Technologietransfer-Preis: Forschungsauftrag vom Handwerk

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Technologietransfer

Eine gute Idee aus dem Handwerk plus Unterstützung aus der Wissenschaft ist gleich Erfolg. Das beweisen die Gewinner des Technologietransferpreises (Seifriz-Preis) von handwerk magazin.

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    © Hennig Angerer
    Ausgezeichnet: Die Tischlerei Eigenstetter ist auch Erfinder und einer der insgesamt drei Gewinner des Seifriz-Preises 2015.
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    © KD Busch
    Bei der Preisverleihung (v. l.): Dominik Lutzke, Nicole Graf, Rainer Becker, Axel von der Herberg, Klaus Block, Thomas Schmidt, Nikolai Glück, Axel Eigenstetter, Martin Eigenstetter.
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    © Henning Angerer
    Tischlermeister Axel ­Eigenstetter (rechts), Sohn Martin (links) und Prof. Martin Wanner vor dem gemeinsam entwickelten Roboterfräszentrum.
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    © Jens Nieth
    Gerüstbauer Wolfgang Henning (rechts), daneben Mitarbeiter Dominik Lutzke, präsentieren den Daueranker mit Klaus Block und Rainer Becker (ganz links).
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    © Christian Mader
    Stuckateurmeister Axel von der Herberg und Rektorin Prof. Nicole Graf wurden für die erfolgreiche Vermarktung der innovativen Stuckleisten ausgezeichnet.

Eines haben die Gewinner des diesjährigen „Transferpreises Handwerk + Wissenschaft (Seifriz-Preis)“, vergeben von handwerk magazin und dem Verein Technologietransfer Handwerk, alle gemeinsam: Ihre Innovationen sind genial einfach und extrem praktisch.

Stuckleisten in Serienfertigung

Was hat die Verfolgung unserer Blicke mit der ersten vollautomatischen Produktion von echtem Stuck zu tun? Stuckateurmeister Axel von der Herberg aus Heilbronn hat diese Stuckproduktion entwickelt. Weil er sich geärgert hatte: „Die chemische Industrie imitierte das handwerkliche Verfahren einfach und produziert Leisten aus Kunststoff.“ Doch Gips ist unschlagbar beim Produktlebenszyklus, ein präziser Baustoff mit herausragender Ökobilanz und einem überragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Als es aber um die Vermarktung seines neuen Produktes ging, merkte von der Herberg schnell, „dass die Geschichte größer wird, als ich sie stemmen kann“. Deshalb vereinbarte er mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Fachrichtung Handel und Kommunikation in Heilbronn, ein Forschungsprojekt: Prof. Nicole Graf und Prof. Thomas Schmidt erstellten eine Studie zur Produkteinführung samt einer Eye-tracking optimierten Marketingkommunikation. Dabei wird ermittelt, wie der künftige Kunde die Werbung wahrnimmt. Was schaut er zuerst an? Wie wirken die Farben. Nimmt er die Botschaft auf? Auf dieser Basis wird optimiert. Das brachte Erfolge auf Messen. Heute produziert von der Herberg eine Lkw-Ladung pro Woche. Mit steigender Tendenz.

AH Stuck, Heilbronn: Marketing mit System

Stuckateur Axel von der Herberg entwickelte mit Prof. Nicole Graf und Prof. Thomas Schmidt ein ­Marketingkonzept für seine Stuckleisten. (www.ah-stuck.de )

Die Innovation. Axel von der Herberg erfand die weltweit erste Anlage zur vollmechanischen Herstellung von Zierleisten aus echtem Stuck. Als Serienfertigung gab es vorher nur Leisten, die industriell aus Kunststoff hergestellt wurden. Sein Problem war die Vermarktung des Produktes in großem Stil.

Der Technologietransfer. Nicole Graf, Rektorin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn, und Studiengangsleiter Thomas Schmidt, unterstützten den Handwerksbetrieb mit einer Studie zur systematischen Produkteinführung der Stuckleisten.

Der Erfolg. Die Stuckleisten werden mit verschiedenen Dekoren in von der Herbergs Betrieb gefertigt und bundesweit über Baustoffhändler und Handwerksbetriebe verkauft. Derzeit produziert das Unternehmen eine Lkw-Ladung pro Woche. Geplant ist eine Ausweitung des Vertriebs über regionale Stützpunkthändler.

Holzmöbel mit Roboter fräsen

Wenn Tischler Wendeltreppen oder andere Holzteile mit gekrümmten Oberflächen fertigen, ist mühsame Handarbeit gefragt. Einen Ausweg bietet die neue Fertigungstechnologie, die die Tischlerei Eigenstetter im mecklenburgischen Rehna mit dem Fraunhofer Anwen-dungszentrum in Rostock entwickelt hat. Dabei hat ein Gelenkarm-Roboter von Kuka das Heft in der Hand. Mit einer Hochfrequenzspindel bohrt, fräst und schleift der Roboter jedes Material aus Holz und Kunststoff. Den entscheidenden Anstoß für diese Innovation gab das Studium zum Wirtschaftsingenieur von Martin Eigenstetter. Während dieser Zeit lernte er Professor Martin Wanner vom Fraunhofer Anwendungszentrum kennen, der bereits zahlreiche roboter-basierte Lösungen für die Industrie entwickelt hat. Genau diese Lösungen brachten Eigenstetter auf die Idee für die Roboterfräsanlage. Die Erfindung sorgte für großes Aufsehen. So sind die ersten Anfragen von prominenten Konzernen aus der Bau- und Luftfahrtindustrie bereits eingetroffen.

