Porträt Seifrizpreis: Paddel für Biogasanlagen

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Technologietransfer

Für die Neuentwicklung eines Paddel-Rührwerks, das derzeit vor allem in den Gärreaktoren von Biogasanlagen sehr erfolgreich eingesetzt wird, hat das Sondermaschinenbau-Unternehmen S. Steverding GmbH aus Stadtlohn den Adalbert-Seifriz-Preis für Technologietransfer zwischen Handwerk und Wissenschaft bekommen.

Das Sondermaschinenbau-Unternehmen S. Steverding GmbH aus Stadtlohn gewann mit seinen Kooperationspartnern Maschinenbau-Professoren Klaus Baalmann und Hans-Arno Jantzen von der Fachhochschule Münster, Abteilung Steinfurt den Seifriz-Preis. - © KD Busch

Kooperationspartner der Metallhandwerker waren die Maschinenbau-Professoren Klaus Baalmann und Hans-Arno Jantzen von der Fachhochschule Münster, Abteilung Steinfurt. Der Stadtlohner Betrieb ist einer von drei Preisträgern in dem bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb.

Um die Energiewende zu schaffen, muss unter anderem noch stärker auf Biogas gesetzt werden. Die Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen und Gülle läuft aber nur dann optimal ab, wenn das Ausgangsmetarial im Reaktor immer wieder gut und gleichmäßig durchmischt wird und die jeweils ideale Gärtemperatur hat. Die Rührwerke in den riesigen Behältern – in der Regel sind sie sechs Meter hoch und haben einen Durchmesser von 27 Metern – tragen zur bestmöglichen Energieausbeute entscheidend bei. Die S. Steverding GmbH entwickelt und produziert schon seit 16 Jahren solche  Rührwerke für das In- und Ausland. Seitdem hat sich jedoch die Zusammensetzung der Rohstoffe deutlich geändert „Das Material wird immer grober und langfaseriger. Deswegen muss sich auch die Rührtechnik den neuen Anforderungen anpassen“, erläutert Stefan Steverding. Zudem war bislang „eine sichere Vorhersage des Rührverhaltens nicht machbar, sodass jedes neue Projekt sowohl für uns als Anlagenbauer als auch für die Betreiber mit starken Unsicherheiten behaftet war“. Als dritter Anstoß für die Neuentwicklung des Rührwerkes kam hinzu, dass zahlreiche bisherige Einbauten relativ viel Energie verbrauchten, um die Bio-Energie zu gewinnen.

Schon über viele Jahre hinweg arbeitet die Steverding GmbH mit Dieter Weniger zusammen, dem Technologietransferberater der Handwerkskammer Münster. „Da uns klar war, dass wir die Neuentwicklung nicht ohne Hilfe von Wissenschaftlern hinbekommen würden, haben wir uns wieder an Weniger gewandt“, so Steverding. Er vermittelte den Kontakt zu den FH-Professoren Jantzen und Baalmann. Deren Aufgabe war vor allem, das bisher noch nie untersuchte Strömungsverhalten der Abfallstoffe im Reaktor dreidimensional zu analysieren. Unter anderem wurde dabei mit Hilfe von Bällen die Oberflächenbewegung beobachtet. „Das Durchmischen des Materials muss effizient und gleichzeitig schonend ablaufen, ...

aber es darf auch keine Totzonen geben, wo sich nichts bewegt. Um das mit einer optimalen Zahl, Größe und Stellung der vier bis acht Paddel an dem Rührwerk hinzubekommen, haben wir bei unseren Messungen Rechenzeiten von zehn bis 14 Tagen pro Berechnung benötigt“, beschreiben die beiden Maschinenbau-Experten die Herausforderung. Dass beide, seit vielen Jahren in Sachen Technologietransfer erfahrenen Wissenschaftler, dabei von „abenteuerlichen Vorgängen“ sprechen, zeigt, dass es bei der Neuentwicklung tatsächlich um die sprichwörtlich harte Nuss gegangen ist.

Die etwa einjährige Mühe hat sich gelohnt: Das neue Hydromixer-Rührwerk zeichnet sich durch einen geringen Stromverbrauch und gleichzeitig eine effizientere Vermengung des Gärmaterials aus. Dies wurde durch eine verbesserte Rührwerksgeometrie erreicht. Stefan Steverding: „Durch die technischen Änderungen können wir heute bereits kleinere Fermenter, mit Durchmessern bis zu 18 Metern, alleine mit nur einem Hydromixer bestens durchmischen, sodass eine optimale Gasausbeute erzielt werden kann.“  Der Energieertrag der damit ausgerüsteten Biogasanlagen liegt unterm Strich um etwa 25 Prozent über dem bisherigen Standard. Zudem wird das prinzipielle Technikziel voll erreicht: Eine sichere Anlagenverfügbarkeit trotz der schwierigen Verhältnisse, in denen sie arbeiten.

Der wirtschaftliche Erfolg hat für die Steverding GmbH nicht lange auf sich warten lassen: Bereits im Jahr 2012 wurden über 200 Hydromixer für Biogasanlagen hergestellt und europaweit montiert. Die Innovation macht einen Anteil von 1,85 Millionen Euro am Jahresumsatz von 4,5 Millionen aus und hat die Produkte aus Stadtlohn noch gefragter gemacht. Dies hat sich inzwischen über Europa hinaus bis nach Kanada herumgesprochen, das als neuer Markt hinzukommt. Die Zahl der Arbeitsplätze bei Steverding ist auf 40 gestiegen und es wurde ein Umzug an einen neuen Standort nötig. Es könnten sich leicht noch weitere Jobs ergeben, wenn sich die aktuellen Anfragen auch aus der Öl- und Reifenindustrie sowie der Lackherstellung wie erwartet in Aufträge „ummünzen“ lassen. Die Neuentwicklung bietet eben über die Biogasgewinnung hinaus noch zahlreiche weitere industrielle Einsatzmöglichkeiten.