Steuertricks: Trendwende bei den Steuerfahndern

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Schwarzgeld

Viele Steuerflüchtlinge haben Schwarzgeld in Österreich oder der Schweiz durch Umwandlung in Lebensversicherungen weiß gewaschen. Dachten sie zumindest. Der Fiskus ist ihnen längst auf der Spur.

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    Der verbesserte Informationsaustausch innerhalb der EU dürfte 2015 zahlreiche unangenehme Hausbesuche des Fiskus auslösen.
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    „Die Einschläge kommen näher. Deshalb sollten Be­troffene noch in diesem Jahr handeln.“ Arndt Tetzlaff, ­Rechtsanwalt in der Kanzlei SKW Schwarz.
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    Die Steuer-CD ist ein Auslaufmodell. Das neue Zauberwort der Steuerfahnder heißt „Gruppenabfrage“.
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    „Von 2009 an haben Ver­si-ch­erer verstärkt Policen ohne ­Einfluss auf die Anlage­strategie ­an­geboten.“ Marcus Hornig, ­ Steuerberater bei der WTS Steuerberatungs- gesellschaft, Düsseldorf.

Schlaflose Nächte. Die fallen einem heute 73-jährigen Handwerker im Ruhestand aus dem Rheinland als Erstes ein, wenn er ans Ende des vergangenen Jahrzehnts zurückdenkt. Jeden Abend ging er mit der Horrorvision ins Bett, im Morgengrauen von der Steuerfahndung geweckt zu werden.

Schließlich hatten die Finanzbehörden damals gerade begonnen, CDs mit den Kundendaten von Schweizer Banken zu kaufen – und auch der Rentner bunkerte Geld in der einstigen Alpenbastion, eine ansehnliche sechsstellige Summe. Doch trotz aller Nervosität konnte er sich nicht durchringen, sich selbst anzuzeigen und einen Teil seines „Notgroschens“ zu verlieren. Stattdessen entschied er sich, das Geld zu verstecken – und wählte den „insurance wrapper“, den sein Kundenbetreuer in der Schweiz empfahl. Bei diesem Modell werden Geldanlagen wie Aktien oder Fonds in eine Lebensversicherung „eingewickelt“ (englisch: to wrap). In Deutschland hat sich für die Produkte der Begriff Lebensversicherungsmantel etabliert.

Entdeckungsrisiko steigt

Sie galten lange als Geheimtipp, um geheimes Vermögen in Sicherheit zu bringen und nach und nach weiß zu waschen. Zehntausende deutsche Anleger haben sich auf die angeblich wasserdichten Modelle eingelassen – vor allem in der Schweiz, aber auch in Österreich und Luxemburg. Und müssen nun doch zittern: „Das Risiko, dass Anleger entdeckt werden, ist deut-lich gestiegen“, warnt Marcus Hornig, Leiter Private Clients bei WTS in Düsseldorf. Der Grund: Insider aus unterschiedlichen Bereichen der Finanzverwaltung berichten, dass die Steuerfahnder die Konstrukte besonders ins ­Visier nehmen. Sie haben dank der engeren Kooperation von Steueroasen wie der Schweiz, Österreich und Luxemburg immer bessere Chancen, „Wrapper“ tatsächlich zu entlarven. Spätestens im nächsten Jahr droht deshalb zahlreichen Betroffenen die Entdeckung.

Die neue Wunderwaffe der Fahnder

Das liegt nicht nur an der Vielzahl kursierender Bank-Datensätze, die nach Angaben von Steuerfahndern immer wieder Hinweise auf fragwürdige Umschichtungen in „Wrapper“, also Lebensversicherungsmäntel, enthalten. Sondern vor allem an den neuen „Gruppenanfragen“. Anders als früher müssen deutsche Steuerfahnder keinen Verdächtigen mehr benennen und zudem gewichtige Anhaltspunkte für ein Vergehen liefern, wenn sie auf offiziellem Weg Informationen aus der Schweiz bekommen wollen. Stattdessen können sie auch ein Verhaltensmuster definieren, das für Steuerhinterzieher „typisch“ ist – und die Schweiz liefert dann die Namen aller Anleger, die in das Muster passen. Mit einem Schlag können Fahnder also Hunderte oder gar Tausende überführen. „Das Umschichten eines Depots in einen Lebensversicherungsmantel ist ein solches hinterziehertypisches Verhaltensmuster“, sagt Hornig. „Ich gehe deshalb davon aus, dass die Finanzbehörden schon bald eine entsprechende Gruppenanfrage an die Schweiz stellen.“

Die Schweiz erlaubt solche Anfragen seit Februar 2013, Österreich seit Juli 2014. Derzeit feilen Finanzbeamte unter Aufsicht des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) in Bonn an den ersten Anfragen. Das BZSt macht keine Angaben dazu, wann es endlich soweit ist; aus der Finanzverwaltung verlautet, dass es „noch dieses Jahr“ losgeht. Klar ist: Eine Fahndungswelle steht kurz bevor – und die Finanzbeamten wissen, wonach sie fragen wollen. „Dank vieler Selbstanzeigen in diesem Bereich haben wir ziemlich genaue Kenntnisse über die Besonderheiten bei bestimmten Anbietern und Policen“, berichtet der Steuerfahnder und fügt gelassen hinzu: „Wir können uns deshalb zunächst auf die eindeutigen Fälle konzentrieren“.

