Betriebsübergabe Mit gutem Gefühl loslassen

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Nachfolge

Die Übergabe ist beschlossen, betriebswirtschaftlich ist alles zufriedenstellend geregelt. Doch das war noch nicht alles. Damit es auch zwischenmenschlich weiter rund läuft, ist noch einiges an Arbeit nötig.

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    „Mein Vater und ich haben wichtige Entscheidungen von Anfang an gemeinsam getroffen.“ Juniorchef Ulli Wetzel ­führt die Mössinger Stahl- und Metallbau GmbH in Pforzheim in der 4. Generation.
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    „Die ersten drei bis vier Jahre nach der Übergabe sind in der Praxis meistens die schwersten.“ Torsten Groth, ­Nachfolgeexperte der Uni Witten-Herdecke.

Wirklich leicht ist es ihm nicht gefallen. Doch es gab diesen Tag vor gut acht Jahren, an dem Rudi Bleich schlagartig klar wurde: Würde er jetzt nicht handeln, dann würde der Junior andere Träume wahr machen. Und dann ging alles ganz schnell: „Von diesem Moment an“, erzählt er, „haben wir es konsequent durchgezogen.“

Die Rechts- und Steuerfragen waren verhältnismäßig rasch geklärt: Sohn Rouven bekam 75 Prozent des Unternehmens, das für private und industrielle Kunden elektronische Anlagen baut und sich auf Gebäudetechnik, Wärmepumpen, Fotovoltaik und EIB-Bussysteme spezialisiert hat, und wurde Hauptgeschäftsführer.

Für den Senior überhaupt kein Problem: „Wir waren schon damals Spitze in unserem Metier, aber ich wusste, wenn wir das bleiben wollen, müssen Jüngere ran, die besser mit den technischen Entwicklungen mithalten“.

Konflikte austragen und klären

Obwohl die vermeintlich wichtigsten Formalien geregelt waren, knirschte es im Alltag dann doch im Gebälk. Schon vor der Übergabe hatte der Junior Vaters Hängemattenregistratur durch eine neue EDV ersetzt, bei der „plötzlich jede Schraube“ eine Bestellnummer brauchte und alle Arbeitsvorgänge dokumentiert werden mussten. „Umständlich und unnötig“, wie der Vater fand.

Und auch nach dem Übergang sind die Bleichs in vielen Dingen nicht immer einer Meinung. Beim Werkzeug beispielsweise will der eine das Günstigste, der andere das Beste, beim Personal setzt der eine auf Bewährtes, der andere will neues Know-how ins Haus holen.

Nicht ungewöhnlich, weiß Andrea Winkler, Nachfolgemoderatorin bei der Handwerkskammer Karlsruhe. Kaum eine Übergabe verläuft reibungslos, schließlich müssen zwei Generationen miteinander klarkommen – und am Ende die Rollen tauschen.

Wichtig ist nur, dass die Konflikte nicht unterdrückt, sondern gelöst werden. Kein einfacher Prozess, wie sie aus Erfahrung weiß, vor allem, weil den mit der Übergabe verbundenen psychologischen Aspekten im ganzen Prozess oft die geringste Aufmerksamkeit geschenkt wird. Am Ende steht dann das Zahlenwerk, aber alle sind unglücklich.

Torsten Groth, Dozent am Wittener Institut für Familienunternehmen und Nachfolgeberater, kennt das Thema. Vor allem die ersten drei bis vier Jahre nach der Übergabe seien die schwierigsten. Dabei gibt es laut Groth zwei typische Verhaltensweisen: Entweder erstarren die Nachfolger in Bewunderung und machen alles weiter wie gehabt. Was den Scheidenden dann fast schon zum Bleiben und weiter Mitreden auffordert. Oder die Nachfolgegeneration reißt das Ruder gleich komplett herum und sucht den offenen Konflikt.

Streit durch Fahrplan vermeiden

Ein Szenario, das mitunter in einen regelrechten Kampf der Generationen ausartet. Mit dramatischen Konsequenzen, nicht nur für die Harmonie in der Familie, sondern auch für den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes. Denn je länger der Streit dauert, umso verunsicherter wird die Belegschaft. Im schlimmsten Fall solidarisieren sich einige oder gar alle Mitarbeiter mit „ihrer“ Generation und heizen den Konflikt noch an – oder sie suchen gleich das Weite.