Tischlerei Eigenstetter, Rehna: Fräsen mit dem Roboter

Tischler Axel Eigenstetter erfand zusammen mit Prof. Martin Wanner eine Roboter-Fräsanlage zur ­Fertigung mehrfach gekrümmter Holzmöbel. (www.eigenstetter.com )

Die Innovation. Bisher konnten nur einfach gekrümmte Holzbauteile mit einem CNC-gesteuerten Bearbeitungszentrum gefräst werden. Die Erfindung von Axel und Sohn Martin Eigenstetter basiert auf einem Roboter mit einer Hochfrequenzspindel, die schnell und präzise auch komplizierte Formen und Krümmungen in Holz und andere Werkstoffe bohrt, fräst und schleift.

Der Technologietransfer. Martin Wanner, Leiter des Fraunhofer Anwendungszentrums Großstrukturen in der Produktionstechnik (Rostock), und Nikolai Glück unterstützten den Handwerksbetrieb bei der Auswahl, Anpassung und Montage der Spindel und bei der Einbindung der CAM-Technik (computer aided manufactoring) in die Maschine.

Der Erfolg. Die Tischlerei hat nun ein Alleinstellungsmerkmal bei der automatisierten Fertigung von Möbeln mit mehrfach gekrümmten Oberflächen und kann nun weiter expandieren.

Baugerüste sicher verankern

Wolfgang Henning führt ein Gerüstbauunternehmen in Bad Sassendorf. Für ihn und seine 15 Mitarbeiter steht Sicherheit an erster Stelle. Deshalb war er unzufrieden mit den Verankerungen, die es am Markt zur Befestigung von Gerüsten an Gebäuden gab. Henning wollte einen Anker, der dauerhaft im Mauerwerk und funktionsfähig bleibt, schnell zu montieren ist und Wärmebrücken minimiert.

Nach zwei Jahren Entwicklungszeit war der „Henning Daueranker“ serienreif, doch es fehlte noch die bauaufsichtliche Zulassung. Die lieferten als Technologietransfer Klaus Block und Rainer Becker von der TU Dortmund. Sie testeten den Anker und modifizierten ihn, bis der bauaufsichtlichen Zulassung nichts mehr im Wege stand. Jetzt ist der Henning-Daueranker der erste mit einer solchen Zulassung.

Gerüstbau Henning, Sassendorf: Daueranker für Gerüste

Gerüstbauer Wolfgang Henning und Wissenschaftspartner Klaus Block entwickelten einen Daueranker zum Befestigen von Gerüsten. (www.geruestdaueranker-henning.de )

Die Innovation. Ziel war ein Anker zur Befestigung von Baugerüsten an Hauswänden, der kosten­günstig und leicht zu montieren ist, im Mauerwerk bleiben kann und Wärmebrücken bei Außen­wanddämmungen verhindert. Handwerksunternehmer Wolfgang Henning experimentierte zwei Jahre von der Idee bis zum Prototyp. Es gibt kein vergleich­bares Produkt auf dem Markt, das thermisch so optimiert ist.

Der Technologietransfer. Privatdozent Klaus Block und Rainer Becker von der Technischen Universität in Dortmund machten Versuche und Prüfungen, die dann zur notwendigen Bauaufsichtlichen Zulassung führten.

Der Erfolg. Der Daueranker wird von einer Spezialfirma in großer Stückzahl hergestellt, den Vertrieb übernimmt Henning mit einem Partner. Die Verkaufszahlen haben sich in den letzten Jahren jeweils verdoppelt.

Innovationsplan: Von der Idee zum Erfolg

Erstberatung. Die Innovationsberater von Handwerkskammern und Fachverbänden sollten möglichst früh einbezogen werden. Im ersten Gespräch geht es um: Entwicklungsgegenstand, Lösungsansatz, Stand der Technik, Wettbewerber, Schutzrechte, wirtschaftlicher Nutzen, weitere Beratung.

Informationsbeschaffung. Für das weitere Vorgehen müssen Informationen über den Stand der Technik, über Mitwettbewerber und bisherige Lösungen eingeholt werden. Die Informationsbeschaffung unterteilt sich in Neuheitsrecherche, Konkurrenzanalyse und Marktübersicht.

Technologieberatung. Eine Analyse prüft die wissenschaftlich-technische Richtigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit der Technologie und Umsetzungsfähigkeit, Neuheit und Innovationswert, wirtschaftliche Vorteile des Produkts oder Verfahrens, unternehmerische Umsetzbarkeit.

Gewerbliche Schutzrechte. Mit dem Einreichen der Schutzrechtanmeldung beginnen Fristen, die unbedingt beachtet werden müssen. Um die Kosten möglichst gering zu halten, sollte zuerst eine nationale Anmeldung erfolgen. Aus dieser Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung können innerhalb eines Jahres nach Anmeldung weitere Nachmeldungen, beispielsweise Auslandsanmeldungen, abgeleitet werden.