Vollmundige Versprechen

Aber welche sind das? Wer das verstehen will, muss zunächst einen Blick auf die Funktionsweise der „Wrapper“ werfen. Im Kern läuft es so: Anleger bringen ein Bankdepot mit Aktien, Anleihen und Fondsanteilen auf einen Schlag in eine Lebensversicherung ein. Das ist in der Schweiz, aber auch in Luxemburg kein Problem, weil dort moderate Anlagevorschriften für Versicherer gelten; man kann also auch Depots mit einem breiten Spektrum von einzelnen Wertpapieren in eine Lebenspolice stecken.

Die neue Verpackung als Lebensversicherung biete zwei erhebliche Vorteile, warben Berater bis vor wenigen Jahren. Erstens: Das Depot gehöre nun formal einer Versicherung, der Anleger sei bei der Bank nicht mehr als Inhaber registriert. Im Fall eines Datendiebstahls bei der Bank bestehe damit kein Grund zur Sorge.

Der zweite Vorteil, mit dem Berater lockten: Während der Laufzeit fallen keine steuerpflichtigen Kapitalerträge an, weil diese angesammelt und erst am Ende ausgezahlt werden. Somit hinterziehen Anleger vom Tag der Umschichtung an keine Steuern mehr. Sobald die zehnjährige Verjährungsfrist abgelaufen sei, habe sich das Schwarzgeld deshalb in „Weißgeld“ verwandelt, hieß es.

Bis Ende 2004 kam noch ein dritter Vorteil hinzu: die totale Steuerfreiheit. Denn wer bis zum Stichtag 31. Dezember eine neue Police abgeschlossen hat, darf die spätere Ablaufleistung nach deutschem Recht steuerfrei einstreichen – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (siehe Kasten „Lebensversicherungen“ Seite 67).

Außerdem ließ sich per Lebensversicherung die EU-Zinssteuer umgehen, die Anfang 2005 eingeführt wurde. Die EU-Steueroasen Luxemburg und Österreich, aber auch Drittstaaten wie die Schweiz, ziehen seither eine Quellensteuer ab, wenn Kunden aus EU-Ländern bei ihnen klassische Zinsen einstreichen. Zunächst lag der Satz bei 15 Prozent, inzwischen ist er auf 35 Prozent gestiegen. „In den Jahren 2003 und 2004 haben Schweizer und Luxemburger Versicherer mit Blick auf die Abschaffung der Steuerfreiheit und die EU-Zinssteuer aggressiv für das Modell geworben, auch auf Veranstaltungen in Deutschland“, berichtet Hornig.

Es boomte gleich zweimal

„Sehr viele deutsche Anleger haben sich auf die Angebote eingelassen.“ Ab 2005 kam das Geschäft mit deutschen Kunden zum Erliegen, bevor es 2008 infolge der Razzia beim damaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel und CD-Käufen durch den deutschen Fiskus wieder anzog – getrieben von der Angst vor Entdeckung.

Doch auch Anleger ohne Schwarzgeld setzten damals verstärkt auf die Mäntel: „Wer sein Depot in eine Lebensversicherung einbrachte, konnte die 2009 eingeführte Abgeltungssteuer vermeiden“, sagt Arndt Tetzlaff, Versicherungsrechtler bei der Kanzlei SKW Schwarz in Berlin. Deshalb hätten auch einige deutsche Banken die Modelle empfohlen – als vermeintlich legale Steuersparmodelle.

2009 stellte das Bundesfinanzministerium jedoch in einem Schreiben klar, dass die Finanzbehörden Lebensversicherungen nicht anerkennen, wenn Anleger oder deren Finanzberater noch Einfluss auf die Anlagestrategie haben. Das Geschäft brach infolge des BMF-Schreibens ein, schon 2010 wurden deutschen Kunden immer seltener Mäntel angeboten. Wenig später kam das Geschäft völlig zum Erliegen, weil Steuerfahnder infolge eines CD-Kaufs Anleger ins Visier nahmen, die über eine Tochter der Crédit Suisse auf den Bermudas in umstrittene Policen investiert hatten. Vielen anderen droht nun wegen der Gruppenanfragen ebenfalls die Entdeckung. Und dann lautet die große Frage: Haben Anleger oder ihre Berater Einfluss auf die Anlagestrategie? Das ist vor allem bei Policen, die 2003 und 2004 vertrieben wurden, die Regel und nicht die Ausnahme. „Trotz des Versicherungsstatus‘ konnten Anleger oder ihre Vermögensberater in vielen Fällen weiterhin Einfluss nehmen“, sagt Hornig von WTS. Nach Angaben aus der Finanzverwaltung gilt dies aber auch für etliche Policen, in die Anleger während des zweiten Booms investierten.

Ruhig schlafen dank Selbstanzeige

In solchen Fällen funktioniert die Weißwaschstrategie nicht. Denn: „Die jährlichen Erträge werden nachträglich direkt den Anlegern zugerechnet“, sagt Tetzlaff. Damit sind deutlich weniger Zeiträume verjährt als erhofft (siehe Kasten „Verjährung“ Seite 66). Und zwar bei Schwarzgeld- genauso wie bei Weißgeld-Investoren, die auf legale Steuervorteile wie etwa die Vermeidung der Abgeltungssteuer hofften.

Damit ist klar: Diese Modelle zu entlarven ist für den Fiskus besonders lukrativ. Betroffene sollten dringend über eine Selbstanzeige nachdenken, rät Tetzlaff – zumal diese von 2015 an erneut teurer wird (siehe Kasten „Selbstanzeige“, Seite 64). Der Rentner aus dem Rheinland hat sich deshalb inzwischen schweren Herzens doch für eine Selbstanzeige entschieden, die sein Steuerberater derzeit vorbereitet. Wenn die erst mal raus sei, sagt er, könne er hoffentlich endlich wieder ruhiger schlafen.