

Eine Rechtsschutzversicherung deckt die Kosten für Anwalt und Gericht, um eigene Ansprüche durchzusetzen oder die Ansprüche Dritter abzuwehren. Doch manche Versicherung kann mehr. Auf diese Nebenleistungen sollten Handwerker achten.
  1. Schadenfälle Versicherung kündigen nach Inanspruchnahme einer Leistung oft den Vertrag oder heben die Prämien an. Wichtig ist deshalb, dass der Versicherer erst nach zwei Schadenfällen in zwölf Monaten außerordentlich kündigen kann. Ein Schaden pro Jahr bleibt somit problemlos.
  2. Stichentscheid Will eine Versicherung wegen angeblich mangelnder Erfolgsaussichten die Streitkosten nicht bezahlen, ist ein sogenannter Stichentscheid hilfreich: Ein Anwalt kann mit seinem juristischen Statement zum Fall die Kostenübernahme erzwingen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Versicherer.
  3. Selbstbeteiligung Wer ein hohe Selbstbeteiligung wählt, für den empfiehlt sich in jedem Fall eine kostenfreie juristische Erstberatung.
  4. Betrieblicher Spezialstrafrechtsschutz stellt zinslose Darlehen als „Komm-aus-dem-Gefängnis-Freikarte“ bereit. Er greift bei „nur vorsätzlich begehbaren Vergehen“, wie etwa Betrug.
  5. Privat- und Gewerberechtsschutz sollten immer zusammen abgeschlossen werden, denn die Grenzen zwischen privat und beruflich sind fließend.