Interview mit Ursula Kraemer Ruhestand: "Aktive Menschen finden meist sehr viel besser ins Alter als passive Menschen."

Zugehörige Themenseiten:
Altersvorsorge und Entscheidungsfindung

Viele Handwerksunternehmer haben Probleme mit dem Übergang in den Ruhestand. Diese Lebensphase muss bewusst geplant werden, sagt Beraterin und Buchautorin Ursula Kraemer. Ihr für handwerk magazin entwickeltes Seminar erklärt, wie man richtig in den Ruhestand startet.

Ursula Kreamer Coach, Beraterin, Buchautorin Navigo
Die Beraterin und Buchautorin Ursula Kreamer berät Menschen beim Übergang in den Ruhestand - © Ilja Mess
Sie beraten seit Jahren Menschen beim Übergang in den Ruhestand. Gelingen diese Übergänge überwiegend oder misslingen sie eher?

Wer sich frühzeitig damit beschäftigt, wird sich der Veränderungen bewusst, die diese neue Phase mit sich bringt. Es stellt sich oft sogar Vorfreude ein. Sehr viel schwerer wird es für diejenigen, die sich nicht darum kümmern und hoffen, es werde sich schon fügen. Es ist vergleichbar mit einer Reise: Man kann einfach losfahren und sich überraschen lassen. Aber dann wird man mitunter mit Situationen konfrontiert, die mit einer guten Vorbereitung hätten vermieden werden können.

Was machen viele falsch?

Die einen lassen die Dinge auf sich zukommen und hoffen darauf, dass sich schon etwas findet, wie sie die dann plötzlich zur Verfügung stehende Zeit füllen können. Sie beginnen, in den Tag hineinzuleben, und stellen am Ende frustriert fest, dass sie das nicht zufrieden macht. Wer nicht weiß, was er mit seiner Zeit anfangen möchte, wird schnell von seinem Umfeld verplant. Andere sind der Meinung, mit dem Ruhestand zum alten Eisen zu gehören, in einem Alter zu sein, im dem es nur noch bergab geht. Damit
richten sie ihre Aufmerksamkeit stark auf möglicherweise auftretende Zipperlein und Einschränkungen, was sich zu einem selbstverstärkenden Kreislauf entwickelt. Das ist sehr schade. Wer heute in den Ruhestand tritt, hat meist noch 10, 15, manchmal 20 Jahre vor sich, und nur die letzten davon sind von starken Alterserscheinungen geprägt. Deshalb sollte die Frage sein: „Was ist heute möglich?“ und nicht die lapidare Feststellung: „Dafür bin ich zu alt.“ Wer denkt, nach 65 könne nichts Neues mehr ins Leben kommen, verschenkt Möglichkeiten. Sehr viel mehr als die persönliche Befindlichkeit entscheidet die Einstellung und Erwartung über das Ergebnis.

Wie wichtig sind Emotionen beim Übergang vom Arbeitleben in den Ruhestand?

Veränderungen machen Angst, weil ich das Gewohnte loslassen und mich auf unbekanntes Terrain begeben muss. Je häufiger ich allerdings in meinem Leben Veränderungen selbst initiiert und anstehende Veränderungen gut gemeistert habe, desto zuversichtlicher werde ich in Zukunft sein. Denn ich habe gelernt, dass ich die Dinge beeinflussen kann. Ich habe durch mein Tun Selbstvertrauen gewonnen und weiß, dass das Festhalten eines Zustands oft mehr Energie kostet als das Neue zu begrüßen. Leben ist Veränderung. Um Bestehendes gut loszulassen zu können, ist es unabdingbar zu wissen, was an seine Stelle kommen wird. Deshalb ist die Vorbereitung auf diese neue Lebensphase so wichtig.

Kann man seine Emotionen managen? Oder wie kann man mit seinen Gefühlen umgehen?

Ich kann nicht steuern, dass ich Gefühle habe, aber ich kann lernen, sie zu erkennen und zu verstehen, wodurch sie ausgelöst wurden. Emotionen drücken sich durch Körperempfindungen aus, also gilt es, diese Signale wahrzunehmen und dann zu hinterfragen. Das sind Fähigkeiten, die im Berufsleben und vor allem im männlichen Berufsleben keine Rolle spielen (dürfen). Es ist ein Prozess der Achtsamkeit und der Bereitschaft, Gefühle zuzulassen. Wo spüre ich meine Wut, wie fühlt es sich an, wenn ich glücklich bin, in welcher Körperregion äußert sich Überforderung und Frust?
Wenn ich das herausgefunden habe, was ich fühle, kann ich die Ursachen erkunden und schließlich daran gehen, sie zu beseitigen. In manchen Fällen allerdings liegt dies nicht in meiner Macht. Also bleibt nur, die Dinge zu akzeptieren oder mich von ihnen anzuwenden. Immer gegen die gleichen Mauern zu rennen, bringt nicht weiter. Man schadet nur sich selbst.

Viele Menschen leiden unter unerfüllten Erwartungen, tun aber wenig, um sie wirklich zu realisieren - oder sie erkennen nicht, dass sie gar nicht realisiert werden können. Wie entstehen Erwartungen?

