Arbeitsstättenverordnung: Erst einmal gestoppt

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In diesem Jahr sollte eine novellierte Fassung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in Kraft treten - und zwar zum 1. März 2015. Doch die Pläne sind erstmal vom Tisch. Die Wirtschaft lief gegen die Pläne von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles Sturm. Das Kanzleramt hat offenbar interveniert – und Nahles soll einen komplett neuen Entwurf erarbeiten.

Die novellierte Arbeitsstättenverordnung tritt vermutlich zum 1.3.2015 in Kraft. Mit handwerk magazin sind Sie auf der sicheren Seite. - © © alphaspirit - Fotolia.com

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Donnerstag (26.02.2015) zufolge mit ihrer neuen Arbeitsstättenverordnung vorerst gescheitert. Der bisherige Entwurf werde nach einer Intervention des Kanzleramts gestoppt und solle komplett neu erarbeitet werden.

Offiziell habe der Koalitionsausschuss in seiner jüngsten Sitzung die Verabschiedung der Verordnung durch das Kabinett "nur noch einmal vertagt". In hochrangigen Koalitionskreisen heiße es jedoch: „Das Ding ist tot.“ Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) habe schwere Einwände formuliert.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, Christine Lambrecht, hatte am Mittwoch mitgeteilt, die Koalitionsrunde habe vereinbart, dass die Regelungen noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Ursprünglich sollte die Verordnung schon Anfang Februar das Kabinett passieren und zum 1. März in Kraft treten.

Unternehmen gingen auf die Barrikaden

Unternehmen waren gegen den bisherigen Entwurf Sturm gelaufen. Sie sprachen von teils absurden Vorgaben und warnten vor überbordender Bürokratie. Im Januar hatte es einen brieflichen Schlagabtausch zwischen Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer und Nahles gegeben, die von einem Angriff auf ihre Person sprach. Die CDU griff die Kritik der Wirtschaft auf und erklärte, sie werde nichts mittragen, was zu zusätzlicher Bürokratie für die Unternehmen führe.

Nahles hatte sich zuletzt kompromissbereit gezeigt und vorgeschlagen, zunächst die Verordnung zu beschließen und sie dann im Anschluss per Änderungsverordnung anzupassen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete unter Berufung auf Koalitionskreise, es sei klar, dieser Weg nun nicht bestritten werde.

Das sollte sich für Sie ändern:

Die Novelle sollte vor allem Doppelregelungen bereinigen - etwa bei den Bildschirmarbeitsplätzen. handwerk magazin gibt Ihnen einen Überblick, welche Richtlinien sich ändern sollten.

  • Psychische Belastungen müssen auch bei der Umsetzung der ArbStättV berücksichtigt werden. Dazu zählen Beeinträchtigungen durch nicht ergonomisch ausgestattete Computerarbeitsplätze, Lärm, schlechtes Raumklima, räumliche Enge oder fehlende Sichtverbindung nach außen.
  • Telearbeitsplätze in der Privatwohnung von Beschäftigten werden wieder aufgenommen. Als Arbeitgeber sind Sie für die Einrichtung und Gestaltung etwa von Bildschirmarbeitsplätzen verantwortlich, vor allem für Arbeitsmittel wie Computer, die Sie zur Verfügung stellen.
  • Wird in Ihrem Betrieb ein Laserschutzbeauftragter benötigt, müssen Sie dessen Sachkunde nach den Vorgaben der Verordnung nachweisen können.
  • Sichtverbindung aus Arbeitsräumen nach außen. Grundsätzlich fordert die ArbStättV zwar: „Arbeitsräume, Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräume, Kantinen, Erste-Hilfe-Räume und Unterkünfte müssen ausreichend Tageslicht erhalten und eine Sichtverbindung nach außen haben“. Gleichzeitig formuliert sie aber Ausnahmen. U.a. wenn betriebstechnische Verfahren dies erfordern, wenn spezielle ärztliche Behandlungsräume betrieben werden, wenn Arbeitsräume sehr groß sind, etwa in Kaufhäusern, Einkaufszentren oder Schank- und Speisegaststätten, dürfen Sie als Arbeitgeber von dieser Vorgabe abweichen.
  • Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen: Ab einer potenziellen Absturzhöhe von 1 m sind Schutzmaßnahmen Pflicht – die ArbStättV formuliert hier sehr allgemein. Gedacht ist wohl an Abschrankungen, Absperrungen, Gerüste mit Fangnetzen oder PSA gegen Absturz. Auch zum Schutz vor herabfallenden Gegenständen sind lediglich wirksame Maßnahmen gefordert.
Tipp: Bei der praktischen Umsetzung hilft Ihnen die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 „Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen"