Wer eine Eskalation vermeiden will, darin sind sich Winkler und Groth einig, der muss nicht nur rechtzeitig mit dem Übergabeprozess beginnen, er muss ihn auch klar strukturieren. Wie eine Exklusiv-Umfrage von handwerk magazin bei den Nachfolgeberatern der Handwerkskammern belegt, gehören eine fehlende Strategie sowie das „Nicht-loslassen-können“ zu den größten Fehlern im Übergabeprozess.

Am Tag X die Büros tauschen

Zeigt der Nachwuchs ernsthaftes Interesse an einem Einstieg, sollte deshalb nach Empfehlung der Experten ein klarer Fahrplan abgesprochen werden, der nach Lehre oder Studium und möglichen „Wander“-Jahren verbindliche Einstiegsschritte definiert und den Übergabetermin verbindlich fixiert.

Dabei ist für Birgit Felden, Professorin für Unternehmensnachfolge in Berlin, ganz wichtig: Mit diesem Tag sollte der Schritt auch für Außenstehende nachvollziehbar sein. Ihr Tipp: Am Tag X tatsächlich die Insignien weiterreichen, also beispielsweise die Büros tauschen oder das Chefauto übergeben.

Bevor es so weit kommt, sollte der Nachfolger bereits eigene Bereiche verantworten und in strategische Entscheidungen einbezogen sein. „Schon als ich 2003 als Mitgeschäftsführer eingestiegen bin“, erinnert sich Ulli Wetzel, „haben wir angefangen, wichtige Entscheidungen zu diskutieren“.

Als er dann 2013 den bereits in vierter Generation geführten Betrieb, die Mössinger Stahl- und Metallbau tatsächlich übernahm, hörten die Gespräche nicht auf. Noch zwei Jahre stand der Vater mit Rat und Tat zur Seite, erst jetzt, mittlerweile deutlich über 70, zieht er sich nach und nach zurück.

Nicht schlecht gelöst, findet Torsten Groth, auch wenn die Zeit des Übergangs relativ lang war. Experten empfehlen, die Übergabe nicht abrupt zu gestalten, sondern Zwischenphasen einzubauen, in denen beide Generationen nach innen und außen gemeinsam auftreten. Im Idealfall etwa zwei Jahre vor dem endgültigen Schnitt. In dieser Zeit sollten vor allem die Seniorunternehmer die Gleichberechtigung von Tochter oder Sohn aktiv vermitteln.

Gleichberechtigt auftreten

Gute Hilfsmittel hierzu sind die Website oder die Imagebroschüre, wo der Junior nicht nach, sondern neben dem Senior genannt wird. Oder Auftritte auf Betriebsfeiern, auf denen beide zu den Mitarbeitern sprechen. Aber auch vermeintliche Nebensächlichkeiten wie die Sitzordnung spielen eine Rolle. Ebenso klar, wie der Senior nach dem Ausscheiden einen Platz im Betrieb behalten sollte, ebenso klar sollte der Junior schon in der Lernphase einen eigenen Platz und Aufgabenbereich erhalten.

Ein Aspekt, der, wie Groth betont, in der Praxis oft missachtet wird. Sohn oder Tochter des Chefs laufen dann über Jahre mit, ohne eigenen Platz und ohne definierte Aufgaben. Ein Zustand, den niemand einem externen Mitarbeiter zumuten würde – und auf den sich auch niemand einlassen würde. Besonders schlimm ist es, wenn die Senioren nach der Übergabe keine Ruhe geben, obwohl es klare Aufgabenzuteilungen gibt. Immer wieder, räumt denn heute auch Rudi Bleich ein, habe er erinnert, nachgefragt und kontrolliert. Eigentlich aus bester Absicht, weil er unterstützen wollte, sein Sohn aber fühlte sich bevormundet.

Erst als die beiden externe Hilfe bei einem Nachfolgemoderator suchten, den es inzwischen fast bei allen Handwerkskammern gibt, klärten sich die Fronten. Einfach mal im Kundengespräch „mitschwätze“, das passiert dem Senior heute nicht mehr. Ohnehin hatte er nie bezweifelt, dass der Junior das aktuellere Fachwissen hat. Dafür bietet er immer dann die starke Schulter, wenn es mal nicht läuft – das hat er schließlich alles schon öfter mal erlebt.