Jeder Mensch kennt Situationen, in denen er alles dafür getan hat, sein Ziel zu erreichen. Eine Frau erobern. Das Geld für einen Herzenswunsch zusammenzubekommen. Sich aus einer misslichen Lage befreien. Wenn man für ein Ziel brennt, finden sich immer Wege, die dort hin führen.
Wenn ich nicht bereit bin, den Preis für ein Ziel zu bezahlen, mich also nicht anstrengen will, dann geht es nicht um ein Ziel, sondern um einen frommen Wunsch. Dann sollte ich mir selbst eingestehen, dass es mir keine Anstrengung wert ist und mich anderen Dingen zuwenden.

Kann ich meine Erwartungen beeinflussen oder verändern?

Ich möchte nicht der amerikanischen Maxime frönen, nach der jeder alles erreichen kann. Aber für jeden von uns ist sehr viel mehr möglich als er sich vorstellt. Das bedeutet, die eigene Komfortzone verlassen zu wollen, einen Schritt darüber hinaus zu gehen, und dann noch einen Schritt und noch einen. Ich muss nicht alles schon können, wenn ich loslaufe. Das Lernen geschieht unterwegs, die Kräfte und Kompetenzen, die ich entwickle, befähigen mich zu mehr.
Dennoch sollte ich überprüfen, ob meine Erwartungen realistisch sind oder ob ich vielleicht Abstriche machen muss. Den ersten Fallschirmspring mit 75 ist nicht möglich, ein Tandemsprung allemal.

Was muss ich tun, damit Übergang in den Ruhestand garantiert misslingt?

Abwarten, passiv bleiben, am Glauben festhalten, das Leben sei vorbei und man gehöre nun endgültig zum alten Eisen, an dem die Welt kein Interesse mehr hat.

Gibt es die typische Persönlichkeitsstruktur, die zum Misslingen führt?

Passive Menschen und Menschen, die davon ausgehen, ihr Leben nicht gestalten zu können, und solche, die mit Pessimismus an ein Thema herangehen, werden eher scheitern als solche, die gewohnt sind, die Dinge anzupacken und Lösungen für Probleme zu suchen. Selbstständige, und damit auch solche im Handwerk, gehören zum Glück zur zweiten Gruppe. Sie haben in ihrem Berufsleben gelernt, Situationen beeinflussen zu können. Diese Erfahrung der Selbstwirksamkeit, wie dies die Psychologen nennen, trägt sie in allen Lebensphasen.

Vielen Dank für das Gespräch!


.

Vita Ursula Kraemer

Ursula Kraemer arbeitet als Businesscoach und Wirtschaftsmediatorin sowohl in ihrem Unternehmen
navigo-coaching.de als auch bei externen Auftraggebern im Vierländereck Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein. Zuvor war sie nach dem Studium der Sozialwissenschaften zehn Jahre lang in Tübingen und Hamburg im Themenbereich Verhaltenstraining in der universitären Lehre und Forschung tätig und hatte Lehraufträge an der Universität Konstanz und den Fachhochschulen in Stuttgart und Weingarten .
.

Ihre Seminare

Den Übergang in den Ruhestand gestalten - Nehmen Sie Ihre Zukunft in die Hand
Wer sich beizeiten auf diesen neuen Abschnitt vorbereitet und konkrete Ideen entwickelt, wie diese Zeit aussehen soll, dem fällt der Abschied vom Betrieb und der damit verbundenen Chefrolle wesentlich leichter. Die Vorfreude auf die kommende neue Lebensphase und ihre Möglichkeiten wächst. Das Gefühl, nun zum alten Eisen zu gehören, wird sich nicht einstellen, auch wenn der Beruf nicht mehr zu Ihrem Leben gehört.
Weiter ->

Selbstbewusst und erfolreich Honorare verhandeln - Unsicherheit abbauen, den eigenen Wert kommunzieren
Stundensätze korrekt zu berechnen und Preisverhandlungen mit dem Auftraggeber zu führen, ist für Gründer und Selbstständige ganz entscheidend. Ohne realistisch kalkulierte Honorare laufen Sie Gefahr, am Jahresende böse Überraschungen zu erleben.
Besonders Frauen tun sich mit dem Thema Geld oft schwer. Sie sind unsicher, was ihre Leistung wert ist und wissen deshalb nicht, mit welchen Argumenten sie ihre Forderungen dem Kunden gegenüber untermauern können. Weiter ->

Sie sind gut und keiner weiß es? - Marketing für Handwerkerinnen
Gut sein allein reicht nicht. Warum Frauen sich mit Marketing so schwer tun und wie sie das ändern können. Sie sind bereits Unternehmerin oder planen ein Unternehmen zu gründen? Dann ist die Beschäftigung mit Marketing unabdingbar. Nur wer klar kommunizieren kann, welche Angebote die Firma hat und für welche Kunden dies einen großen Nutzen bietet, wird auf Dauer erfolgreich sein.
Weiter ->

.

Ihre Bücher

Ursula Kraemer hat etliche Bücher zum Thema erfolgreicher Ruhestand („Aufbruch zu neuen Ufern“) und Persönlichkeitsentwicklung geschrieben. Zu kaufen bei:
holzmann-medienshop.de

Wir danken Gessler 1862 Café & Buchhandlung in Friedrichshafen, dass wir dort das Interview durchführen konnten.
gessler1862.de

.