Triales Studium: Drei Abschlüsse in einem Studiengang

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Ausbildung und Studium

Lehre, Meister und Bachelor: Die Hochschule Niederrhein startet mit einem trialen Studium für Handwerksmanagement. Auch die Fachhochschule des Mittelstands bietet eine triale Ausbildung an.

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    © Christian Ahrens
    „Nach dem Studium wollte ich zuerst ganz klassisch als Schreinerin arbeiten.“ Kirsten Schumacher, Schreinermeisterin und Bachelor of Arts.
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    © Ivo Mayr
    „Mit dem Studium sichern wir langfristig den Fachkräftebedarf im Handwerk.“ Prof. Hans-Hennig von Grünberg, Präsident der Hochschule Niederrhein.

Kirsten Schumacher ist sehr zufrieden. Die 24-Jährige aus Hennef hat mit einem sehr guten Ergebnis ihr triales Studium an der privaten Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) am Standort Köln abgeschlossen und arbeitet nun als Schreinermeisterin bei der Schuhmann Möbelwerkstatt in Altenkirchen. „Ich habe mich nach dem Abitur für eine Schreinerlehre entschieden und bin eher zufällig über einen Zeitungsartikel auf das damals neue Angebot der FHM gestoßen“, erinnert sie sich.

Auch wenn viele Handwerker ähnlich wie damals Kirsten Schumacher von einem trialen Studium im Handwerk noch nichts gehört haben, ist das Modell auf dem besten Weg, sich als Option zum dualen Studium als Kombination aus klassischer betrieblicher Berufsausbildung und parallelem Hochschulstudium zu etablieren. Triale Studiengänge für das Handwerk erfüllen drei Wünsche auf einmal: Gesellen- und Meisterbrief sowie einen akademischen Abschluss. Die private Fachhochschule des Mittelstandes bietet an ihren Standorten in Köln, Schwerin und Hannover ein solches Programm schon länger an (fh-mittelstand.de/handwerksmanagement). Zum Wintersemester 2015/16 startet auch an der Hochschule Niederrhein in Krefeld/Mönchengladbach (hs-niederrhein.de/wirtschaftswissenschaften/studium/triales-studium) der triale Studiengang „Handwerksmanagement – Betriebswirtschaftslehre B.A.“.

Lange Ausbildungszeit

Kirsten Schumacher hatte sich bei einem Informationsabend bei der Handwerkskammer Köln direkt für den ersten Studiengang eingeschrieben. So hat sie in viereinhalb Jahren eine klassische betriebliche Ausbildung mit der Meisterausbildung und einem Studium verknüpft und besitzt somit eine mehrfache Qualifikation: als Handwerksmeisterin und Bachelor of Arts (B.A.) im Bereich Handwerksmanagement. „Ich bin durch das triale Studium auf theoretischer Ebene wirklich gut ausgebildet, aber es mangelt etwas an praktischer Erfahrung“, erzählt die Handwerkerin. Viele Tricks und Kniffe lerne man eben erst in der Gesellenzeit. „Aber diese überspringen wir im Studium und setzen direkt den Meister obendrauf.“ Deshalb hat sie sich entschieden, zuerst ganz klassisch in einer Schreinerwerkstatt zu arbeiten, um sich Pra­xiserfahrung anzueignen. Dort ist sie aufgrund ihres Studiums parallel auch als Assistenz der Geschäftsleitung tätig.

Gute Zukunftsaussichten

Selbstverständlich verursacht ein triales Studium mehr Aufwand als die normale duale Ausbildung. Das fängt schon bei den Kosten an. Die Studiengebühren sind abhängig vom Gewerk und liegen bei etwa 400 Euro monatlich an der FHM, an der Hochschule Niederrhein sind es 267 Euro Studiengebühr. Deutlich größer ist der Zeitaufwand mit mindestens zehn Semestern. „Natürlich kann die Mehrfachbelastung auch anstrengend sein, aber die Mühe lohnt sich absolut“, ist Schumacher überzeugt. Die Zukunftsaussichten seien einfach sehr gut.

Beim neuen Studiengang der Hochschule Niederrhein ist ein Studium zunächst ausschließlich in Kombination mit einer Berufsausbildung zum Tischler oder zum Elektroniker möglich. An der Aufnahme von weiteren Ausbildungsberufen werde derzeit noch gearbeitet, heißt es. Die Studierenden müssen neben der Hochschul- oder Fachhochschulreife ein bestehendes Ausbildungsverhältnis in einem Handwerksberuf beziehungsweise eine bereits abgeschlossene handwerkliche Ausbildung und eine derzeitige berufliche Tätigkeit im erlernten Ausbildungsberuf nachweisen sowie die Teilnahme an einem Testverfahren bei der Handwerkskammer durchlaufen.

Lücke geschlossen

Bei der Hochschule ist man überzeugt, dass der mehrfache Ausbildungsweg nur vorteilhaft für das Handwerk ist. „Mit dem Studiengang Handwerksmanagement schließen wir eine Lücke zwischen dem Handwerk auf der einen und dem Hochschulstudium auf der anderen Seite“, sagt Professor Hans-Hennig von Grünberg, Präsident der Hochschule Niederrhein. „Als Hochschule schaffen wir es damit, eine Zielgruppe anzusprechen, die bislang nicht unbedingt ein Studium als mögliche Alternative für sich in Betracht gezogen hat. Zum anderen tragen wir dazu bei, langfristig den Fachkräftebedarf im Handwerk zu sichern.“ Professor Siegfried Kirsch, Dekan im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Niederrhein, sieht noch einen Vorteil: „Durch den Studiengang entsteht eine Kopplung der Hochschule Niederrhein an die regionale Wirtschaft.“

Doch welche Relevanz besitzt dieses Konzept tatsächlich fürs Handwerk? Was sagt die Branche dazu, wird es benötigt? Ja, ist sich Dirk Classen sicher, Inhaber der Tischlerei Classen und Classen Design aus Mönchengladbach sowie Vorstandsmitglied der Tischler-Innung und selbst Betriebswirt des Handwerks und Akademiker (Diplom-Architekt). Das Modell sei absolut wegweisend fürs Handwerk, betont Classen. „Im Handwerk, besonders bei den größeren Betrieben, steigen die administrativen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen stetig.“ Insbesondere die komplexe Sichtweise auf betriebswirtschaftliche und technische Zusammenhänge der trial ausgebildeten Mitarbeiter gebe den Unternehmen die Möglichkeit einer besseren strategischen Planung. Classen ist sicher, dass die Absolventen des Studiengangs zukünftig sehr gefragt sind.

Auch der Düsseldorfer Handwerkskammerpräsident Andreas Ehlert hebt die Vorzüge des neuen Studiengangs hervor – vor allem für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. In diesem Jahr hat in NRW erstmals mehr als jeder zweite Schulabgänger Abitur. „Vordergründig ist das zu viel für die Universitäten und zu wenig für die duale Ausbildung“, so Ehlert. Man könne das aber auch anders sehen: „Nämlich die unvermeidliche Entwicklung zu immer höheren Abschlüssen gemeinsam betrachten und schauen, wo und wie man sich miteinander stark machen kann.“ Wenn beide Ausbildungswege, der berufsqualifizierende und der akademische, zukunftsfähig bleiben wollen, „dann sollten sie zusammenarbeiten“.