Nach einer Woche mit unterschiedlichsten Begegnungen in der Berliner Blase verarbeitet Ruth Baumann während der langen Rückfahrt mit der Bahn in dieser Folge von "Neues von der Werkbank" ihre gesammelten Eindrücke. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um zwei Begriffe: Ursache und Wirkung.

Im Rückblick muss ich sagen, dass es der Berliner Blase nicht an der Erkenntnis, sondern an der konkreten Umsetzung fehlt. Die Themen sind im wirtschaftlichen Bereich immer wieder die gleichen: hohe Energiekosten, Facharbeitermangel, bremsende Lohnnebenkosten, Bürokratie, Arbeitsweisen von Verwaltungen, schleppende Entscheidungsprozesse, mangelndes Vertrauen in Betriebe etc. Am Anfang vieler Begegnungen steht das schon fast protokollarische Loblied auf die Kraft und Bedeutung der mittelständischen Betriebe, von dem aber am Ende nur ein Durchhalteappell und das inflationäre Bekenntnis zu: „Wir sind an der Seite der Familienbetriebe“ übrig bleibt.
Wer Zukunft will, muss das Tempo der Gegenwart nicht nur verstehen, sondern auch selbst dazu beitragen. Es braucht keine weiteren Papieranalysen, dass die Innenstädte „versteppen“ (treue Leser wissen, was ich meine). Ein einfacher Gang durch die Innenstadt zeigt, dass die bisherige Strategie nicht greift. Während die Couch-Bewohner von daheim 24/7 ihre Bestellungen tätigen, ärgern sich andere Kunden an falscher, teurer Parkplatzbewirtschaftung, sorgen sich um ihre Sicherheit, scheuen teure Personal- und Raumkosten, während die Innenstädte sich nach unten normieren. Kommunen erfinden zusätzlich neue Unkosten (Verpackungsabgabe), um den Einzelhandel weiter auszudünnen. Man „investiert“ in Personal und Gutachten, während die Entwicklung der Gewerbesteuer und des Arbeitsmarkts diskret ausgeblendet wird.
Dokumentation statt Lösungsansätze
Die Infrastruktur ist desolat, Geld keines da. Lieber dokumentiert man in Zeiten leerer Kassen diese Entwicklung erneut, statt Lösungen zu suchen. Schulen, Krankenhäuser, Mobilität und vieles mehr brauchen keine weiteren Analysen, sondern Investitionen. Dokumentationen ersetzen keine Lehrer, Krankenschwester oder Handwerker. Die soziale Absicherung ächzt ebenfalls nicht nur unter den Kosten, sondern droht zu kollabieren.
Berliner Blase und woke Gesellschaft sollten in die "Schule der Realität"
Vielen Dank an die woke, selbstverliebte Gesellschaft, die glaubt, mit gelebtem Egoismus und dem der Selbstverwirklichung geschuldeten gebremsten beruflichen Einsatz, die Segnungen der bewährten sozialen Marktwirtschaft weiterhin uneingeschränkt in Anspruch nehmen zu können. Woher, so meine bescheidene Frage, soll das Geld dafür kommen? Woher rührt der Glaube, dass eine Deindustrialisierung oder eine überfordernde Klimaneutralität sich nicht in den Einnahmen unseres Staates niederschlagen wird? Ein Besuch in der Schule der Realität ist zu empfehlen.
Ein großer Teil des aktuell konsumierten Wohlstands gründet sich auf den Export und verschiedene Schlüsselindustrien. Wenn aber diese Produkte in der Herstellung zu teuer, unter Zöllen zu leiden haben, sind sie unverkäuflich. Arbeitsplätze werden knapper, Wohnungen dadurch nicht zwangsläufig billiger, Medikamente und Nahrungsmittel, die wir aus anderen Ländern beziehen müssen, nicht verfügbarer. Ihnen als Mittelständler brauche ich dies nicht zu erklären, aber es soll ja auch noch andere geben …
Wenn die Berliner Blase die Bürokratie selbst verursacht, darf sie sich nicht über sie beklagen
Als Unternehmer und Mittelständler möchte ich keine weiteren Klagelieder oder Analysen mehr hören, sondern Taten sehen. Wer Bürokratie selbst verursacht, darf sich nicht über sie beklagen, zumal wenn er selbst die Kompetenzen hat, sie abzuschaffen. Falls dazu der Mut oder das Durchhaltevermögen fehlt, darf das nicht zum Problem der Unternehmen werden.
Wie lange glaubt man noch, der Wohnungsnot durch Podien und Absichtserklärungen Herr zu werden? Die Realität braucht die Umsetzung versprochener Kostensenkungen (Standards, Steuern…) und eine Abgabenlast, die auch für Familien leistbar ist. Das Mantra der Mietpreisbremse ist gescheitert. Während die medizinische Versorgung auf der Intensivstation liegt, widmet man sich weiterhin lieber dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, ausufernden Dokumentationen, der Transformation und angedachter Eigenverantwortung (zu Lasten der Zahler) statt dem Patienten oder den Gesundheitswerkern. Lösungen sind das aber nicht.
Wir brauchen Tempo, Mut und Zukunft!
Papier und Ankündigungen haben wir lange genug ertragen, deren Auswirkungen sind überall greifbar. Tempo, Mut und Zukunft – einfach mal machen, statt nur darüber reden.
Prosperität oder wirtschaftliche Kraft entstehen nicht durch Worte, sondern Taten. Die Leistungsgrenze unserer Betriebe und Mitarbeiter ist erreicht, wir haben keine weiteren Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist die nüchterne Wahrheit und eine klare Arbeitsanweisung an die Verantwortlichen. Und ich habe dann wieder entspannte Zugfahrten.
Über Autorin Ruth Baumann:
Bei Ruth Baumann war es ein zart gehauchtes "Ja", das sie in einen mittelständischen Straßenbaubetrieb und damit ins Handwerk brachte: Seit ihrer Hochzeit führt sie gemeinsam mit Ehemann Martin Baumann die Baumann & Co. Straßenbaugesellschaft mbH in Freiburg. Trotz ihres abgeschlossenen Hochschulstudiums entschied sie sich damals bewusst, in den Familienbetrieb einzusteigen und bekräftigte dies durch eine weitere Ausbildung zur Bürokauffrau. Zunächst im Ehrenamt bei den Unternehmerfrauen im Handwerk Freiburg, später als Präsidentin des Landesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk Baden-Württemberg, war es ihr immer ein besonderes Anliegen, die Mitglieder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Stolz auf das Handwerk auszustatten. Sie sieht die Unternehmerfrauen als Wirtschaftsverband und vertritt dies auch in der Öffentlichkeit.
Ihre betriebliche Erfahrung wurde in der Folgezeit auch verstärkt in der politischen Theorie nachgefragt und stieß – zu ihrer eigenen Überraschung – auf immer mehr Resonanz. Es folgten unterschiedliche Kommissionen und Funktionen in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die sie mittlerweile auch auf Bundesebene ausführt. In Interviews, Vorträgen und Podiumsdiskussionen rund um das Handwerk gibt sie parteiübergreifend Einblicke in die Sorgen und Nöte von Familienbetrieben. Jüngst wurde sie in den Bundesvorstand der CDU gewählt und ist dort als "Handwerk mit Mundwerk und akademischem Grad" Mittler zwischen unterschiedlichen Welten.