Altverträge der Bausparkassen: Schmutzige Kündigung

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Urteil des Monats

Etliche Bausparkassen kündigen derzeit Altverträge, um sich so der hohen Zinsversprechen zu entledigen. Zu Unrecht, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart.

Trotz Zuteilungsreife waren viele Bausparer dank hoher Sparzinsen mit dem Bauen. - © Gina Sanders/Fotolia

Der Fall

Eine Kundin hatte 1978 einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 40.000 DM (20.451,68 Euro) abgeschlossen. Für die Laufzeit erhielt sie für von ihr eingezahlte Raten einen Guthabenzinssatz von 3 % p. a. bei einem Bauspardarlehenszinssatz von 5 % p. a. Der Vertrag wurde 1993 zuteilungsreif. Danach stellte die Bausparerin die regelmäßige Zahlung der Sparraten ein, ohne ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Im Januar 2015, also knapp 22 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife, kündigte die Bausparkasse den Bausparvertrag. Das Bausparguthaben belief sich zu diesem Zeitpunkt auf ca. 15.000 Euro; die Bausparsumme war also nicht vollständig angespart.

Das Urteil

Das Gericht hält die Kündigung der Bausparkasse für unberechtigt (Az.: 9 U 171/15). Diese könne sich nicht auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen, wonach ein Darlehensnehmer das Darlehen zehn Jahre nach dessen vollständigem Empfang kündigen könne. Nach den Allgemeinen Bausparbedingungen (§ 5 Abs. 1 ABB) sei der Bausparer verpflichtet, Regelsparbeiträge bis zur erstmaligen Auszahlung der Bausparsumme zu zahlen. Vor Ende dieser Pflicht habe die Bausparkasse das als Darlehen anzusehende Guthaben nicht vollständig empfangen. Im Fall der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung wäre die Bausparsumme innerhalb von zehn Jahren ab Zuteilungsreife vollständig angespart worden. Wenn die Bausparkasse selbst ein faktisches Ruhen des Bausparvertrages erlaube, sei sie nicht schutzbedürftig und könne sich nicht später auf ein gesetzliches Kündigungsrecht berufen, betonten die Richter.

Die Praxisfolgen

Das Oberlandesgericht Stuttgart ist das erste Berufungsgericht, das die Kündigungswelle der Bausparkassen für rechtswidrig hält. Die Richter haben die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Der Tipp

Zwischenzeitlich hat das Oberlandesgericht Stuttgart einem Bausparer in einem weiteren Fall Recht gegeben (Az.: 9 U 230/15). Es ging um zwei Bausparverträge, die ein Kunde 1999 über 160.000 und 40.000 DM abgeschlossen hatte. Beide Verträge sind nur zu etwa drei Viertel angespart. Im Januar 2015, mehr als 13 Jahre nach Zuteilungsreife, kündigte die Bausparkasse die Bausparverträge. Bis dahin hatte der Kunde 4,5 % Zinsen erhalten. Anders als bei dem ersten Fall war der Kunde nur bis zum Erreichen eines Mindestsparguthabens von 50 % der Bausparsumme zur Ansparung verpflichtet. Egal, meinte das Gericht. Die Bausparkasse habe das lange Zinsbindungsrisiko freiwillig übernommen und sei nicht schutzwürdig. Von einer Kündigung betroffene Handwerker sollten zunächst ihre Bausparkasse außergerichtlich mit den neuen Entscheidungen konfrontieren. Kommt keine außergerichtliche Einigung zustande, sollte ein Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht konsultiert werden.