Inzwischen haben die Bleichs klar abgegrenzte Aufgabenbereiche, von denen nach und nach immer mehr an den Junior übergehen. Der Senior findet das absolut in Ordnung. „Ich hatte meine Zeit“, sagt Rudi Bleich, „und ich war gut! Jetzt kann mein Sohn es besser.“

Stolperfallen vermeiden

Der Umgang mit den eigenen Eltern als scheidende Chefs ist für Nachfolger nicht einfach. Die größten Hürden und wie Sie sie meistern:

Aktionismus

Zu schnelles Umgestalten überfordert oft das Umfeld. Bleiben Sie bei dem Motto: Bewährtes bewahren und behutsam ändern.

Unklarheit

Damit Sie gut arbeiten können, brauchen Sie klare Informationen und Absprachen. Experten betrachten es als wesentliche Aufgabe des Juniorchefs, diese einzufordern.

Unscheinbarkeit

Wer eine Firma führen will, braucht Respekt, diesen müssen Sie sich bei Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten verschaffen. Stellen Sie klar: Ich mache jetzt die Ansagen!

Sachlichkeit

Häufig argumentieren Nachfolger mit Zahlen oder Fachwissen. Das trifft den Kern des Problems jedoch nicht. Sie übernehmen keine Bilanz, sondern ein Lebenswerk. Dabei geht es vor allem darum, die Emotionen zu beachten.

Wertschätzung

Damit der Senior gerne übergibt, ist es wichtig, dass seine Leistung weiterhin anerkannt wird. Dazu gehört auch, dass er noch einen Arbeitsplatz und einen Schlüssel hat.

Selbstüberschätzung

Der Nachname macht noch keinen Chef. Junioren sollten daher auch die eigene Qualifikation immer wieder kritisch prüfen und an ihren Schwächen arbeiten.

Konfrontation

Auch wenn der Senior Fehler macht oder sogar absichtlich Abläufe boykottiert: Reine Konfrontation hilft nicht weiter. Suchen Sie Hilfe beim Nachfolgemoderator der Kammer.

Für Seniorchefs: Helfen, ohne zu bevormunden

Das Schlimmste, was nach der Übergabe passieren kann, ist, dass der neue Chef von Kunden oder Mitarbeitern nicht ernst genommen wird. Es ist Aufgabe des Seniors, hier vorzubeugen. Wie, zeigen die folgenden sechs Tipps:

1. Gleichwertigkeit

Demons­trieren Sie schon in der Übergangsphase, dass auch der Junior entscheidungsberechtigt ist. Kommt der Tag, gestalten Sie ihn bewusst, beispielsweise durch die Übergabe des Büros.

2. Zurückhaltung

Jetzt trifft der neue Chef die Entscheidungen. Auch wenn es schwerfällt: Machen Sie keine Vor­gaben oder Versprechungen, die nicht mit ihm abgestimmt sind.

3. Solidarität

Stellen Sie Entscheidungen des Juniors nicht infrage. Ganz besonders, wenn Vorgänge früher anders liefen, ist es wichtig, dass Sie nach außen hinter den Veränderungen stehen – egal, was Ihre Meinung ist.

4. Rückhalt

Bleiben Sie auch bei unterschiedlichen Meinungen weiter Ansprechpartner bei Problemen. Bieten Sie Hilfe an, aber drängen Sie sich nicht auf. Verzichten Sie auf Nachfragen.

5. Vertrauen

Schon vor der Übergabe haben Sie alles getan, damit der Nachfolger dem Geschäftsleben gewachsen ist. Jetzt dürfen Sie darauf vertrauen. Nachfragen, ob alles erledigt und beachtet ist, sind überflüssig.

6. Rückzug

Suchen Sie sich frühzeitig Hobbys oder Aufgaben außerhalb des Betriebes. Stocken Sie Ihr Zeitbudget dafür nach und nach bewusst auf. Je besser dies gelingt, desto leichter fällt letztendlich das Loslassen.