Viele Auftraggeber versuchen, sich mit unfairen Vertragsklauseln einseitige Vorteile zu sichern. Doch nicht jede Vertragsbedingung hält einer rechtlichen Prüfung stand. Wer sich benachteiligt fühlt, hat oft gute Chancen, sich zu wehren – sogar noch Jahre nach einer Schlussrechnung. Andreas Scheibe, VOB-Trainer, erklärt in seiner aktuellen Ausgabe seiner Kolumne „Professioneller Bauablauf“ worauf Handwerker achten müssen und wie sie ihr Recht durchsetzen.

Die oft unfairen Vertragsklauseln sind ein Problem, mit dem viele zu kämpfen haben – sei es bei öffentlichen Projekten oder im GU-Geschäft. Oft hat man schon beim Lesen eines Vertrags ein ungutes Gefühl: Irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Genau dieses Bauchgefühl ist oft ein wichtiger Hinweis. Denn immer dann, wenn der Auftraggeber sich durch bestimmte Klauseln einseitige Vorteile verschafft und euch unrechtmäßig benachteiligt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Klauseln unwirksam sind.
Ein Beispiel: Ein Bauprojekt mit einem Volumen von 600.000 Euro läuft massiv aus dem Ruder – am Ende fehlen 200.000 Euro. Zusätzlich kürzt der Auftraggeber die Schlussrechnung um 40.000 Euro und erklärt mit der Zahlung, dass sämtliche Forderungen damit abgegolten seien. Da merkt man schon: Sämtliche Forderungen sofort abgegolten? Komisch. Die meisten würden jetzt sicherlich Blutdruck und Schnappatmung bekommen, denn die Verjährungsfrist von Schlussrechnungen beträgt ja schließlich drei Jahre. Warum darf ich jetzt hier nichts mehr nachfordern?
Faire und verständliche Klauseln sind ein Muss
Gehen wir mal rein. Diese Klausel ist aus mehreren Gründen unwirksam:
- Erstens stellt sie einen unzulässigen Verzicht auf weitere Forderungen dar, widerspricht dem gesetzlichen Leitbild und verstößt gegen die VOB/B. Laut der haben Auftragnehmer nämlich das Recht, innerhalb von 28 Tagen Einwände zu erheben – eine Möglichkeit, die durch die Klausel ausgeschlossen wird. Damit ist sie rechtlich nicht haltbar.
- Ein weiterer Grund ist der Verstoß gegen § 307 BGB. Dieser Paragraf sorgt dafür, dass Vertragsklauseln fair und verständlich bleiben. Sobald eine Bedingung den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt oder wesentliche Rechte zu stark einschränkt, ist sie ungültig. In solchen Fällen greifen die gesetzlichen Regelungen, und der Rest des Vertrags bleibt bestehen. Kurz gesagt: Verträge müssen fair bleiben.
- Auch § 16 VOB/B spricht gegen solche Klauseln. Eine Schlusszahlung kann nicht automatisch spätere Nachforderungen ausschließen. Auftragnehmer haben das Recht, Einwände zu erheben, und der Auftraggeber muss sich damit auseinandersetzen.
Bei unfairen Vertragsklauseln auch nach Jahren Geld zurückholen
Aber das Beste daran: Selbst wenn ihr solche Klauseln unterschreibt, bleiben sie unwirksam. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sogar entschieden: „Handwerker sind keine Juristen.“ Das bedeutet, dass Handwerker durch unfaire Vertragsbedingungen nicht automatisch ihre Rechte verlieren. Und genau das ist die Chance! Denn selbst drei Jahre nach der Schlussrechnung können Handwerker solche Klauseln angreifen und sich das Geld zurückholen, das ihnen zusteht.
Ein weiteres, sehr häufiges Beispiel für eine unwirksame Klausel: Da steht im Vertrag: „Ausschluss von Nachträgen wegen unklarer Ausschreibung.“ Der Auftraggeber will also sämtliche Massenrisiken auf den Handwerksbetrieb übertragen. Das bedeutet: Er will auch einen Mindermengenausgleich ausschließen und verhindern, dass bei fehlender Leistung einen Anspruch auf Ausgleich besteht.
Auch hier gilt: Lieber einmal mehr prüfen und im Zweifel jemanden fragen, der sich sicher auskennt. Denn Vertragsfallen gibt es leider oft und überall.
Über Autor Andreas Scheibe:

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen Firmen gearbeitet, später den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel „Schweiß und Blut“, aber auch viel Geld. Es entstand die Idee zum „professionellen Bauablauf“!
Mit der Continu-ING GmbH (vob.de) verfolgt er heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und entsprechend vergütet werden. Schluss mit dem „Sozialhandwerker“, der sich nicht zu wehren weiß und auf Kosten sitzen bleibt. Vom Handwerker als Getriebener zum aktiven Projekttreiber. Wichtige Fragen sollen endlich geklärt werden: Was sind meine Rechte, was meine Pflichten? Wie sieht es mit den
Pflichten anderer aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Wie gelingt der Sprung vom letzten, missachteten Glied im Bauablauf zu einer Position auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber? Andreas Scheibe möchte neue Sichtfelder für Handwerker eröffnen.
"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"
Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.
In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.
Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"
Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.
In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.