Inhalte der Bildschirmarbeitsverordnung sollten integriert werden

Die Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) wurde komplett integriert und sollte mit dem Inkrafttreten der neuen ArbSttättV aufgehoben werden. Inhaltlich hätte sich eh nichts geändert. Wichtig: Eine Technische Regel (Arbeitsstättenregel) zur Bildschirmarbeit ist in Vorbereitung und wird die Vorgaben für die Praktiker in den Betrieben konkretisieren.

Ausnahmen aus der alten BildscharbV sollten die ArbStättV übernommen. Gerade für das Handwerk wichtig: Bedienerplätze an Maschinen, Fahrerarbeitsplätze in Fahrzeugen mit Bildschirmgeräten oder tragbare Bildschirmgeräte fallen nicht unter die ArbStättV.

Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten

Festgeschrieben war die Pflicht zur Unterweisung vor Aufnahme der Tätigkeit in der Arbeitsstätte und danach mindestens einmal jährlich – inklusive Dokumentation. Als Arbeitgeber sollten Sie Ihre Mitarbeiter umfassend unterrichten über:
  • Das bestimmungsgemäße Betreiben der Arbeitsstätte.
  • Alle gesundheits- und sicherheitsrelevanten Fragen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit.
  • Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Sicherheit und zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten durchgeführt werden müssen.
  • Arbeitsplatzspezifische Maßnahmen, insbesondere zur Vermeidung spezifischer Gefährdungen bei Tätigkeiten auf Baustellen oder an Bildschirmgeräten.
  • Außerdem müssen Sie die Beschäftigten über Maßnahmen im Gefahrenfall unterweisen, insbesondere über die Bedienung von Sicherheits- und Warneinrichtungen, Erste Hilfe, innerbetrieblichen Verkehr, Brandverhütung und Verhaltensmaßnahmen im Brandfall.
Tipp: Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung müssen Sie regelmäßig prüfen, ob Ihre Arbeitsstätten - Arbeitsräume und Arbeitsplätze, Pausen-, Bereitschafts- und Sanitärräume, Beleuchtung, Belüftung und innerbetriebliche Verkehrswege, aber auch Baustellen - den Vorgaben entsprechen. Ist das nicht der Fall, haften Sie, wenn es z. B. wegen eines fehlenden Geländers oder wegen der unzureichenden Kennzeichnung von Stolperstellen zu einem Unfall kommt.

Mehr Spielraum - höheres Haftungsrisiko

Als Arbeitgeber haben Sie durch diese sogenannte Deregulierung zwar mehr Spielraum für betriebsspezifische Lösungen, doch steigt auch Ihr Haftungsrisiko.

Hilfestellung bei der möglichst rechtssicheren Umsetzung der Verordnung geben die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (Arbeitsstättenregeln, ASR), die vom „Ausschuss für Arbeitsstätten" (ASTA) erarbeitet werden. Im ASTA sitzen Vertreter der Länderbehörden, der Unfallversicherungsträger und der Sozialpartner. Die ASR erläutern, wie die allgemeinen Schutzziele der Verordnung konkret umgesetzt werden können.

Tipp: Setzen Sie als Arbeitgeber die von den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) vorgeschlagenen Maßnahmen um, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Arbeitsschutzkonzept ausreicht. Man spricht deshalb von der „Vermutungswirkung“, wenn die Anforderungen der ASR eingehalten werden.