Unternehmeswert Was ein Betrieb kostet

Einen Betrieb kaufen? Davon träumen viele Existenzgründer. Doch um den Wert gibt es häufig Streit. Abhilfe schafft ein spezieller Bewertungsstandard für das Handwerk.

Guter Deal: Ralf Bodmer hat einen realistischen Preis für seinen Betrieb bezahlt. - © Marijan Murat

Was ein Betrieb kostet

Ein Handwerksbetrieb ist wertlos, zumindest im betriebswirtschaftlichen Sinn.“ Diesen frustrierenden Satz hörte Karl Reiner Braun immer wieder, als es um die Bewertung seiner Schreinerei in Ulm ging. Vor drei Jahren wollte der heute 68-Jährige in Rente gehen und seinen Betrieb „an einen jungen Mann übergeben, der eine solide Startchance sucht“.

Weil klar war, dass kein Familienmitglied das schon seit 75 Jahren bestehende Unternehmen übernehmen würde, suchte Braun nach einem externen Nachfolger, was zum Geduldsspiel wurde. Im Sommer 2007 meldete sich mit Ralf Bodmer endlich ein Interessent, den Braun schon kannte. Der damals 33Jährige Bodmer hatte in der Schreinerei Braun gelernt und sich später in einer Werkstatt zur Untermiete selbständig gemacht. Doch der Platz wurde knapp, und Bodmer begann, nach einem geeigneten Betrieb zur Übernahme zu suchen.

Nachdem mit Bodmer ein Nachfolger gefunden war, mussten Braun und er einen für beide Seiten akzeptablen Kaufpreis finden und die Übergabe zum 3. Januar 2008 vertraglich regeln. „Ich wollte mit dem Kaufpreis die Steuern bezahlen können, die bei der Betriebsauflösung anfallen“, sagt Karl Reiner Braun. „Sowohl der Landesfachverband Schreinerhandwerk in Stuttgart als auch die Berater der Handwerkskammer Ulm hatten mir schon vor der Bewertung gesagt, dass Handwerksbetriebe oft keinen betriebswirtschaftlichen Wert haben.“ Der Wert stehe und falle mit der Abhängigkeit des Betriebs vom Inhaber.

Diese berücksichtigt der Bewertungsstandard der Handwerkskammern, mit dem auch Karl Reiner Braun seine Schreinerei bewerten ließ. Das Verfahren für kleine, inhabergeführte Betriebe wurde auf Initiative des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) von der Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk (AWH) entwickelt. Der Arbeitskreis aktualisiert den Standard laufend und schult zudem Betriebsberater der Handwerkskammern.

Die Ertragskraft entscheidet

Dem AWH-Standard liegt das Ertragswertverfahren zugrunde. Dieses Verfahren ermittelt, was sich künftig mit einem Unternehmen erwirtschaften lässt oder welche Ertragskraft in ihm steckt. Substanzwerte wie Gebäude oder Fahrzeuge fließen nicht in die Bewertung ein und werden getrennt verkauft. Im Fall der Schreinerei Braun übernahm Ralf Bodmer zwei Betriebsfahrzeuge außerhalb des Unternehmenskaufvertrags und mietete das Grundstück.

Die maßgeblichen Größen für die Berechnung des Unternehmenswerts sind der zu erwartende betriebswirtschaftliche Gewinn pro Wirtschaftsjahr und der Kapitalisierungszinssatz (siehe Beispielrechnung). Dieser ergibt sich aus der aktuellen Umlaufrendite der Deutschen Bundesbank plus etwaiger Risikozuschläge, die sich zum Beispiel aus der Kundenstruktur oder der starken Abhängigkeit vom Inhaber ergeben.

Die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes ist deshalb ein zentraler, aber auch kritischer Punkt bei der Unternehmensbewertung, weil der Betriebsinhaber einen möglichst hohen Preis erzielen will. Interessierte Nachfolger sollten die möglichen Abschlagsfaktoren kennen und vorsichtig bei den Preisverhandlungen ansprechen. „Bei den Handwerksbetrieben, die wir bewerten, liegt der Kapitalisierungszinssatz in der Regel bei 20 Prozent“, sagt Bernd Juhl, Betriebsberater der Handwerkskammer Ulm.

Juhl hat den AWH-Standard maßgeblich mit entwickelt und kennt aus seiner täglichen Praxis viele Bewertungsfälle. „Der AWH-Standard hilft überzogene Preisvorstellungen zu korrigieren und ermöglicht so oft erst die Übergabe des Betriebs an einen Nachfolger“, sagt Juhl.

Preis für ein Lebenswerk

Denn nicht immer stünden Betriebsinhaber dem in Geld ausgedrückten Wert ihres Lebenswerks so realistisch gegenüber wie Karl Reiner Braun. Der Schreinermeister hatte in den letzten Jahren bewusst auf Investitionen verzichtet und wusste, dass die vorhandenen Maschinen beim Verkauf nur einen geringen Preis erzielen würden. Auch die Wartungs oder Werkverträge mit Großunternehmen wurden ohne Wertansatz übernommen. Braun und sein Nachfolger Ralf Bodmer einigten sich schließlich ziemlich genau auf den Betrag, den die Bewertung der Handwerkskammer ergeben hatte.

Am Ende war es sogar noch „ein bisschen weniger“, als Bodmer erwartet hatte. Das so „gesparte“ Geld wird der Existenzgründer wahrscheinlich gut gebrauchen können. Denn „bei großen Aufträgen muss man schnell Materialrechnungen über 80.000 bis 100.000 Euro vorfinanzieren. Da braucht man Reserven und eine Bank, mit der man über Kreditlinien verhandeln kann“, hat ihm sein Vorgänger Karl Reiner Braun mit auf den Weg gegeben. -